Wie oft hatte ich schon gedacht: Das alte Luther-Deutsch ist schwer verdaulich; man müsste die wichtigsten Schriften Luthers mal in heutiges Deutsch übertragen und damit dem Kirchenvolk neu zur Verfügung stellen. Martin Dreyer, dem Herausgeber der „Volx-Bibel“, hat dieses Vorhaben auf seine eigene Weise umgesetzt. „Volx-Luther“ spricht Umgangssprache – einfach, direkt, salopp, untheologisch, ab und zu pampig und ohne fäkalsprachliche Berührungsängste: die Sprache des Menschen von Nebenan.
Gelegentlich stört das redundante Kokettieren mit umgangssprachlichen Unglücksfällen wie dass Luther sich „wie blöd darüber freute“. Das Ergebnis liest sich trotzdem locker, flüssig und merkwürdig verständlich, und es lädt ein zum Wiederentdecken, manchmal auch zum Schmunzeln. Und es ist auch für den einen oder anderen Aufreger gut, vor allem im Blick auf die Ökumene. Es wird klar, was Luther wollte, aber auch, warum er mit seiner kompromisslosen Art nicht immer gut ankam.
Die Auswahl umfasst unter anderem Luthers Schriften über die christliche Freiheit, die Obrigkeit, die Messe, den Kleinen Katechismus und „was das mit der Ehe soll und wie man sie auf die Reihe kriegt“. Der Vergleich mit den Originalschriften zeigt dabei, dass die Übertragung teilweise ein kreatives Nachverfassen ist – „reloaded“ eben. Hinter manchen Begriffen Luthers verbirgt sich eine ganze Welt, und wo das so ist, überträgt Dreyer nicht nur den Begriff, sondern entfaltet auch die mit ihm verbundenen Gedanken. Gerade hier beweist er eine eingehende Kenntnis von Luthers Theologie.
Das Buch wird dadurch zur modellhaften Anregung, wie man in der heutigen Zeit ausdrücken kann, was evangelisch ist. Das hilft hoffentlich manchen Pfarrern und Ehrenamtlichen bei der Überwindung der protestantischen Sprachlosigkeit, und zwar auch dann, wenn man das ein oder andere zwar einfach, aber doch etwas gehobener ausdrücken möchte.
Dabei hat Dreyer der Versuchung widerstanden, im Zuge der Übersetzung Inhaltliches einzuebnen. Dass es zwischen Gott und Satan nichts geben kann, findet sich genauso wie die Jungfrauengeburt, die Hölle, das ewige Leben. Luther ungefiltert, feigenblattlos und damit authentischer als mancher Vortrag in gehobener Kirchensprache. Fazit: Für Sprachästheten des Hochdeutschen ein völliger Angang, für Konfirmanden und interessierte Gemeindeglieder vor allem jüngeren Alters eine Fundgrube, für Pastoren eine Herausforderung an verständliche Predigtsprache, für das Lutherjahr 2017 ein großartiger Beitrag! (pro)
Martin Dreyer: „Martin Reloaded. Luthers Schriften für alle“, 14,95 Euro, SCM R. Brockhaus Verlag, ISBN: 978-3-417-26585-9