Die Geschichte erregt weltweit Schlagzeilen: Meriam Yahya Ibrahim Ishaq, geboren 1987 im Sudan, liegt im Gefängnis und erwartet ein Todesurteil. Sie wurde verhaftet, weil sie orthodoxe Christin ist und einen Christen geheiratet hat. In den Augen der Scharia ist sie immer noch eine Muslimin, gleichzeitig eine Verräterin am Islam und eine Ehebrecherin, da Ehen zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen als ungültig angesehen werden. Ihr Vater, der ihre Familie früh verlassen hatte, war Muslim, daher gilt sie immer noch als den Gesetzen des Islam untertänig.
Es dauert viele Monate bis ihr endlich Gerechtigkeit widerfährt: Wohltätige Organisationen protestieren aufs Heftigste, Politiker aus vieler Herren Länder sprechen sich für ihr Freikommen aus, zehntausende Unterschriften werden gesammelt. Doch die sudanesische Regierung weicht aus, die Behörden blockieren, die extrem konservative spirituelle Elite des Landes fordert ihren Tod. Etliche Menschenrechte werden in dem „Gerichtsprozess“ verletzt.
Während dieser Zeit liegt Meriam in ihrer Zelle, ihr kleiner Sohn Martin wurde mit ihr eingesperrt, mit einem zweiten Kind ist sie hochschwanger. Trotz aller Widrigkeiten und aller Rückschläge gibt sie nie ihren stoischen Glauben auf. Ihre tiefe Überzeugung, dass die Liebe Gottes sie niemals im Stich lässt, gerät auch dann nicht ins Wanken, als sie allein im Gefängnis ihr zweites Kind zur Welt bringt. Dank der Bemühungen ihrer Unterstützer und Diplomaten aus aller Welt erreicht sie schließlich trotz erneuter Schikanen mit ihrer Familie Italien. Heute lebt die Familie in den USA.
Gottes Wirken zieht sich durch die gesamte Handlung. Die Autorin lässt allerdings die Bemühungen aller Beteiligten, allen voran die der sudanesischen Strafverteidiger, auch nicht unbeachtet. Man darf geteilter Meinung sein, ob die Autorin ihre eigene Rolle in dem Geschehen nicht etwas zu sehr herausstellt.
Meist recht kurz und prägnant schildert Napoli die Geschehnisse größtenteils chronologisch aus ihrer Sicht, lässt alle Beteiligten zu Wort kommen und nimmt sich für einige Schlüsselstellen etwas mehr Zeit. Das Buch hätte trotz 157 Seiten aber sicherlich wesentlich länger ausfallen können, die meisten Einzelepisoden werden überraschend schnell abgehandelt. Vor allem der Gerichtsprozess gegen Meriam findet wenig Beachtung. Als tiefere Analyse der Vorgänge und Figuren ist es daher kaum empfehlenswert. Motivationen und Absichten der Handelnden bleiben des öfteren unklar, was allerdings dazu beiträgt, dass der Fokus eher auf Meriam und ihre Odyssee gelegt wird.
„Meriam – Mit der Kraft der Liebe gegen religiösen Fanatismus“ stellt viel eher einen übersichtlichen Abriss der Geschehnisse dar, auch wenn der Titel mehr versprechen mag. Schließlich ist Meriams Geschichte weniger vom Kampf gegen den extremen Islamismus, als vielmehr um ihre persönliche Freiheit geprägt. Zwar betont die Autorin gerne die Bedeutsamkeit für Auseinandersetzungen über Menschenrechte und interreligiöse Toleranz insbesondere in streng islamischen Kulturen, doch was am meisten beeindruckt, bleibt Meriams unerschütterliches Vertrauen auf ihren Herrn und dessen Wirken. Und dieses lässt sich durchaus durch die gesamte Handlung hindurch erkennen. (pro)
Antonella Napoli: „Meriam – Mit der Kraft der Liebe gegen religiösen Fanatismus“, Camino, 160 Seiten, 18 Euro