Die Wissenschaftler des "Interdisziplinären Zentrums für Wissenschaftliches Rechnen" (IWR) beschäftigten sich mit der automatischen Generierung von sogenannten Schattenprofilen. Dabei fanden sie heraus, dass sich aus der Netzwerkstruktur der Mitglieder, Informationen auf Nicht-Mitglieder übertragen und durch eine geschickte Analyse auswerten lassen.
Nicht-Angaben können sehr exakt berechnet werden
Bereits seit einigen Jahren gehen die Wissenschaftler der Frage nach, welche Schlussfolgerungen sich mit Hilfe eines Computers aus direkt oder indirekt eingegebenen Daten ziehen lassen. Demnach können in sozialen Netzwerken auch Angaben wie die sexuelle Orientierung oder die politische Ausrichtung, die ein Mitglied nicht selbst angegeben hat, mit sehr hoher Präzision "berechnet" werden. Allerdings nur, wenn genügend Freunde des betreffenden Nutzers die entsprechende Information über sich selbst freigegeben haben.
"Sobald bestätigte Freundschaftsbeziehungen bekannt sind, ist die Vorhersage bestimmter unbekannter Eigenschaften keine allzu große Herausforderung mehr für die maschinelle Datenanalyse", erklärt Fred Hamprecht, einer der beteiligten Wissenschaftler und Mitbegründer des "Heidelberg Collaboratory for Image Processing" (HCI). Die Anfälligkeit für die automatische Generierung sogenannter Schattenprofile sei deswegen untersucht worden, weil Nicht-Mitglieder keine Datenschutz-Bedingungen unterzeichnet hätten.
Dies sei deshalb problematisch, weil Neu-Mitglieder von Facebook dazu aufgefordert würden, bei ihrer Registrierung dem Netzwerk ihre kompletten E-Mail-Kontakte zur Verfügung zu stellen – auch Kontakte zu Personen, die selbst nicht Mitglied bei Facebook sind. "Wer mit wem in einem sozialen Netzwerk bekannt ist, lässt sich mit Informationen darüber verknüpfen, wen Nutzer außerhalb des Netzwerks kennen. Mit dieser Verknüpfung kann dann wiederum ein wesentlicher Teil des Bekanntschaftnetzes zwischen Nicht-Mitgliedern abgeleitet werden", erläutert die IWR-Forscherin Ágnes Horvát.
Schnelle Lösung mit handelsüblichen Computern möglich
Laut der Pressemitteilung der Universität konnte mit handelsüblichen Computern in nur wenigen Tagen berechnet werden, welche Nicht-Mitglieder mit großer Wahrscheinlichkeit miteinander befreundet sind. "Unter realistischen Annahmen darüber, wieviel Prozent einer Bevölkerung Mitglied eines sozialen Netzwerkes sind und mit welcher Wahrscheinlichkeit diese ihr E-Mail-Adressbuch hochladen, hat sich gezeigt, dass es mit den Berechnungen möglich war, rund 40 Prozent richtige Vorhersagen über Bekanntschaften zwischen den Nicht-Mitgliedern zu treffen." Nach Angaben der Universität stelle dies eine 20-fache Verbesserung gegenüber einfachem Raten dar.
Die Untersuchung, so Hamprecht, habe verdeutlicht, welches Potenzial soziale Netzwerke besitzen, um Informationen über Nicht-Mitglieder abzuleiten. Viele soziale Netzwerke und Dienstleister verfügten sogar über mehr Informationen als die reinen Kontaktdaten, mit denen die Heidelberger Wissenschaftler ihre Berechnungen durchgeführt haben. Würden Angaben wie Alter, Einkommen, Ausbildung oder Wohnort hinzugefügt, ließe sich die Vorhersagegenauigkeit vermutlich noch deutlich steigern.
Wer darf Informationen ohne Freigabe nutzen?
Für die Forscherin Katharina Zweig, vom "Heidelberg Collaboratory for Image Processing" (HCI) geht es nun darum, dass die Gesellschaft eine Vereinbarung dafür finden muss, "inwieweit Informationen genutzt werden dürfen, zu denen es keine Freigabe der betroffenen Personen gibt". (pro)