Von der beschränkten Freiheit geflüchteter Christenmenschen

Immer wieder werden Christen und andere Minderheiten in deutschen Flüchtlingsheimen bedroht. Menschenrechtler sind alarmiert, der Zentralverband Orientalischer Christen fürchtet gar um die Demokratie.
Von PRO
In einem deutschen Asylbewerberheim offen Bibel zu lesen, kann für Konvertiten gefährlich sein
In Berlin ermittelt der Staatsschutz wegen Körperverletzung mit religiösem Hintergrund: Muslimische Flüchtlinge hatten eine Gruppe iranischer Christen beschimpft und angegriffen, als diese in ihrer Unterkunft in Tempelhof Bibel lasen. Das berichtete die Zeitung B.Z. am Mittwoch. Die sechs zum Christentum konvertierten jungen Männer seien aus ihrer Heimat geflohen, weil sie dort wegen ihres Glaubens verfolgt worden seien. In Berlin hätten sie schließlich die Einrichtung verlassen müssen und seien mittlerweile bei Mitgliedern der Evangelisch-lutherischen Dreifaltigkeitskirche von Pfarrer Gottfried Martens untergekommen. Er betreut etwa hundert Konvertiten und Taufbewerber und weiß von zahlreichen ähnlichen Fällen: von alltäglichen Schikanen über Beschimpfungen, Handgreiflichkeiten bis hin zu Todesdrohungen. Vorfälle wie der in Berlin werden immer wieder bekannt. Eine Statistik darüber gibt es jedoch nicht. „Es gibt eine große Diskrepanz zwischen dem, was die Politik offiziell tun kann, und dem, was geschieht, da die meisten Betroffenen nicht dazu zu bewegen sind, offiziell Anzeige bei der Polizei zu erstatten“, erklärt Thomas Schirrmacher, Geschäftsführer des Arbeitskreises Religionsfreiheit der Deutschen Evangelischen Allianz. Flüchtlingshelfer vor Ort wüssten von vielen Beispielen, die aber nicht amtlich aufgenommen würden. Ein Problem sieht Schirrmacher vor allem darin, dass das Sicherheitspersonal in Unterkünften selbst oft muslimischen Hintergrund habe. Oft gehe sogar von ihnen Gewalt gegen Christen aus.

„Relativ viele Einzelfälle“

Das bestätigte auch Martin Lessenthin, Sprecher der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM), im Gespräch mit pro. Im Januar hätten beispielsweise im hessischen Oberursel muslimische Wachmänner konvertierte Christen verprügelt. „Als IGFM kritisieren wir, wenn die Sicherheitsdienste in Flüchtlingsheimen nicht ausreichend für diese Aufgabe qualifiziert sind, sich nicht neutral verhalten oder sich sogar auf eine Seite schlagen. Wer sich nicht religiös neutral verhält, kann dort nicht eingesetzt werden.“ Wer einen Parkplatz bewachen könne, sei nicht unbedingt dazu fähig, auch einen Streit zu schlichten oder Auseinandersetzungen zu verhindern. Auch die Lebens- und Wohnsituation in den Unterkünften trage zu Spannungen bei, oft spielten auch persönliche Animositäten oder „Lagerkoller“ eine Rolle bei Tätlichkeiten. Religiöse Motive seien Einzelfälle, wenngleich es derer „relativ viele“ gebe, wie Lessenthin sagte. Zudem fallen religiöse Differenzen in Massenunterkünften auch auf. Die B.Z. zitiert in ihrem Bericht einen der drangsalierten Iraner, der das Tattoo eines Kreuzes auf dem Arm trägt: „Wenn ich mich im Heim umziehe und jemand das Kreuz sieht, geht der Ärger sofort los.“ Wer in einem Mehrbettzimmer die Bibel liest, fällt auf. Ebenso, wer sich nicht an den religiösen Riten der Mehrheit beteiligt, etwa im Fastenmonat Ramadan nicht fastet oder in der Gemeinschaftsküche Speisen zubereitet, die nach muslimischen Vorschriften unrein sind. Vor allem assyrische oder koptische Christen, die aufgrund ihres Glaubens aus ihrer Heimat geflohen sind, versuchten in Flüchtlingsheimen unter Muslimen eher, als Christen nicht aufzufallen, um keine Probleme zu riskieren. Konvertiten zeigten ihren Glauben hingegen sehr gerne offen, weil sie missionieren wollen, sagte Lessenthin. Er kritisierte zudem, dass die Angehörigen von Minderheiten, zum Beispiel Christen und Jesiden, aber auch Homosexuelle, und besondere Gruppen von Flüchtlingen wie unbegleitete Frauen und Kinder, behördlich unzureichend erfasst würden. So sei es schwierig, sie konkret zu schützen.

Diakonie: „Keine systematischen Übergriffe auf Christen und Jesiden“

Auch die Organisation „Aktion für verfolgte Christen und Notleidende“ (AVC) macht die Problematik publik, dass christliche Flüchtlinge aus Glaubensgründen zum Teil diskriminiert und bedroht werden. Ausschlaggebend dafür war der Fall eines christlichen iranischen Ehepaars, das von muslimischen Mitbewohnern in der Unterkunft gemobbt, ausgegrenzt und schließlich auch tätlich angegriffen wurde. „Sicher erzeugt die Art der Unterbringung einen zusätzlichen Druck, aber das war nicht der alleinige Grund“, erklärte Erika Gitt, Sprecherin der Organisation, gegenüber pro. Das sei kein Einzelfall. Deshalb arbeitet AVC seit Mitte Februar an einer Fallsammlung, die Beispiele wie diese dokumentieren soll. Bereits Anfang des Monats übergab die Organisation eine Petition mit 3.350 Unterschriften an den CDU-Generalsekretär Peter Tauber, in der sie auf die Situation christlicher Flüchtlinge in Deutschland hinweist. „Damit wollten wir zeigen, dass es das Anliegen vieler Bürger ist, dieses Problem anzugehen.“ Die Diakonie Deutschland registriert in den von ihr betriebenen Unterkünften für Asylbewerber auch Anfeindungen und Konflikte unter den Bewohnern, teilte die Sprecherin Uta Burbach-Tasso auf Anfrage von pro mit. Das habe eine Umfrage unter Mitarbeitern im ganzen Bundesgebiet ergeben. „Jedoch führen die Befragten dies nachdrücklich auf die Folgen der Wohnsituation zurück, insbesondere die Enge, mangelnde Beschäftigung sowie die Unsicherheit über die aufenthaltsrechtlichen Perspektiven.“ Eine angemessene Unterbringung würde auch die Probleme des Zusammenlebens verringern. Zwar gebe es auch Auseinandersetzungen zwischen religiösen und ethnischen Gruppen. Dies sei aber nicht unmittelbar als Konfliktursache zu erkennen. „Systematische Übergriffe gegen einzelne Minderheiten wie Christen oder Jesiden können aufgrund der Auswertung nicht belegt werden“, erklärte Burbach-Tasso. Das eingestellte Personal, ehrenamtliche Helfer und auch die Flüchtlinge selbst sollten stärker für diese Problematik sensibilisiert werden, um Konflikte zu lösen, und damit „ein Zusammenleben in den Unterkünften in respektvoller Glaubensfreiheit gelingt“.

Orientalische Christen: „Es hat mit dem Islam zu tun“

Kritischer sieht das der Zentralrat der Orientalischen Christen in Deutschland. Dessen Arbeitskreis Flüchtlinge sammelt ähnliche Beispiele wie die erwähnten. In einer Erklärung, die der Zentralrat vergangenen Woche veröffentlichte, kritisierte dessen Friedensbotschafter und ehemaliger Vorsitzender Simon Jacob ebenfalls, dass muslimisches Sicherheitspersonal Muslime zum Teil bevorzugt behandele. Auch gebe es Beispiele, wo muslimische Dolmetscher Aussagen von Christen falsch oder relativierend wiedergäben. Wenn Christen sich in Unterkünften weigerten, an islamischen Ritualen teilzunehmen, könne das zu Schikanen führen. Ebenso seien zuweilen Frauen und Mädchen „aufgrund ihres Glaubens und ihrer Art sich zu kleiden Beleidigungen, Beschimpfungen und teilweise auch Angriffen ausgesetzt“. Jacob betont, dass „Diskriminierung bis hin zu verbaler und körperlicher Gewalt nicht nur Christen betrifft. Im gleichen Umfang sind Jesiden, wahrscheinlich auch Schiiten, Frauen, Kinder, Homosexuelle und liberal bis säkular denkende Muslime betroffen. Von Atheisten und Konvertiten ganz zu schweigen.“ Die Sichtweise, dass dies nichts mit dem Islam zu tun habe, sei „grundlegend falsch“. Jacob sieht die islamische Theologie in der Pflicht, dem Gewaltpotenzial bestimmter islamischer Strömungen entgegenzutreten. Von den deutschen Behörden fordert er, diesen Fällen konsequenter nachzugehen, und spricht sich dafür aus, nach Religionen getrennte Unterkünfte in Erwägung zu ziehen: „Christen und Jesiden sollten nicht zum Bestandteil gesellschaftlicher Experimente werden.“ Sollte es nicht gelingen, „Neuankömmlingen bereits von Anfang an konsequent die Werte einer Demokratie zu vermitteln“, sieht Jacob die Gefahr von Parallelkulturen, die die demokratische Gesellschaft sprengen könnten. (pro)
https://www.pro-medienmagazin.de/fernsehen/detailansicht/aktuell/sie-drohten-wir-hacken-dir-die-hand-ab-94903/
https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/detailansicht/aktuell/christen-in-fluechtlingsheimen-verpruegelt-94697/
https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/weltweit/detailansicht/aktuell/islamismus-ist-groesste-gefahr-fuer-christen-94643/
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