Donald Trump überwältigt die politische Opposition: Der US-Präsident produziert fast jeden Tag neue Aufreger. Beobachter außerhalb der USA wundern sich, warum aus der Zivilgesellschaft, vor allem aus den Kirchen, nicht mehr Widerstand gegen den Kurs der US-Administration kommt.
Der Appell der Washingtoner Bischöfin Mariann Edgar Budde an Trumps Mitgefühl mit Armen und Schwachen am Tag nach der Amtseinführung im Januar wurde international zwar beachtet. Doch das täuscht darüber hinweg, dass viele Christen in den USA auf der Seite des Präsidenten stehen.
Gut vier Monate nach Amtsantritt gibt es keine Anzeichen, dass die christlichen Anhänger von Trump und dessen „Make America Great Again“-Bewegung sich von der harten Einwanderungs- und Asylpolitik, dem Kahlschlag in manchen Ministerien und dem Angriff auf die Universitäten irritieren lassen. Trumps aggressiv-nostalgisches „Make America Great Again“-Versprechen, trifft – das ist bekannt – auf offene Ohren vor allem unter weißen evangelikalen Wählerinnen und Wählern.
Evangelikale feiern Trump als „Erwählten“
Rund 80 Prozent der weißen evangelikalen Wählerinnen und Wähler haben bei der US-Präsidentschaftswahl im vergangenen November für Trump gestimmt. Sie sehen ihn als Beschützer des Glaubens in einer zunehmend diversen Welt, in der Gender-Rollen, „traditionelle“ Werte und gesellschaftliche Machtstrukturen infrage stehen. Und oft sagen religiöse Anhänger wie Baptistenprediger Franklin Graham und die christliche TV-Unternehmerin Paula White, Trump sei ein „Erwählter“, weil Gott ihn bei dem Attentatsversuch im Wahlkampf beschützt habe.
Die sogenannten „Mainline“-Kirchen gelten in den USA als Vertreter eines liberalen Protestantismus. Gemeint sind damit die traditionellen Volkskirchen, wie die Lutheraner, Methodisten, Presbyterianer und Episkopalen. Manche Kirchen und Verbände aus diesem Umfeld haben gegen Abschiebungen von Migranten und die scharfe Reduzierung der Entwicklungshilfe protestiert. Mehr als ein Dutzend Kirchen sind vor Gericht gezogen gegen den Machtzuwachs der Einwanderungsbehörde. Der leitende Bischof der Episkopalkirche, Sean Rowe, gab kürzlich bei einem Webinar für progressive Gläubige der Hoffnung Ausdruck, Kirchen könnten in der Ära Trump „das letzte Bollwerk für Gerechtigkeit sein“. Das könnte die Kirchen zu einem Angriffsziel der Regierung machen, warnte er. Daran seien Kirchen mit ihrem „privilegierten Status“ wohl nicht gewöhnt.
Doch als bedeutende politische Kraft können die progressiven protestantischen Kirchen nicht mehr gelten. Sie verlieren rapide Mitglieder, und bei genauem Hinschauen zeige sich, dass die Kirchen politisch gesehen rechts von der Mitte stünden, sagte Politikwissenschaftler Ryan Burge von der Eastern Illinois University in Charleston (US-Staat Illinois) dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der ehemalige Baptistenpastor ist Experte für Datenanalyse im religiösen Bereich. 58 Prozent der „Mainline“-Christen hätten 2024 republikanisch gewählt.
Schwarze Kirchen und progressive Gruppen im Widerstand gegen Trump
Die christliche Opposition zu Trump finde hauptsächlich in schwarzen Kirchen statt, sagte Burge. Afroamerikaner haben mehrheitlich die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris gewählt. In der politischen Opposition findet man viele Menschen ohne Bindung zu organisierter Religion.
Aber es gibt auch kleinere Protestaktionen christlicher Gruppen, die sich als progressiv bezeichnen. Anfang Mai im Kapitol in Washington, wo der Kongress tagt, wurde eine Gruppe festgenommen, weil sie eine „unautorisierte Veranstaltung“ abgehalten haben sollen. Einer der Festgenommenen gehört den „Red Letter Christians“ (Deutsch: rote Buchstaben Christen) an. Shane Claiborne sagte dem epd, die Aktivisten hätten die Worte des Propheten Jesaja vorgelesen, eine Passage, in der es um ungerechte Gesetze geht, die den Armen wehtun. Die Organisation wurde 2007 von Claiborne und dem 2024 verstorbenen baptistischen Geistlichen und Buchautor Tony Campolo gegründet. Sie beziehen sich auf die Bibel und kritisieren Nationalismus im Gewand des christlichen Glaubens. Doch im US-amerikanischen Christentum wird vielerorts akzeptiert, dass Gott die USA besonders gesegnet hat. US-Präsident Trump inszeniert sich als Beschützer. Er hat im Weißen Haus ein Glaubensbüro und eine „Kommission für Religionsfreiheit“ eingerichtet. Gläubige in den USA seien bedroht von Vorschriften und der liberalen Kultur, sagt er.
Neuer Widerstand gegen den Nationalismus soll sich am 14. Juni zeigen. An dem Tag plant Trump in Washington eine Militärparade mit mehr als 6.000 Soldaten. Es ist der 250. Jahrestag der Gründung der US-Army – und Trumps 79. Geburtstag. Der interreligiöse Verband „Interfaith Alliance“ und andere christliche Organisationen planen vielerorts Kundgebungen.