Volksbegehren am Ziel: „ProReli“ ist auch ein Erfolg für den Islam in Berlin

Die Bürgerinitiative "ProReli" hat es geschafft: Statt der für das Volksbegehren benötigten 175.000 Stimmen hat sie weit über 200.000 Stimmen gesammelt, heute endet die Initiative. Von dem enormen Erfolg profitiert auch die Türkisch-Islamische Union - einer der 17 offiziellen Unterstützer.
Von PRO

Sie haben ihr Ziel erreicht: Stolz verkündete der Vorsitzende der Berliner Bürgerinitiative „Pro Reli“, Christoph Lehmann, bereits am Donnerstag vergangener Woche im „ZDF heutejournal“, dass die erforderliche Anzahl an Unterschriften beisammen sei. Damit steht einer Abstimmung der Berliner Bevölkerung in einem Volksentscheid darüber, ob ihre Schüler zukünftig die Wahl zwischen Ethik und Religionsunterricht haben, nichts mehr im Wege.

Die Freude über den Teilerfolg von „ProReli“ wird auch von den Kirchen geteilt, die die Bewegung unterstützten: Der EKD-Ratsvorsitzende Bischof Wolfgang Huber hatte laut dem Evangelischen Pressedienst (epd) die Christen in Berlin dazu aufgerufen, „aus ihrem Ja zur Kirche auch ein Ja zu diesem Volksbegehren folgen“ zu lassen. Ein Blick auf die Liste der Unterstützer zeigt: Von den 17 auf der Internetseite von „ProReli“ angeführten Institutionen hat der größte Teil, nämlich zwölf, einen explizit christlichen Hintergrund. Angefangen von der Evangelischen Kirche und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken über die Katholische Arbeitnehmerbewegung bis hin zu den konfessionellen Hilfsdiensten der Malteser und Johanniter. Eher am Rande tauchen Vertreter anderer Religionen auf, etwa die Jüdische Gemeinde zu Berlin oder der Dachverband Türkisch-islamische Union der Anstalt für Religionen. Diese profitieren ebenso von der Initiative, denn in Berlin könnte Religionsunterricht im Falle eines Erfolges von „ProReli“ grundsätzlich von allen anerkannten Religionsgemeinschaften durchgeführt werden.

Zur Vorgeschichte: Im Jahr 2006 führte das Land Berlin einen verpflichtenden Ethikunterricht für alle Schüler ein. Religionsunterricht wird zwar weiter angeboten, allerdings nur auf freiwilliger Basis und außerhalb des regulären Stundenplans. „ProReli“ setzt sich nun dafür ein, dass Schüler sich künftig entscheiden können, ob sie lieber am Ethik- oder am Religionsunterricht teilnehmen. Religionsunterricht würde zunächst wenigstens für evangelische, katholische und islamische Schüler angeboten. Für die jeweiligen Inhalte ist nicht der Staat zuständig, sondern die jeweilige Religionsgemeinschaft. Der Staat hat aber eine Kontrollfunktion, die sicherstellt, dass keine verfassungsfeindlichen Inhalte vermittelt werden.

Für Islamunterricht fehlt noch Ansprechpartner

Um Religionsunterricht anzubieten, ist ein Ansprechpartner der jeweiligen Religionen notwendig, der die Inhalte ausarbeitet, an der Lehrerausbildung mitwirkt und die Interessen der Glaubensgemeinschaft vertritt. Im Falle des Islam war die Frage aber lange offen, wer als Vertreter gelten darf. Eine große islamische Vereinigung ähnlich der Kirchen, die alle Moslems in Berlin oder gar Deutschland vertreten könnte, gibt es nicht. Das hängt mit der Organisationsstruktur des Islams zusammen: Auch Moslems, die regelmäßig eine Moschee besuchen, sind nicht unbedingt Mitglieder einer Vereinigung. Außerdem existieren zu viele unterschiedliche Ausprägungen, auch sind die Lager zwischen liberalen und konservativen Gruppen gespalten.

Um dem Land Berlin einen Ansprechpartner bieten zu können, wurde 1980  die „Islamische Föderation Berlin“ gegründet. Sie vereinigt als Dachverband 26 kleinere muslimische Vereine mit dem Ziel, „die Integration der Muslime zu fördern“, wie es auf der Internetseite der Föderation heißt. Dazu gehöre auch, dem Staat einen Ansprechpartner zu bieten.

Doch das Land Berlin lehnte ihren Antrag, Religionsunterricht anbieten zu dürfen, zunächst ab. Denn sie unterstellte dem Verein Nähe zur islamistischen Vereinigung „Mili Görus“, wie etwa „Spiegel online“ berichtete. Erst durch einen jahrelangen Rechtsstreit erlangte die „Islamische Föderation“ die Genehmigung für die Erteilung von Islamunterricht. Seit 2001 führt sie diesen an inzwischen 31 Berliner Grundschulen durch. Auch die liberaleren „Aleviten“ bieten einen Islamunterricht an – jedoch sind die Teilnehmerzahlen gegenüber denen der „Islamischen Föderation“ überschaubar: 2007 waren es 142, während den Unterricht der „Islamischen Föderation“ im letzten Jahr 4.471 besuchten.

Umstrittene „Islamische Föderation“ stellt Lehrer

Die Islamwissenschaftlerin Irka Mohr sagte, nachdem sie Anfang letzten Jahres den in Deutschland bereits angebotenen Islamunterricht untersucht hatte, dem von der „Islamischen Föderation“ erteilten Unterricht „fehlt die Außenperspektive, den Schülern wird keine Distanz zur eigenen Religion beigebracht und keine Kritikfähigkeit“. Die „Islamische Föderation“ käme dem Bildungsziel der „Mündigkeit“ nicht nach. Das umschließt auch eine kritische Betrachtung der eigenen Religion. Auch die christlichen Konfessionen sind bei der Erteilung von Religionsunterricht diesem Ziel unterworfen. Doch laut Mohr interpretiere die „Islamische Föderation“ das Bildungsziel um. Diese erziehe ihre Schüler zu „mündigen Muslimen“. „Das bedeutet, der Schüler soll  auf jeden Fall zum Glauben und zum Beten erzogen werden, darüber hinaus aber noch angeben können, warum er betet“, zitiert der „Tagesspiegel“ die Wissenschaftlerin.

„ProReli“: „Nicht unsere Sache“

Dennoch will der Berliner Senat bei einer Einführung des Islamunterrichts im Zuge von „ProReli“ möglicherweise auch auf Lehrkräfte der „Islamischen Föderation“ zurückzugreifen. „Wir werden die bisherigen Anbieter des Islamunterrichts genauso behandeln müssen, wie die der christlichen Kirchen“, sagte Hans-Jürgen Pokall, Landesschulrat in Berlin, gegenüber „Welt online“. Julia Sebastian, die Pressesprecherin von „ProReli“, sagte dazu gegenüber pro: „Die Ausführung ist ja nicht unsere Aufgabe. Wie das ausgestaltet wird, ist Sache des Staates“ und verwies auf dessen Aufsichtsfunktion: „Wenn der Staat den Islam als eine verfassungsgemäße Religion anerkennt, dann wird natürlich auch der Unterricht verfassungsgemäß sein“, so Julia Sebastian. Dass zunächst auch ihre Lehrer eingesetzt werden könnten heißt aber nicht, dass die „Islamische Föderation“ der offizielle Ansprechpartner für den verpflichtenden Unterricht werden wird. Gegenüber „Welt online“ sagte der Berliner Landesschulrat Pokall , es werde „nur einen einzigen islamischen Religionsunterricht geben können“. Da die Islamische Föderation aber nicht alle Muslime Berlins vertritt, ist sie dazu wohl nicht geeignet.

Sollten sich die muslimischen Verbände nicht einigen können, überlegt der Berliner Senat, das Fach „Islamkunde“ einzuführen. Die Themen würden dann aber nicht mit den islamischen Vertretern abgesprochen, sondern der Unterricht wäre ein rein staatlich geregeltes Fach.

Eine Umsetzung des Volksentscheids und damit auch die Einführung von Islamunterricht wäre frühestens  2011 möglich: „Es ist davon auszugehen, dass alle Seiten gegebenenfalls an einem reibungslosen Übergang interessiert sind und Übergangslösungen geschaffen werden“, sagte Pokall „Welt online“.

Schäuble will flächendeckende Einführung von Islamunterricht

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble ließ bislang keinen Zweifel daran, dass der flächendeckende Islamunterricht kommen wird. Bislang gibt es nur sehr uneinheitliche Ansätze einzelner Bundesländer. Der Online-Ausgabe der Zeitschrift „Stern“ sagte Schäuble: „Wir haben Religionsfreiheit. Also gilt die Gleichbehandlung, und so kann auch islamischer Religionsunterricht eingeführt werden.“ Auf die Frage, in welcher Sprache dieser gehalten würde, sagte Schäuble, dass an deutschen Schulen grundsätzlich deutsch gesprochen werde. Dass der Unterricht auf Deutsch stattfindet, war auch eine der Forderungen der evangelischen Kirche. In einer Stellungnahme zum Thema Islamunterricht von 1999 heißt es hierzu: „Jeder Religionsunterricht muß in deutscher Sprache erteilt werden und, unbeschadet der förmlich geregelten Mitwirkungsrechte der Religionsgemeinschaft, der deutschen Schulaufsicht unterliegen.“

Bislang ist die Lehrerzahl wohl zu gering, um flächendeckenden Islamunterricht anbieten zu können, wie auch in Berlin jetzt deutlich wird. Nur an den Universitäten in Münster, Erlangen-Nürnberg, Frankfurt und Osnabrück ist die Möglichkeit gegeben, sich auch hierzulande dafür ausbilden zu lassen.

Weitere Informationen: Stellungnahme der Evangelischen Kirche zum Thema Islamunterricht von 1999.

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