Was bedeutet der Glaube den Menschen?

Immer mehr Menschen treten aus der Kirche aus. Trotzdem sind zwei Drittel der Deutschen Mitglied in einer der beiden großen Kirchen. Was bedeutet der Glaube heute und wie haben Menschen zu ihm gefunden? Dieser Frage widmet die "Welt am Sonntag" (WamS) am 18. September das Titelthema.
Von PRO

180.000 Menschen sind im letzten Jahr aus der katholischen, 150.000 aus der evangelischen Kirche ausgetreten. Was treibt Menschen an, weiterhin Kirchenmitglied zu bleiben? Der Gottesdienstbesuch kann es nicht sein, mutmaßt "WamS"-Autor Matthias Kamann, denn nur 12,6 Prozent der rund 25 Millionen Katholiken und weniger als fünf Prozent der 24 Millionen Protestanten gehen überhaupt in die Kirche.

Nicht nur dies zeige, dass die kirchliche Bindung nachlasse, dennoch habe sich an der "Grundreligiosität" der Deutschen wenig geändert, stellt "WamS"-Autor Matthias Kamann fest. Diese begründet er mit den Ergebnissen des Religionsmonitors der Bertelsmannstiftung. Im Jahr 2007 hielten sich 77 Prozent der Befragten für "irgendwie religiös", aktuell hätten dies noch 75 Prozent angegeben. Laut einer aktuellen Umfrage von TNS Emnid bezeichnen sich 36 Prozent der Protestanten als "gar nicht" oder "wenig religiös". Bei den Katholiken sagen dies 26 Prozent der Befragten.

Dennoch seien den Deutschen die Kirchen wichtig. "Es soll die großen Kirchen geben. Diese sollen ökonomischen Zwängen enthoben sein, um karitativ und seelsorgerlich dem Zusammenhalt der Gesellschaft zu dienen", schreibt Kamann. Scheinbar wollen Menschen zu bestimmten Anlässen wie Taufe, Konfirmation, Hochzeit und Beerdigung nicht auf die "religiöse Infrastruktur und geistliche Ansprache" verzichten.

Aber was ist mit denen, die die Gottesdienste gerne besuchen?

Dazu lässt die "WamS" Christen aus beiden Konfessionen zu Wort kommen. "An Jesus oder den Heiligen lässt sich erkennen, dass das Gute von wirklichen Menschen getan wird und Gott sich realen Personen zuwendet, sie annimmt", erzählt beispielsweise die 37-jährige Diplom-Pädagogin Wiebke Finkenbusch. Die Leiterin einer Kindertagesstätte schätzt die Gemeinschaft in der Kirchengemeinde, das "unvoreingenommene Angenommensein und das Geborgensein". Sie erzählt auch, wie sie den Kindern die Schöpfungsgeschichte nahebringt. Durch die Arbeit mit den Kindern habe sie sich auch intensiver mit dem Glauben beschäftigt. "Der Glaube wird stärker, wenn man ihn an Kinder weitergibt."

Der 22-jährige Martin Popp studiert an der Universität in Regensburg katholische Theologie und bereitet sich auf seine Priesterweihe vor. Er habe bei den "Regensburger Domspatzen" zum Glauben gefunden. Seiner Ansicht nach sind viele seiner Altersgenossen "auf der Suche", das merke er in Gesprächen und Diskussionen. Für sein Empfinden geben die Kirche und der Papst die Leitlinien, die als Leitplanken für ein gutes, Gott zugewandtes Leben fungieren: "Die Kirche soll in erster Linie den Glauben an Christus verkünden und für die Menschen da sein."

Gottvertrauen in auswegloser Situation

Reiner Friedsam hatte nie an der Existenz Gottes gezweifelt. An dem Tag, als seine Mutter starb, stürzte er in eine Glaubenskrise. Dass er doch zum Glauben zurückkehrte, dazu habe auch das Gedicht "Von guten Mächten" von Dietrich Bonhoeffer beigetragen. Da heißt es: "Und reichst Du uns den schweren Kelch, den bittern, des Leids gefüllt bis an den höchsten Rand, so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern aus Deiner guten und geliebten Hand." Dieses Gottvertrauen aus einer ausweglosen Situation des bekannten Theologen beeindruckte ihn. "Bonhoeffer ist für mich das Vorbild für einen Menschen, der im Angesicht des Todes die Kraft aus der Religion schöpft."

Der Maler Sieger Köder, von "WamS" als "vielleicht populärster deutsche Maler christlicher Bilder" bezeichnet, malte sein Leben lang Bilder mit biblischen Szenen. Heute lebt er im Altenheim und kann kaum noch etwas sehen. Der Kunstlehrer begann mit 40 Jahren ein Theologiestudium und wurde Priester. "Ich fing an, die Bibel richtig zu lesen. Und plötzlich hatte ich so viele neue Motive, die ich malen konnte. Ich bin bis heute nicht fertig damit." Malen ohne den Glauben könne er sich nicht vorstellen. Seine Werke sollen den Menschen beim Beten helfen. "Vor einem Bild muss ich die Bibel ganz genau lesen und darüber nachdenken. Und dann bitte ich Gott, dass er mir ein paar gute Ideen gibt." Er ist fest davon überzeugt, dass er eines Tages Jesus sehen wird. Und die Menschen, die er auf Erden geliebt hat. (pro)

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