„Vielleicht kriegen wir die Protestantin Merkel noch ein bisschen katholisch

"Der Glaube gilt heute als unsexy – das finde ich schade". Das sagte die Vorsitzende der CDU Rheinland-Pfalz, Julia Klöckner, in einem Podiumsgespräch mit "Focus"-Chefredakteur Wolfram Weimer in Frankfurt. Klöckner ging bei der Diskussion zum Thema "Wie christlich ist die CDU?" auch auf Differenzen zwischen ihr und Bundeskanzlerin Angela Merkel ein.
Von PRO

"In der Tat fremdeln Viele in der Partei mit dem ‚C’", sagte Julia Klöckner bei der Veranstaltung am Dienstagabend. Für sie persönlich sei der Glaube jedoch von Kindheit an wichtiger Bestandteil des Alltags. Klöckner berichtete, wie sie sich als Kind und Jugendliche in der katholischen Gemeinde ihres Heimatdorfes Guldental engagierte ("auch Mangels Alternativen, das gebe ich ehrlich zu"). Später hätten ihr Pfarrer und ihr Religionslehrer ("ein klasse Lehrer, der mich auch richtig zum Debattieren angeregt hat") den Ausschlag zu ihrer Entscheidung für ein Theologiestudium gegeben.

In die CDU trat Klöckner während ihres Studiums in Mainz ein. Für eine Seminararbeit habe sie die "spannende Aufgabe" bekommen, die Grundsatzprogramme von CDU und PDS miteinander zu vergleichen. Beide gingen von einem unterschiedlichen Menschen- und Gesellschaftsbild aus. "Die Frage nach dem Menschenbild passte zu meinem Fach Theologie  – da wusste ich dann schnell, wohin ich tendiere", so Klöckner.

Weimer: CDU entfernt sich von Wertekanon

"Focus"-Chefredakteur Wolfram Weimer bezeichnete Klöckner als "besonders starke Frau in der Union" und "eine der wenigen, die sichtbar christliche Politik vertritt". In seinen Fragen zielte er hauptsächlich auf den Kurs der CDU ab, der sich seiner Ansicht nach immer weiter vom "Kerngeschäft" des christlich-konservativen wegbewegt. Viele prominente Unionspolitiker trügen das "C" immer leiser vor sich her und bezeichneten das Christentum nur noch als einen "Wert, der mir wichtig ist", wenn sie wüssten, dass das Publikum dies hören wolle. Darin liege auch ein Bezug zum mangelnden Erfolg der Partei. "Wenn die Union sich wesentlich christlicher positionieren würde, würde sie vielleicht auch wieder attraktiver", so Weimers These.

"Wenn sich die Gesellschaft verändert", entgegnete Klöckner, "verändern sich auch die Politiker – denn sie kommen ja aus dieser Gesellschaft". Fragestellungen wie die nach der Bewahrung der Schöpfung seien heute deutlich komplexer als noch vor 100 Jahren, weil die technischen Möglichkeiten gestiegen seien. Den Kirchen gelinge es ja oft selbst nicht, der Politik eine christliche Position mitzugeben, weil sie sich uneinig seien – wie zum Beispiel in Fragen der Bioethik. "Politiker können nicht auch noch über die Kirchen hinweg entscheiden, was denn nun ‚christlich‘ ist." Die deutsche Gesellschaft sei sehr viel heterogener geworden, was sich auch wiederum in ihrer Partei niederschlüge. "Ich denke nicht, dass wir mit der CDU nochmal dahin kommen, wo wir mal waren, weil sich die Zeiten verändert haben", sagte Klöckner. "Ich hänge auch gar nicht so sehr an der ‚guten alten Zeit‘ – früher war nicht alles besser."

Glaube gilt als "unsexy"

Außerdem, so Klöckner, verblassten immer mehr Traditionen, die früher wie selbstverständlich weitergegeben worden seien. "Es ist irgendwie unsexy zu sagen: ‚Ja, ich bin gläubig.‘ Man erzählt viele andere intime Dinge, aber Religion gilt als Privatsache. Ich finde das schade. Wenn man das ‚C‘ im Parteinamen hat, dann soll man auch darüber reden."

Klöckner über Merkel: sportlich und nüchtern

Mit ihrer Partei gehadert habe Klöckner bei der Frage nach der embryonalen Stammzellenforschung. Als das Thema 2006 beim Bundesparteitag in Dresden diskutiert wurde, sei sie "erschüttert" gewesen: "Dass eine Partei mit dem ‚C‘ im Namen da noch überlegen muss, hat mich schockiert", so die Politikerin. "Ich dachte mir: Nee, bist du hier noch richtig? An diesem Punkt war wirklich die Frage: Was ist jetzt christlich? Aber ich habe mich erholt."

Mit Bundeskanzlerin Merkel sei Klöckner in diesem Punkt – konkret ging es um die Verschiebung des Stichtags für die Verwendung embryonaler Stammzellen im Stammzellgesetz – unterschiedlicher Meinung gewesen. "Wir sind zwei wirklich ganz unterschiedliche Typen, aber wir verstehen uns gut." Angela Merkel nehme die Politik sehr sportlich und sei nicht nachtragend. "Vielleicht", so Klöckner unter hörbarer Heiterkeit im Publikum, "kriegen wir die Protestantin Merkel ja noch ein bisschen katholisch."

Wolfram Weimer merkte an, dass Angela Merkel durch ihr Aufwachsen in einem Pastorenhaushalt eine kulturelle Vorprägung mitbringe, die besser nicht sein könne. "Man merkt davon aber nichts. Weder in ihrer Sprache, noch in ihrer Akzentuierung, noch in ihrer Symbolpolitik – im Gegenteil. Woran liegt das?"

Klöckner erklärt Weimers Vorwurf mit Merkels Kindheit und Jugend in Ostdeutschland: "Ich glaube, es prägt sehr, dass man in dieser Zeit immer aufpassen musste, was man nach außen hin sagt. Die Jugendlichen sind dort so großgeworden, vorsichtig zu sein, sich nicht zu öffnen." Merkel unterscheide sich zudem durch ihre Sachlichkeit von Personen wie Helmut Kohl, die zum Pathos neigten. "Angela Merkel ist authentisch in ihrer Art, sie ist ja auf gewisse Weise nüchtern. Man kann die Menschen nicht umkrempeln, wir brauchen einen wahrnehmbaren Mix an Personal."

In der abschließenden Fragerunde mit Publikumsbeteiligung forderte Klöckner erneut die Kirchen auf, nach Möglichkeit Einheit bei ethischen Fragen zu finden: "Es hilft der Politik nicht, wenn die Kirchen mit unterschiedlichen Positionspapieren kommen." Klöckner lobte ausdrücklich auch die "gut organisierten" Freikirchen und bat um Verständnis, dass etwa ein vollständiges Verbot der Abtreibung schlicht nicht durchzusetzen sei: "Als Politiker muss ich die Realität betrachten: Ich kann nicht alles umsetzen." Dieser komplexen Realität könne man mit einfachen Parolen wie "Beten mit den Taliban" nicht gerecht werden: "Es ist ja blöd, wenn die Taliban gar nicht beten wollen."

Auf die Äußerung von Kurt Beck in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", er sei "genervt", weil sie so oft "Gott schütze Sie" sage, antwortete Klöckner: "Ich wünsche in der Tat gerne Gottes Segen. Ich finde, dass ist weder unanständig noch aufgesetzt, wenn einem danach ist. Ich finde es schön, wenn mir jemand Gottes Segen wünscht." (pro)

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