Warum geht jemand ins Kloster?

Ist der Schritt, ins Kloster zu gehen, schon für gläubige Menschen ein sehr radikaler, so muss er Nichtgläubigen umso rätselhafter vorkommen. Im Spielfilm „Schwestern“, der am 12. Dezember in die Kinos kommt, beschließt die 29-jährige Kati, diesen Weg zu gehen. Ihre Familienangehörigen sind vor den Kopf gestoßen, nutzten diese Zäsur jedoch, um sich selbst die große Sinnfrage zu stellen. Leider geht der Film kaum in die Tiefe. Eine Filmkritik von Jörn Schumacher
Von Jörn Schumacher
Der Spielfilm "Schwestern" mit Maria Schrader (re.) handelt von einer jungen Frau, die ins Kloster gehen will. Leider bleibt er dabei seltsam oberflächlich und bedient allerlei Klischees

Der Beginn ist vielversprechend. Ein Bienenvolk wird gezeigt. Wie in einer älteren Tierdokumentation wird dem Zuschauer erklärt, dass die Bienen keine Einzelgänger sind. „Bienen leben in einer Gemeinschaft, einer großen Familie, die sich arteigenen Regeln unterordnet und jedem Glied seiner Gemeinschaft eine eigene Aufgabe zugedacht hat“, sagt ein Sprecher. „In völliger äußerer Ruhe und der Abgeschiedenheit der Zelle vollzieht sich die Wandlung von der Larve zur Königin.“ So viel zu den offensichtlichen Parallelen zwischen Bienenstock und Kloster.
Und sicher, auch in einem Kloster gibt es eine Oberin. Die Bienenkönigin, wenn man so will. Aber damit sind die Parallelen dann eigentlich auch schon erschöpft. Und das Bienen-Bild beantwortet, nebenbei gesagt, auch nicht wirklich die Frage, warum jemand in ein Kloster geht. Der Film reitet im Weiteren leider dennoch auf dieser nur wackeligen Analogie herum.

„Katholische Kirche! Ist doch das Letzte!“

Eigentlich soll Kati als Nonne eingeweiht werden, doch die Zeremonie muss aus unerfindlichen Gründen unterbrochen werden. In der Wartezeit, bis die Glocken die Fortsetzung der Zeremonie verkünden, tummeln sich die Angehörigen, Mutter, Schwester, Schwager, Ex-Freund und Onkel, auf den nahegelegenen Wiesen, machen Picknick und stellen sich die wichtigste Frage des Tages: Warum bloß will unsere Kati ins Kloster? Die Gelegenheit, einmal alle zusammen auf der Wiese verteilt herumzustehen, nutzen sie, um sich zu streiten. Oder um sich selbst die Sinnfrage zu stellen. Vor allem aber können sie eines nicht: einfach hinnehmen, dass Kati ins Kloster geht.
Die Drehbuchautorin Anne Wild, die auch Regie geführt hat, spürt die typischsten Vermutungen auf, warum ein Familienmitglied Nonne werden möchte: „Da fragt man sich doch gleich: Was ist schiefgelaufen?“, „Vielleicht hätte sie erstmal einen guten Therapeuten besuchen sollen.“, „Na wenigstens ist sie nicht drogensüchtig…“ Die Familie von Kati ist jedenfalls ziemlich ratlos. Und ein bisschen aggressiv. Weil sie den Schritt nicht verstehen kann, den Kati geht, ebenso wenig wie die Welt, in die sie eintaucht. Katis Mutter ist geradezu entsetzt: „Katholische Kirche! Ist doch wirklich das Letzte …! Verlogen …. Immer nur Angst einjagen!“
Von Gott ist im Film kaum die Rede. Der Entschluss, ins Kloster zu gehen, kann allenfalls gesellschaftlich erklärt werden. Außerhalb der Klostermauern: Stress mit der Familie, schnelle Autos und Kommunikation, Lärm, Streiterei. Innerhalb der Klostermauern: Ruhe und Geborgenheit, eine intakte Gemeinschaft, Natur, leben wie im Mittelalter. Im Kloster wird das Feuer immerhin noch mit einem Blasebalg entfacht, beobachtet Katis Schwester Saskia.

Summ, summ, summ bedeutungsschwer herum

Viel Tiefgang hat der Film nicht zu bieten. Die Möglichkeit, Gott im Kloster dienen zu wollen, wird allenfalls gestreift. Ein Gespräch über den Glauben beschränkt sich auf Saskias Frage an ihren Mann „Glaubst du eigentlich an was?“ und dessen Antwort: „Ich hab echt andere Sorgen.“
Mit der Bibel nimmt es die Autorin zudem nicht so genau. Da kann es schon mal vorkommen, dass der Priester einen Satz, den Gott im 1. Buch Mose zu Abraham spricht, zu einem Jesus-Wort macht: „Jesus spricht: Geh fort aus deinem Land in das Land, das ich dir zeigen werde.“ Aber immerhin, er kann daraus eine Predigt ableiten: „Jesus fordert ganzen Einsatz!“ Die weiteren Predigtsätze des Film-Priesters sind ebenfalls ein wilder Mischmasch aus Bruchstücken aus Altem und Neuem Testament. Hauptsache, es klingt fromm.
Leider schaffen es nicht einmal die Schauspieler, einen Funken zum Zuschauer überspringen zu lassen. Wenn sie nicht overacten, wirken sie drapiert und fest installiert wie in einem Theaterstück. Jörn gibt den enttäuschten Ex-Freund Katis, doch auch wenn er immer wieder angestrengt deprimiert dreinblickt und ab und zu an einem Flachmann nuckelt, gelingt es ihm am wenigsten, dem Zuschauer den Verdacht zu nehmen, hier sollten Klischees bedient werden. Onkel Rolle (Jesper Christensen) spielt den gealterten Lebemann: „Ich glaube an Gott. Er hat Wunderbares erschaffen. Es gibt nichts Schöneres als eine Frau. Bei der Ehelosigkeit bin ich auch dabei.“ Fertig ist das Klischee.
Die Sonne scheint, hinter den Problemen der Protagonisten verbirgt sich doch wieder nur eine leichte Heiterkeit, und Oberflächlichkeit bleibt der Maßstab. (Saskia: „Warum hat Kati mir bloß den Strickmantel mitgenommen? Ich kann ohne ihn nicht leben.“) Existenzielle Probleme (die jemanden eventuell ins Kloster treiben könnten) gehen in den Streitereien um Belanglosigkeiten unter.
Humorlevel: Kühe werden von Nonnen gejagt. Sex: darf nicht fehlen – auch wenn er inhaltlich überhaupt nicht zur Handlung passt. Marie, die kleine Tochter der Kerkhoffs, springt als Biene verkleidet (!) bedeutungsschwer durch den gesamten Film – und nervt. Man wünscht sich, das Kind möge endlich damit aufhören, die Familienangehörigen würden endlich ins Kloster zurückkehren, pflichtbewusst die Zeremonie über sich ergehen lassen und endlich wieder nach Hause fahren, um ihrem nicht-klösterlichen Leben weiter zu frönen. Und sie sollten bitte endlich hinnehmen, dass Kati mit ihnen nichts mehr zu tun haben will. Auf die Antwort, warum jemand ins Kloster gehen könnte, kommen sie ja doch nicht. (pro)

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