„WamS“ macht Christenverfolgung zum Titelthema

Viele Christen leben in Todesangst oder organisieren sich im Untergrund. Etwa 100 Millionen Christen werden weltweit bedroht, Zehntausende angegriffen und ermordet. Aus vier Brennpunkten der Verfolgung berichtet die "Welt am Sonntag" (WamS) in ihrer aktuellen Ausgabe: dem Irak, Nigeria, China und der Türkei.
Von PRO

Vor allem im Irak seien viele Christen verzweifelt. Was Mateo Fagotto über den 63-Jährigen Rostom Sefarian in seinen Beobachtungen beschreibt, ist kaum an Härte zu überbieten: "Fünf Tage lang hielten sie mich gefangen, ohne Essen, ohne Wasser. Immer wieder schlugen sie mich….Plötzlich fühlte ich eine kalte Klinge an meinem Nacken, jemand sagte: „Wenn du Moslem wirst, bringen wir dich nicht um." Der armenische Christ ist nur ein Beispiel für eine Serie von Ermordungen und Entführungen in dem Land.

Auch in Kurdistan nur relative Sicherheit

Er flüchtet wie viele andere Christen nach Kurdistan. Doch auch ihm fällt es mit 63 Jahren schwer, etwas Neues aufzubauen. Neueste Schätzungen gehen von einer Zahl von 300.000 bis 500.000 Christen im Irak aus. Vor zwanzig Jahren lag die Zahl noch bei 1,3 Millionen Menschen. Christen mussten in ihrer Geschichte schon vielen Arabisierungs- und Islamisierungsversuchen widerstehen. "Wir sind das schwächste Glied", wird der christliche Sekretär der Chaldäisch-Assyrischen Jugend-Union, Keldo Ramzi, zitiert.

Auch in Kurdistan sei die Lage für die Christen nur relativ gesehen sicherer. Auch dort wurde in den vergangenen Jahren Land der Christen von der Regierung in Besitz genommen. Selbst die Einigkeit der Christen untereinander sei nicht oft gewährleistet. In gewissen Bereichen führte der Sturz des irakischen Regimes sogar zu mehr Freiheiten. Erstmals werde Christen in der irakischen Geschichte erlaubt in Kirchen und Schulen Aramäisch statt Arabisch zu benutzen.

Gegen die Verbindung von Staat und Religion

Angesichts der ständigen Abwanderung fürchten einige auch das vollständige Aussterben der Christen. Deswegen wird über die Schaffung eines autonomen Gebiets diskutiert. Matteo Fagotto konstatiert, dass die ältere Generation sich mit ihrem Status abgefunden habe. Dagegen versuche ein junger und aktiver Teil gegen die passive Mentalität anzukämpfen: "Sie sind sich ihrer Rechte bewusst und entschlossen, auf jeden Fall im Irak zu bleiben. Dadurch seien sie bereit, die Verbindung von Religion und Politik zu durchbrechen, die ihrer Meinung nach so viele Probleme geschaffen hat." Dafür sei gesellschaftliches Engagement unumgänglich: Erfolg erhoffen sie sich nicht durch die Bibel, sondern indem sie ihre Rechte als Nation einfordern.

Angst vor Übergriffen haben auch türkische Christen. Auch sie rängen um ihr Recht und ihren Besitz. Von beunruhigenden Tendenzen spricht der katholische Priester in Istanbul Franz Kangler gegenüber der "Welt am Sonntag". Die zusätzliche Gefahr für die Christen sei der politischen Situation geschuldet. Etliche Christen wurden kaltblütig ermordet. Weil die Kirchen keinen Rechtsstatus haben können, fallen ungenutzte Kirchen an den türkischen Staat zurück. Boris Kalnoky bilanziert, dass die Lage für die 100.000 türkischen Christen "ein frustrierendes Gemisch aus kleinen Fortschritten und großer Diskriminierung" bleibe.

Wie bei Sisyphos

Vom alltäglichen religiösen Terror in Nigeria berichtet Christian Putsch: "Vor dem Gottesdienst, unsichtbar, manifestiert in den immer gleichen Abwehrritualen. Soldaten am Eingang, Personenkontrollen beim Einlass, wie am Flughafen – nur die Warteschlangen sind länger." Der Pfarrer James Wuye empfindet seinen Dienst als Sisyphos-Arbeit. Gelungenen Gesprächen mit anderen Religionen, stünden wiederholte Bombenanschlägen auf Gotteshäuser entgegen.

Islamisten kämpften in Nigeria für die Einführung einer besonders strengen Form der islamischen Gesetzgebung Scharia. Der Hass gegen die Religion anderer lasse sich aber nicht allein mit militärischer Gewalt bekämpfen. In Nigeria lebten viele Menschen unterschiedlicher Religionen friedlich neben einander, aber es gebe genügend "Fanatische". Wuye versucht mit Mohammad Ashafa in der interreligiösen Begegnungsstätte „Interfaith Mediation Centre“ gegenzusteuern. Die Philosophie des Hauses lautet, dass alles der Vermeidung der Gewalt dient. Aus diesem Grund gründeten sie an Schulen und Universitäten Friedensclubs, an denen Konfliktschlichter ausgebildet werden.

Leute freuen sich auf das Fest – und kommen in die Kirchen

Bei ungefähr der gleichen Anzahl an Christen und Muslimen und dem hohen Stellenwert der Religion in dem Land ist dies ein schwieriges Unterfangen: "In Nigeria ist es üblich, alles mit der Religion in Verbindung zu bringen. Es geht um Armut, rivalisierende Politiker und Rivalität um Land", erklärt Wuye in der "Welt am Sonntag". Gerade in der Weihnachtszeit erwarte das Land viele Anschläge, weil die Leute in die Kirchen kämen "und sich auf das Fest freuen".

Interessant ist auch Johnny Erlings Blick nach China. Dort sollen bis zu 80 Millionen Christen im Untergrund leben, von denen sich ein Teil aus Sicherheitsgründen mit der offiziellen Kirche arrangiere. In China wurde das Prinzip von der alleinigen Erlösung durch den Glauben den politischen Verhältnissen angepasst. Laut "Welt am Sonntag" bekennen sich 40 Millionen aktive Gläubige zum Protestantismus, darunter seien mindestens ein Drittel Hauskirchen-Christen. Noch schwieriger hätten es allerdings die Katholiken. Als sozialistisches Land verweigert es die Aussöhnung mit dem Papst und ernennt die Bischöfe selbst. (pro)

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