Von humanisierten deutschen Terroristen und vergessenen israelischen Opfern

Der britische Film „7 Tage in Entebbe“ schildert die Entführung der Air-France-Maschine im Jahr 1976, bei der jüdische von nicht-jüdischen Geiseln separiert wurden. Ärgerlich: Die Filmemacher interessieren sich dabei mehr für die deutschen Terroristen als für die israelischen Opfer. Eine Filmkritik von Michael Müller
Von PRO
Alles gar nicht so böse gemeint: Das Terror-Pärchen Wilfried Böse (Daniel Brühl) und Brigitte Kuhlmann (Rosamunde Pike) kämpft in „7 Tage in Entebbe“ mit Gewissensbissen

„Wir wollen Bomben in das Bewusstsein der Gesellschaft schmeißen“, sagt der Deutsche Wilfried Böse (Daniel Brühl) von der Terrorgruppe „Revolutionäre Zellen“ (RZ) im Film „7 Tage in Entebbe“. Der Terrorist von der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) fragt darauf: „Aber hast du auch schon mal eine Bombe in eine Menschenmenge geschmissen?“ Der Palästinenser spielt darauf an, dass die Terrorgruppe handeln müsse, wenn die israelische Regierung nicht ihre Forderungen zur Geiselfreilassung befolgt. Böse ist sich zu diesem Zeitpunkt in der neuen Filmversion gar nicht mehr so sicher, ob Bombenschmeißen der richtige Lösungsansatz ist.

Am 27. Juni 1976 kidnappen vier Terroristen, darunter die beiden deutschen RZ-Terroristen Wilfried Böse und Brigitte Kuhlmann (Rosamunde Pike), eine Air-France-Maschine mit 258 Touristen auf dem Weg von Tel Aviv nach Paris. Der ugandische Diktator Idi Amin (Nonso Anozie) gibt ihnen auf dem Flughafen in Entebbe einen Unterschlupf. In den Fokus der Berichterstattung rückt die Tatsache, dass die Terroristen jüdische von nicht-jüdischen Passagieren separieren. Sie wollen palästinensische Terroristen aus israelischen Gefängnissen freipressen. Israel startet eine groß angelegte Rettungsaktion der festgehaltenen Touristen in Entebbe. Ein britisches Filmteam hat darüber mit „7 Tage in Entebbe“ einen neuen Spielfilm gemacht, dessen thematische Schwerpunkte problematisch sind.

Opfer erhalten kaum ein Gesicht

Die Flugzeugentführung war ein Wendepunkt in der Wahrnehmung von palästinensischen Terroraktionen in den 1970er-Jahren gegen Israelis. Vor allem die bewusste Trennung der jüdischen und nicht-jüdischen Geiseln in der Transithalle von Entebbe, die an Separierungsmaßnahmen im Holocaust erinnerte, sorgte danach für ein Umdenken in der internationalen Perspektive.

Schon ein Jahr nach Entebbe entstanden drei Spielfilme über die Befreiungsaktion. Am berühmtesten ist wohl die israelische Verfilmung „Operation Thunderbolt“ mit Klaus Kinski in der Wilfried-Böse-Rolle. Das Herzstück des Films von 1977 ist die schmerzvolle Aufteilung der Geiseln, die eine quälend lange Sequenz einnimmt. Das britische Team des neuen Films setzt andere Akzente: Die Geiseln der Air-France-Maschine werden fast gar nicht charakterisiert. Die Opfer und ihr Leid erhalten kaum ein Gesicht. Dagegen räumt das Werk größere Teile der Handlung der Hintergrundgeschichte der beiden deutschen Terroristen ein.

Das britische Drehbuch basiert auf den Recherchen des Historikers Saul David, der darüber das Buch „Operation Thunderbolt: Flight 139 and the Raid on Entebbe Airport“ geschrieben hat. In „7 Tage in Entebbe“ sieht der Zuschauer, wie die deutschen Terroristen Böse und Kuhlmann im Jemen an der Waffe ausgebildet werden, wie sie in ihrer Wohnung Pläne für die Befreiung von Mitgliedern der Terrorgruppe Rote Arme Fraktion (RAF) schmieden.

Humanisierung der Terroristen

Der Film humanisiert dabei die Terroristen, sucht ihre Perspektive auf das historische Ereignis. Böse macht über den Funk des entführten Flugzeugs einen Scherz, um die Geiseln aufzulockern. Kuhlmann hat offenbar eine schwerwiegendere Erkrankung, weil sie ständig blaue Pillen schlucken muss. Es geht dem Film darum, die Motivationen und Hintergründe der Terroristen breit zu beschreiben, um auch ihre Zweifel während des Terrorakts zu schildern.

Die Frage muss aber erlaubt sein: Warum wird einer neuen Generation von Kinozuschauern die Flugzeugentführung nach Entebbe mit solch einem Fokus erzählt? Die israelischen Opfer werden dabei nämlich marginalisiert. Wenn man nicht aufpasst, verpasst man die Trennung von jüdischen und nicht-jüdischen Geiseln gleich ganz. Die Macher des Films interessieren sich auch mehr dafür, wie der Zweikampf zwischen dem damaligen israelischen Premierminister Jitzhak Rabin und Verteidigungsminister Schimon Peres bei der Planung der Befreiungsaktion abgelaufen ist.

Positiv anzurechnen ist dem brasilianischen Regisseur José Padilha, am Anfang und am Ende des Films den traditionellen israelischen Song „Echad Mi Yodea“ in den Film einzubauen. Die weltberühmte Tanzgruppe Batsheva führt dazu einen spektakulären Tanz auf Stühlen in orthodoxer Kleidung auf, bei dem die Tänzer umfallen, als seien sie von Kugeln getroffen worden. Die Musik und den Tanz kombiniert Padilha im großen Finale der Geiselbefreiung, wenn die israelischen Spezialkräfte den Flughafen von Entebbe stürmen. Leider ist der Film dazwischen eher ärgerlich.

„7 Tage in Entebbe“, Regie: José Padilha, 107 Minuten, FSK: keine Angabe, ab 3. Mai in den deutschen Kinos

Von: Michael Müller

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