Von Gut und Böse: Journalist Scholl-Latour im „idea“-Gespräch

Er ist ein begehrter Talkshow-Gast, hat viele Länder bereist und kennt die Welt: Der Journalist Peter Scholl-Latour beschreibt in seinem neuen Buch "Die Welt aus den Fugen" eine düstere Gegenwart – und bekennt: Er glaubt nicht mehr an das Gute im Menschen. Über seine Erkenntnis spricht der Sachbuchautor in der aktuellen Ausgabe des Magazins "idea spektrum".
Von PRO

"Der Mensch ist von der Veranlagung her böse", findet der Fernsehkorrespondent Scholl-Latour. Er teile die Welt nicht in Gut und Böse ein, verneine das Böse aber auch nicht. "Die christliche Lehre von der Erbsünde kommt nicht von ungefähr: Das Böse steckt tief im Menschen." Im Gespräch mit dem "idea"-Journalisten Karsten Huhn warnt er daher: "Eine Religion oder Weltanschauung, die davon ausgeht, dass der Mensch von Natur aus gut sei, muss scheitern."

Die Welt befinde sich derzeit in einer "religiösen Gärung". "Europa bildet da eine Ausnahme, und es ist unsere Schwäche, dass wir den Sinn für die Religion verloren haben." Es sei ein erstaunliches Phänomen, dass es immer mehr bekennende Atheisten gebe. Russland hingegen besinne sich viel stärker auf die christlichen Wurzeln.

Im Abendland seien inzwischen viele evangelische und katholische Kleriker dazu übergangen, die Jenseitsbestimmungen ihres Glaubens und die Dogmen ihrer Kirche dem Zeitgeist "zu opfern". "Machen wir uns keine Illusionen: Europa wendet sich vom Christentum ab, wird agnostisch, aggressiv und aufklärerisch", bilanziert Scholl-Latour im Gespräch mit Karsten Huhn. "Die Frömmigkeit wird weiter nachlassen und die Verhöhnung der Religion weiter zunehmen." Daher rät er den Kirchen, ihre ursprünglichen Lehren ernst zu nehmen.

Länder unterschiedlich beurteilt

In dem Interview spricht der Sachbuchautor und Fernsehkorrespondent zudem über Vorverurteilungen, die Organisationen wie die Hamas, die Hisbollah oder die afghanischen Mudschahedin beträfen: "Ich verteufele die Menschen nicht, die im Allgemeinen verteufelt werden." Zwar gebe es auch dort "Übeltäter", aber auch "ganz ordentliche" Menschen. "Ich spreche mit allen, und Schwarz-Weiß-Malerei lehne ich ab. Nicht alle Taliban sind Verbrecher, und nicht alle Verbündete des Westens sind gute Menschen."

Darüber hinaus kritisiert Scholl-Latour in "idea spektrum" die unterschiedliche Beurteilung von Ländern. So würden Christen und Juden in Saudi-Arabien viel stärker diskriminiert als etwa im Iran. In Saudi-Arabien dürften keine Kirchen und Synagogen gebaut und keine Gottesdienste gehalten werden. "Der Iran hingegen lässt dies alles zu – aber er gehört zu den Ländern, die wir anprangern." Ihn störe es, dass die Länder mit unterschiedlichem Maß gemessen würden.

Scholl-Latour wurde im Jahr 1924 in Bochum geboren. Er besuchte ein Jesuiten-Internat in der Schweiz und studierte später Philologie und Politologie in Mainz, Paris und Beirut. In seiner Tätigkeit als Journalist bereiste er viele Länder und arbeitete dort zeitweise als Korrespondent für diverse Medien. Im Oktober ist sein Buch "Die Welt aus den Fugen: Betrachtungen zu den Wirren der Gegenwart" (Propyläen Verlag, 24,99 Euro) erschienen. (pro)

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