Viel zu tun für den Presserat

Im Jahr 2012 gingen beim Deutschen Presserat 1.500 Beschwerden ein. Besonders hoch war die Empörung über das Titelbild der Satirezeitschrift „Titanic“, das den Papst in einer beschmutzen Soutane zeigt.
Von PRO

1.500 Menschen wandten sich im Jahr 2012 an den Deutschen Presserat, damit dieser Beiträge in Zeitungen, Zeitschriften und deren Online-Seiten anhand des Pressekodex prüfen sollte. Damit bleibt die Zahl der Beschwerden im Verhältnis zu 2011 (1.323 Beschwerden) und 2010 (1.661) gleichbleibend auf hohem Niveau. Zum Vergleich: Im Jahr 2007 wandten sich lediglich 735 Leser an den Presserat. Seit 2009 ist der Presserat allerdings auch für Online-Auftritte der Verlage zuständig.

Dass sich die Anzahl der Beschwerden in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt hat, sei jedoch kein Anzeichen für eine verminderte Qualität der Berichterstattung, erklärt Ursula Ernst, Sprecherin des Deutschen Presserats. „Es wurden prozentual gesehen nicht mehr Sanktionen ausgesprochen als in den vergangenen Jahren. Es zeigt jedoch die gestiegene Relevanz des Presserats in der Leserschaft, die sich mit der Qualität der Presse kritisch auseinandersetzt.“

Papst-Cover, Sarrazin und „Post von Wagner“ polarisieren

Über das Papst-Cover der Zeitschrift Titanic beschwerten sich 182 Leser. Im Juli 2012 hatte das Blatt auf seinem Titel Benedikt XVI. in einem gelb beschmutzten Gewand abgebildet, so als habe er sich in die Hose gemacht. Die Überschrift lautete: „Halleluja im Vatikan. Die undichte Stelle ist gefunden!“ Der Presserat sprach eine Rüge gegen das Cover aus und erklärte, die Darstellung des Papstes mit Fäkalien beschmiert sei „entwürdigend und ehrverletzend“. Zwar habe Satire die Freiheit, Kritik an gesellschaftlichen Vorgängen zu üben. In diesem Fall sei die Grenze der Meinungsfreiheit jedoch überschritten worden. Die Rüge des Presserats blieb für Titanic allerdings ohne rechtliche Folgen.

Auch die Kolumne „Post von Wagner“ in der Bild-Zeitung zu Homosexualität und Ehe sorgte für rund 70 Beschwerden beim Presserat. Im August hatte Wagner unter der Überschrift „Liebe Homo-Ehe“ über den Gesetzentwurf des Justizministeriums geschrieben, nach dem die Ehen von Homosexuellen denen von Heterosexuellen gleichgestellt werden sollen. „Ich fühle mich dabei nicht wohl“, so Wagner damals. „Homosexuelle kriegen biologisch keine Kinder.“ Er erinnerte: „Früher wurden Homosexuelle in Deutschland zu Gefängnis verurteilt.“ Der Deutsche Presserat wies die Beschwerden als unbegründet zurück. Denn bei der „Post von Wagner“ handele es sich um eine „kritische Positionierung, die man nicht teilen muss, die aber vom Recht auf freie Meinungsfreiheit gedeckt ist“, urteilten die Experten.

Zum Umgang mit Thilo Sarrazin polarisierten gleich zwei Beiträge: eine taz-Kolumne und ein Kommentar in der Berliner Zeitung und in der Frankfurter Rundschau. Insgesamt 60 Leser baten um eine presseethische Prüfung.

Die ehrenamtlichen Mitglieder in den drei Beschwerdeausschüssen prüften 2012 insgesamt 670 Fälle. Im Vorjahr waren es nur 453 Fälle. Hierzu wurde ein Beschwerdeverfahren eingeleitet und die jeweilige Zeitung um eine Stellungnahme gebeten. Insgesamt beurteilten die Beschwerdeausschüsse 450 Beschwerden als begründet und sprachen 188 Maßnahmen aus. Wenn mehrere Leser den gleichen Artikel kritisierten, wurde nur eine Maßnahme ausgesprochen. Der Presserat sprach 2012 insgesamt 17 öffentliche Rügen aus, 5 nicht-öffentliche Rügen und 51 Missbilligungen. Zudem erklärten die Experten 24 Beschwerden für begründet, verlangten aber keine Maßnahmen. Von den Beschwerden wurden 220 als unbegründet beurteilt.

Wie der Presserat weiter mitteilt, richteten sich im vergangenen Jahr mit 436 Fällen die meisten Beschwerden gegen Regional- und Lokalzeitungen. Danach folgten die Publikumszeitschriften mit 320 Fällen. Diese Platzierung sei vor allem durch das Titanic-Papst-Cover geprägt. Danach folgen die Boulevardzeitungen mit 198 Fällen. Nur ganz wenige Beschwerden erreichten den Presserat gegen Wochen- und Sonntagszeitungen (26), Fachzeitschriften (11) und Nachrichtenagenturen (3).

Wie in den vergangenen Jahren lagen die tatsächlichen und vermuteten Verstöße gegen die Ziffer 2 (journalistische Sorgfaltspflicht) weit vorn. 317 Fälle prüfte der Presserat hier (Vorjahr: 279). Spitzenreiter war 2012 jedoch die Ziffer 9 (Schutz der Ehre) mit 386 Fällen (Vorjahr: 80). Diese Platzierung ist ebenfalls durch die Sammelbeschwerde gegen das Titanic-Papst-Cover geprägt. Danach folgt die Ziffer 1 (Menschenwürde, wahrhaftige Berichterstattung) mit 265 Fällen. Im Vorjahr waren dies hier nur 105 Fälle. (pro)

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