Viele Reaktionen auf britische Selbstmord-Sendung

Die britische Sendung, die am Mittwochabend den Selbstmord eines 59-Jährigen dokumentiert hatte, ist auf heftige Kritik gestoßen. Vertreter der Evangelischen Kirche aber auch Gesundheits- und Pflegeexperten verurteilten die mediale Präsentation eines Selbstmordes. Es gab aber auch positive Bewertungen.
Von PRO

Am Mittwochabend hatte der britische Privatsender „Sky Real Lives“ eine Dokumentation ausgestrahlt, die den Selbstmord des 59-jährigen US-Bürgers Craig Ewert zeigte. Ewert litt an einer Nerven- und Muskelkrankheit und hatte sich 2006 in einer Klinik der Sterbehilfeorganisation Dignitas in Zürich durch einen Gifttrunk das Leben genommen. Der Regisseur John Zaritsky hatte gefilmt, wie Ewert mit den Zähnen eine Zeitschaltuhr betätigte, die sein Beatmungsgerät 45 Minuten später ausschaltete, ein Gift trank und sich verabschiedete.

Die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann hat die öffentliche Zurschaustellung des Themas scharf kritisiert. Der „Neuen Presse“ sagte sie, Sterben gehöre nicht ins Fernsehen, da sei eine ethische Grenze von Öffentlichkeit gegeben. Der reißerische Umgang mit der Selbsttötung könne Druck auf Menschen ausüben, sich das Leben zu nehmen, um Angehörigen oder Pflegenden nicht zur Last zu fallen.

Einen Sterbenden im Fernsehen zu zeigen sei „inakzeptabel“, zumal wenn dies mit der Hoffnung auf höhere Einschaltquoten verbunden sei, sagte der EKD-Medienbeauftragte Markus Bräuer. Gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd) erklärte er, die Gesellschaft sei gut beraten, das Sterben in einem geschützten Raum stattfinden zu lassen. Wenn der Sterbende eine Dokumentation durch ein Fernsehteam wünsche, dann gebe es ein „Spannungsverhältnis zwischen der Chronistenpflicht und der Menschenwürde“.

Nachahmer befürchtet

Auch die Bundesärztekammer kritisierte, Sterbehilfe dürfe nicht „als scheinbar ideale Handlungsanleitung zum Freitod“ inszeniert werden. Präsident Jörg-Dietrich Hoppe warnte laut den Nachrichtenagenturen AFP und dpa, durch die öffentliche Inszenierung verliere der Sterbende seine Würde. Die Zuwendung und Linderung von Schmerzen, die die Menschen bräuchten, könnten Hospize und die Palliativmedizin leisten, erklärte er. „Wenn nun aber medial dargestellt wird, dass Selbsttötung der vermeintlich leichtere Weg ist, dann wird das unverantwortliche Konsequenzen gerade für labile Menschen nach sich ziehen“. Der Geschäftsführende Vorstand der Deutschen Hospiz Stiftung, Eugen Brysch, warnte: „Suizid ist ansteckend, Berichte darüber lösen wieder neue Suizide aus.“

Der Malteser Hilfsdienst appellierte an die deutschen Medien, auf eine derartige Berichterstattung zu verzichten. „Es ist zutiefst entwürdigend und pietätlos, den Akt des Sterbens sekundengenau aufzuzeichnen und auszustrahlen“, sagte der Geschäftsführende Präsident Johannes Freiherr Heereman von Zuydtwyck in Köln.

Auch Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) fürchtet, dass „eine solche öffentlich inszenierte Selbsttötung“ Nachahmer findet. Bosbach lehnte es im Nachrichtensender n-tv ab, „dass sich Organisationen oder Einzelpersonen aufschwingen und die Beihilfe zur Selbsttötung geschäftsmäßig organisieren“. Um zu verhindern, dass so etwas in Deutschland passiere, seien rechtliche Vorschriften notwendig.

Gegen Sterbehilfe-Vereine wie „Dignitate“ in Hannover oder Personen wie den ehemaligen Hamburger Justizsenator Roger Kusch müsse rechtlich vorgegangen werden, sagte Bosbach am Donnerstag in einem epd-Gespräch in Berlin. Bosbach verwies darauf, dass die SPD seit Jahren eine Bundesrats-Initiative blockiere, um Geschäfte mit Selbsttötungen zu verbieten.

taz sieht „überwiegend positive Reaktionen“

Die Berliner „Tageszeitung“ (taz) konstatierte in einem Bericht vom Donnerstag: „Die positiven Reaktionen überwiegen.“ Die „Times“ etwa habe in einem Leitartikel am Donnerstag gefordert, nach dem Film müsse ein weiteres Tabu gebrochen und die Debatte vom Fernsehen ins Parlament getragen werden. „Nur wenige“ hätten über die Ausstrahlung des Dokumentarfilms „so harsch“ wie die „Daily Mail“ geurteilt. Das britische Blatt habe geschrieben: „Was für eine Gesellschaft sind wir geworden, wenn im Namen des Entertainments die Tötung eines Mannes im Prime Time TV gezeigt wird.“

Der Labour-Abgeordnete David Winnick hingegen sagte: „Wir alle sterben irgendwann, ich sehe keinen Grund, warum Zuschauer das nicht sehen sollten.“ Der Film „war sehr viel nuancierter und bewegender, als man nach einigen Zeitungsberichten hätte glauben müssen“, schrieb Tom Sutcliff, Fernsehkritiker des „Independent“. Bei der Rundfunkaufsichtsbehörde Ofcom seien bis nach der Sendung keine Beschwerden eingegangen, erklärte ein Sprecher laut „taz“.

Wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (F.A.Z.) berichtet, reagierte der britische Premierminister Gordon Brown lediglich verhalten auf die Frage eines Abgeordneten im Parlament, ob der umstrittene Film im öffentlichen Interesse sei oder bloß „geschmacklosen Voyeurismus“ darstelle. Brown sprach laut F.A.Z. von einer Gewissensfrage, über die verschiedene Meinungen auf beiden Seiten des Unterhauses herrschten. Es sei notwendig, sicherzustellen, dass es in Großbritannien niemals einen Fall gebe, wo „ein kranker oder ältlicher Mensch sich unter Druck gesetzt fühlt, einem assistierten Selbstmord zuzustimmen, oder irgendwie glaubt, man erwarte es von ihm“. Aus diesem Grund sei Brown stets gegen die Verabschiedung von Gesetzen, welche den assistierten Selbstmord zuließen.

Der Direktor des Adolf Grime-Institutes, Uwe Kammann, sagte gegenüber dem epd, das Fernsehen müsse „auch existenzielle Fragen des menschlichen Lebens zeigen können, wenn es in Würde geschieht und wenn die Hintergründe beleuchtet werden“. Eine solche Fernsehsendung könne die notwendige gesellschaftliche Diskussion über Sterbehilfe vorantreiben. Zwar sei das Sterben grundsätzlich ein intimer Moment. „Wenn jemand dies aber bewusst nach außen tragen will, dann handeln die beteiligten Journalisten nicht verantwortungslos“, sagte Kammann. (PRO)

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