„Was bleibt, wenn die Musik geht?“

In der kommenden Woche steht Aserbaidschan im Zentrum der medialen Aufmerksamkeit. Dort findet der Liederwettbewerb "Eurovision Song Contest" (ESC) statt. Doch in dem Land würden Menschenrechte und Pressefreiheit mit Füßen getreten, beklagt die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM). Die Organisation hat einen Radiospot produziert, der auf die Missstände aufmerksam machen soll.
Von PRO
Der 38-sekündige Spot "Der Sound von Baku" solle die ESC-Fans "wie ein trojanisches Pferd" überrumpeln, heißt es bei der IGFM. Zunächst ist dort ein Lied zu hören, das gute Laune verbreitet. Nur wenige Sekunden später sind Schläge und Schreie zu hören. "Was bleibt, wenn die Musik geht?", fragt eine Stimme. "Unterstützen sie uns im Kampf für die Menschenrechte in Aserbaidschan." Viele private Radiosender unterstützen diese Kampagne und senden den Spot kostenlos.

Damit möchte die IGFM im Vorfeld des ESC darauf hinweisen, wie es um die Meinungs- und Pressefreiheit in dem Land bestellt ist. Das Land befindet sich seit 1969 in den Händen der Familie Alijew. Der jetzige Präsident Heidar Alijew, seit 2003 an der Macht, unterdrücke mehr noch als sein Vater die Grundfreiheiten in dem ölreichen Land. So kontrolliere der Staat einen Großteil der Rundfunk- und Printmedien und überwache das Internet.

Kritische Stimmen werden unterdrückt

Kritische Journalisten und Oppositionelle sähen sich Einschüchterungen und willkürlicher Haft ausgesetzt, moniert die IGFM. Die Organisation spricht von 62 Personen, die in Aserbaidschan aus politischen Gründen in Haft seien, darunter mindestens 11 Journalisten und Medienschaffende. Dabei habe sich das Land 2001 auf die Europäische Menschenrechtskonvention verpflichtet. Die Regierung setze deren Vorgaben aber nur sehr mangelhaft um.

Zudem verweigere Baku dem Sonderberichterstatter des Europarats für politische Gefangene, Christoph Strässer (SPD), seit Jahren das Visum für eine Mandatsreise, die zuletzt für Mai 2012 geplant gewesen sei. Das Land begründe diesen Schritt mit den kritischen Anmerkungen Strässers. Er habe darauf hingewiesen, dass es in dem Land politische Gefangene gebe, da sie von ihrem Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit Gebrauch gemacht hätten.

Aserbaidschan musste der European Broadcasting Union (EBU) garantieren, während des Liederwettbewerbs die Pressefreiheit zu gewährleisten. Dies jedoch sei eine Farce, wendet die IGFM ein, denn eben diese geforderte Presse- und Meinungsfreiheit unterliege "immensen Beschränkungen".

Schwulenfeindlicher Angriff auf Nachrichtenseite des ESC

Unterdessen berichtet das Weblog des Kultur- und Freizeitmagazins "Prinz" von einem Hackerangriff auf die Nachrichtenseite des ESC, "esctoday.com". Unbekannte hätten dort eine schwulenfeindliche Nachricht hinterlassen: "Es gibt keinen Platz für unmoralische Schwule in Aserbaidschan. Verlasst unser Land", habe es dort geheißen. Dazu sei ein Bild zu sehen gewesen, in dem ein Krieger versucht, Meteoriten abzuwehren, die auf eine aserbaidschanische Flagge stürzen. Die Netzseite "esctoday.com" ist inzwischen nicht mehr aufrufbar.

Der 57. ESC findet dieses Jahr Aserbaidschan statt, weil im Vorjahr das aserbaidschanische Gesangsduo "Ell & Nikki" den Wettbewerb gewonnen hatte. Am 22. Mai geht es mit den Halbfinalrunden los, am Samstag, 26. Mai, ist das Finale. Austragungsort ist die "Baku Crystal Hall". Der deutsche Kandidat Roman Lob konnte sich in der Ausscheidungssendung "Unser Star für Baku" mit seinem Lied "Standing Still" für den Wettbewerb qualifizieren. (pro)
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