Warten auf göttliche Heilung?

Bereits das zweite Kind einer amerikanischen Familie ist verstorben, weil die strenggläubigen Eltern auf Arztbesuche verzichteten. Sie hofften auf Heilung durch Gott. Die Vorgehensweise hält Joel White von der Freien Theologischen Hochschule (FTH) Gießen für „vermessen und anmaßend“.
Von PRO

Der acht Monate alte Brandon litt unter starkem Husten und Durchfall, berichtet die Tageszeitung Die Welt. Die Eltern Catherine und Herbert Schaible, die der „First Century Gospel Church“ in Philadelphia (USA) angehören, wollten das Kind aber nicht ärztlich behandeln lassen. Dies sei Sünde, begründeten sie ihre Entscheidung. Die Bibel verbiete einen Arztbesuch. Sie hofften daher auf die Heilung des Kindes durch Gott. Brandon habe trotz der Krankheit Nahrung zu sich genommen, daher seien sie von einer Verbesserung des Gesundheitszustands ausgegangen.

„Diese problematische Aufteilung zwischen übernatürlicher und natürlicher Heilung kommt bei Gott nicht vor“, sagt White, Dozent für Neues Testament, gegenüber pro. „Gott heilt auch durch Ärzte. Er schenkte uns die Gabe, dass wir mit Medizin umgehen können und dass sie sich immer weiter entwickelt. Wir dürfen diese Hilfe beanspruchen. Alles andere wäre ein grundsätzlicher theologischer Fehler.“

„Arztbesuch nicht verweigern“

Brandon ist nicht das erste Kind der Familie, das an seinen Krankheiten gestorben ist. Schon im Jahr 2009 musste sich das Ehepaar Schaible vor Gericht für den Tod ihres zweijährigen Sohnes Kent verantworten. Dieser starb an einer Lungenentzündung, die sie nicht behandeln ließen. Im Prozess rechtfertigten sich die Eltern mit dem Argument, dass nur der Glaube an Gott eine heilende Wirkung habe. Sie wurden schließlich zu zehn Jahren Haft auf Bewährung verurteilt.

„Es ist vermessen, wenn wir nur göttliche Hilfe akzeptieren“, sagt White. „Wir müssen für beides offen sein: für direkte und für indirekte Heilung. Jesus hat nicht immer nach einem bestimmten Muster geheilt. Es ist etwas anmaßend, wenn wir uns nur übernatürlich heilen lassen wollen. Wir dürfen ärztliche Hilfe nicht verweigern.“

Amerikanische Behörden haben nun eine Obduktion des Leichnams angeordnet, berichtet die Onlinezeitung Huffington Post. Danach werde entschieden, ob es zu einem erneuten Prozess gegen die Eltern kommt. Sieben weitere Kinder des Paares wurden vorerst in einem Heim untergebracht. (pro)

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