Wegschauen ist auch keine Lösung

Die Bombardierung syrischer Infrastruktur durch die USA, Frankreich und Großbritannien war ein begrenztes politisches und moralisches Signal. Die Bundesregierung handelt besonnen – in den sozialen Medien tobt die Desinformation. Ein Kommentar von Moritz Breckner
Von PRO
Laut Wikipedia zeigt dieses Foto ein Gebäude, das bei den Luftschlägen in der Nacht zum Samstag in Syrien zerstört wurde

Amerika, Großbritannien und Frankreich haben in der Nacht zum Samstag in Syrien drei Einrichtungen bombardiert: Ein Labor bei Damaskus und zwei Lagerhallen bei Homs. Angeblich sind alle drei Orte relevant für das syrische Chemiewaffenprogramm. Ziel war es, Machthaber Baschar al-Assad für seinen – nach Kenntnissen mehrerer westlicher Staaten – als gesichert zu betrachtenden Einsatz von Giftgas gegen die eigene Bevölkerung zu bestrafen und weitere derartige Verbrechen zu erschweren. Mehr als 40 Menschen waren bei einem solchen Angriff nahe Duma in der Woche zuvor getötet worden. Frankreich veröffentlichte dazu am Wochenende einen Bericht, in dem es heißt: „Die von Frankreich und seinen Alliierten zusammengetragenen Elemente stellen ein ausreichendes Bündel an Beweisen dar, um die Verantwortung für die Chemieattacken vom 7. April dem syrischen Regime zuzuschreiben.“

Zivile Opfer gab es bei den alliierten Luftschlägen nach ersten Erkenntnissen keine, auch russisches Militär wurde nicht getroffen, die Aktion war zeitlich begrenzt und ist abgeschlossen.

Das ist kein dritter Weltkrieg, das ist auch kein pauschaler Angriff auf Syrien, es ist noch nicht einmal eine konfliktentscheidende Parteinahme im syrischen Bürgerkrieg. Es ist ein übersichtliches Signal der westlichen Wertegemeinschaft gegen den Einsatz von Chemiewaffen. Donald Trump, Theresa May und Emmanuel Macron haben sanktioniert, was schon Barack Obama folgenlos als das Überschreiten einer „roten Linie“ bezeichnet hatte.

Die Bundesregierung reagierte erfreulich besonnen auf die Luftschläge: Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete den Angriff als „erforderlich und angemessen“, gleichzeitig leistete Deutschland keine praktische Hilfe – die war auch gar nicht nötig.

Hilf- und ratlos haben bislang die Kirchenrepräsentanten in Deutschland auf die Entwicklungen reagiert. Zwar verurteile man den Einsatz von Giftgas gegen Menschen, aber: „Militärische Lösungen wird es nicht geben. Und auch Militärschläge führen nicht zum Ziel“, sagte Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, am Samstag. „Der Weg der Gewalt wird keine Lösung bringen“, ergänzte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm. Das stimmt: Der Syrien-Konflikit ist mit dem Luftschlag nicht gelöst. Weil es hier aber schlicht um die Zerstörung von Lagerhallen für Chemiewaffen geht, kann man eine differenziertere Erklärung der Kirchen erwarten. Deshalb wäre es klug, wenn die Kirchen nach dieser spontanen Reaktion noch einmal tiefer in das Thema einstiegen. Vorbild kann der Christ und Journalist Daniel Böcking sein, der aus Nächstenliebe für die Opfer Assads nicht wegschauen möchte. Deswegen befürwortet er den Luftschlag.

Vergleich mit Irakkrieg hinkt

Kritik am Luftschlag und an der Positionierung der Bundesregierung kommt hauptsächlich von Linkspartei und AfD, bei denen in solchen Fragen antiamerikanische und russophile Reflexe greifen. So lesen sich auch die Facebook-Kommentare diverser Nutzer im Umfeld der beiden Parteien: Massenhaft wird da behauptet, die Beweise gegen Assads Chemiewaffeneinsatz seien unglaubwürdig, Großbritannien, die USA oder andere Kräfte hätten diesen selbst verursacht oder vorgetäuscht.

„Verschwörungstheorie“ ist für solche Einlassungen noch ein beschönigendes Wort. Verglichen wird die Situation mit dem Irakkrieg 2003 und der amerikanischen Behauptung, dort seien Massenvernichtungswaffen zu finden. Dabei hinkt der Vergleich mehrfach: Beim Chemiewaffenangriff 2018 handelt es sich um einen gut dokumentierten Vorfall vor den Augen der Weltgemeinschaft mit zahlreichen Zeugen. Und Ziel der Luftschläge gegen das syrische Waffenprogramm sind nicht Einmarsch und Regimewechsel, sondern ein moralisches und politisches Signal.

Das heißt mitnichten, dass westliche Politiker und Medien nicht zu hinterfragen wären. Doch das rechtfertigt nicht den Reflex, sich automatisch und immer gegen Amerika und Europa zu positionieren. Johann Wolfgang von Goethe formulierte einst: „Sage mir, mit wem du umgehst, so sage ich dir, wer du bist.“ Wer sich instinktiv eher auf die Seite von Assad, Putin, Iran und China stellt als auf die Seite der USA, Großbritanniens, Frankreichs, Deutschlands, Israels sowie zahlreicher anderer europäischer Nationen – der sollte zumindest selbstkritisch reflektieren, wie er zu seinem Standpunkt kommt.

Russische Propaganda im Gewand der Friedensaktivisten

Besonders deutlich entlarvt sich die Desinformation von links und rechts in absurder Rhetorik. Der Dresdner AfD-Politiker Maximilian Krah etwa twittert:

Krah trifft dabei den Ton in den sozialen Netzwerken. Das dort oft zu lesende Wording von „Kriegstreiberei“ und „Kriegsbegeisterung“ entspricht exakt der russischen Propaganda, die über den TV-Sender RT (früher Russia Today, AfD-Politiker wie Krah lassen sich hier interviewen) und unzählige als Friedensinitiativen getarnte Facebook-Seiten gezielt auch in Deutschland verbreitet wird. Den Bürgern Europas und Amerikas aufzuschwatzen, die Zerstörung von Lagerhallen für Chemiewaffen sei „Kriegstreiberei“, dient unmittelbar den russischen Interessen in Syrien.

Es empfiehlt sich, dieser Tage besonders genau hinzuschauen, welcher Quelle für Nachrichten man Vertrauen schenkt – und sich nicht von Hysterie und undifferenzierten Behauptungen einnehmen zu lassen. Denn das, was für die Menschen in Syrien ein Kampf um Leben und Tod ist, läuft als Kampf um Wahrheit und Lüge auch bei uns.

Von: Moritz Breckner

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