Was für Norbert Blüm wirklich zählt

In der Wirtschafts-, Familien- und Europa-Politik der CDU gehe es nur ums Geld, beklagt der CDU-Politiker und ehemalige Sozialminister Norbert Blüm in einem Gastbeitrag der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Er fordert seine Partei dazu auf, den Mut zu haben, unmodern zu sein.
Von PRO

"Das C in unserem Parteinamen war für meine Ahnungen, dass Politik doch mehr sein müsse als ein Management der Macht, die Hoffnung, die man braucht, um die miesen Kleinigkeiten der Politik zu überstehen", bezeichnet Blüm in dem Beitrag als Grund, warum er in die CDU eingetreten und dort geblieben ist. "Der Mensch – jeder – ist Ebenbild Gottes, das ist die tiefste Quelle seiner Würde." Allerdings stellt er die Frage, welche Ideen heute hinter der Wirtschaftspolitik der CDU, ihrer Familienpoltitik und Europapolitik stehen. Blüm antwortet selbst: "Ich kann es kurz machen: Es geht nur (in der Sprache Helmut Kohls) um ‚Bimbes‘, also ums Geld. Alles dreht sich um einen materiellen Kern." Das sei aber das falsche Zentrum für eine christliche Partei. Die Trinität, die in der neoliberalen Wirtschaftsreligion verehrt werde, heiße: Kostensenkung, Privatisierung, Deregulierung. "Den Götterdienst um diese drei hat die CDU mitgefeiert."

Zum Stichwort "Kostensenkung" beklagt der Sozialpolitiker: "Bei Schuldenabbau denken neun von zehn Zuhörern an Kürzungen im Sozialetat, obwohl eine Steuererhöhung bei jenen, welche die Krise ausgelöst haben, verursachergerechter wäre." Privatisierung wiederum sei das Transfervehikel, das die Staatsordnung in das Regime des Geldes überführe. Und die Deregulierung schließlich sei der Bahnbrecher einer Befreiung, die alle Bindungen auflöse. "’Ich-AG‘ und ‚Selbst-GmbH‘ sind der sprachliche Ausdruck der Verwandlung des Homo sapiens zum selbstsüchtigen Homo oeconomicus", schreibt Blüm. "Das ist eine unheilige Transsubstantion."

"Familie ist ein Stabilisator der Gesellschaft"

Die Auswirkungen der Deregulierung auf die Familie beschreibt er so: "Der Arbeitsmarkt ist inzwischen so weit dereguliert, dass die Hälfte der jungen Arbeitnehmer unter 25 Jahren keinen festen Arbeitsvertrag mehr besitzt. Wie soll unter dieser Bedingung eine Familie, die auf Dauer gerichtet ist, gegründet werden?" Jede achte Ehe lebe dank gestiegener Mobilität in einer Fernbeziehung. Familie sei  nach christlicher Vorstellung ein Stabilisator der Gesellschaft, der institutionelle Widerstand gegen Totalitarismus. Sie sei jedoch längst in den Sog der Verwirtschaftung geraten. Die Familienpartei CDU lasse aber schweigend zu oder befördere sogar, "dass die Familie auf dem Arbeitsmarkt untergepflügt wird".

In der derzeitigen Europa-Krise kulminiere der Offenbarungseid einer Politik, die Geld für alles halte, stellt Blüm fest. Und der Schnäppchenjäger, "die volkstümliche Ausgabe des Homo oeconomicus", sei ein Dauerrechner. "Doch das Beste, was Menschen kennen und können, hat nichts mit Kalkulation und Kosten-Nutzen-Analyse zu tun: Vertrauen, Glaube, Treue, Liebe sind etwas anderes als Vorteilsberechnung." Selbst die wirtschaftlich hoch geschätzte Risikobereitschaft sei kein Rechenexempel. Der Homo oeconomicus sei ein menschlicher Krüppel.

"Es sind die ganz alten Sachen, die fortschrittlich sind"

"Eigentlich schlüge jetzt die Stunde der CDU", resümiert Blüm. "Wenn sie den Mut hat, unmodern zu sein. Es sind die ganz alten Sachen, die fortschrittlich sind: Erstens: Die Würde des Menschen hat keinen Preis. Sie ist unbezahlbar." Der Mensch sei wichtiger als die Sache. Zweitens schütze und stütze der Starke den Schwachen. Drittens gebe man nicht mehr aus, als man einnehme. "Viertens: Der Staat ist Koch, die Wirtschaft Kellner. So lautet der Grundsatz der christlichen Soziallehre. Fünftens: Ideen bewegen die Welt. Das wissen wir spätestens seit 1989." (pro)

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