"Google+ macht die Vernetzung mit Menschen im Web der Vernetzung von Menschen in der realen Welt ähnlicher. Deswegen ist es wichtig, dass Sie Ihren gewöhnlichen Namen verwenden, damit die Leute, mit denen Sie in Verbindung sein wollen, Sie finden können." So begründet der Internetkonzern auf der Google+-Seite, warum er die Verwendung des Klarnamens fordert.
Wie die "Süddeutsche Zeitung" unter Berufung auf eine Sprecherin berichtet, hat das weltgrößte Online-Netzwerk "Facebook" ähnliche Regeln: "Für Facebook sind Authentizität und Sicherheit von höchster Priorität. Nicht zuletzt deshalb verfolgt Facebook eine Klarnamen-Politik, der alle Nutzer bei der Anmeldung bei Facebook zustimmen." Dadurch entstünden "echte, authentische Beziehungen, wie auch im realen Leben". Doch Google+, so die "Süddeutsche", sei nach dem Start vor gut zwei Monaten auch daran gegangen, die Einhaltung der Bestimmungen zu erzwingen.
Schutz von Minderheiten ist maßgeblich
In dem offenen Brief an den europäischen Google-Chef, Philip Schindler, fordern unter anderen die Bundestagsabgeordneten Dorothee Bär (CSU), Peter Tauber (CDU), Manuel Höferlin und Jimmy Schulz (beide FDP), Lars Klingbeil (SPD) und Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen) den Internetkonzern auf, die Nutzung eines Pseudonyms zuzulassen. Dies begründen sie damit, dass "Pseudonymität" wichtige Schutzfunktionen erfülle: "Menschen mit privaten Problemen aller Art, die sie nicht unter ihrem gesetzlichen Namen schriftlich besprechen können, sowie Personen des öffentlichen Lebens, die nicht immer öffentlich sein wollen, nutzen die Pseudonymität gleichermaßen wie Kinder, Lehrer und politische Akteure."
Die Unterzeichner glaubten zudem, dass in der weiteren konzeptionellen Entwicklung des Netzes auch und gerade der Schutz von Minderheiten und politisch Andersdenkenden, die sich nicht so frei artikulieren könnten, als maßgeblich herausstellen werde. Darüber hinaus seien Bürger durch die Nutzung eines Pseudonyms in der Lage, im Einzelfall und nach ihrem eigenen Dafürhalten eine Meinung frei zu artikulieren, ohne Ächtung und Nachteile befürchten zu müssen. Dies sei essentiell für die freie Meinungsbildung in einer Demokratie.
"Anonymität ist Menschenrecht"
Die Abgeordneten und Netz-Aktivisten räumen ein, dass ein Missbrauch durch Schmähungen und Beleidigungen möglich sei. Dem könnten jedoch durch Systemmaßnahmen wie Meldeverfahren Grenzen gesetzt werden. Ferner bemängeln sie, dass man von Google noch nichts Verbindliches über den weiteren Prozess gehört habe und erbitten baldige Information darüber, wo Google mit seinem Entscheidungsprozess steht. "Wir möchten uns rational entscheiden können, ob wir Ihren Dienst weiter nutzen und wie weit wir ihn in unserem Kommunikationsverhalten im digitalen Raum berücksichtigen wollen", heißt es in dem Schreiben. "Diese Erwartung haben wir im übrigen auch an andere Netzwerke, insbesondere Facebook." Frank Rieger vom Chaos Computer Club sieht das ähnlich. Laut "Süddeutscher Zeitung" sagte er am Wochenende auf der Berliner Konferenz "Netz für alle", es sein ein Menschenrecht, anonym bleiben zu können oder ein Pseudonym zu verwenden.
Die Zeitung berichtet auch, dass die Klarnamen-Regel in den USA ebenfalls für heftige Debatten sorgt. Manche vermuteten, dass die Regel von Google+ das Interesse verfolgen könnte, den Werbekunden des Konzerns künftig noch raffiniertere Angebote für gezielte Werbung machen zu können. Dies weise das Internet-Unternehmen zurück. "Google betont, dass es andere Plattformen wie YouTube und Blogger unterhalte, auf denen es sehr wohl möglich sei, anonym oder mit einem regelmäßig verwendeten Pseudonym aufzutreten."
Uhl: "Wir brauchen Kultur der Offenheit"
Unterdessen hat der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl, die "Klarnamenpolitik" im sozialen Netzwerk von Google verteidigt. Wie dpa meldet, erklärte Uhl zusammen mit dem Stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Günter Krings, die Entscheidung darüber liege letztlich beim Betreiber der Online-Plattform. "Wir brauchen eine solche Kultur der Offenheit und keine Foren oder Netzwerke, in denen man sich feige in die Anonymität flüchten kann", hieß es in einer schriftlichen Erklärung. Nur in bestimmten Sondersituationen wie dem Kinder- und Jugendschutz könne Anonymität sinnvoll sein, meinten Uhl und Krings am Dienstag in Berlin. Ansonsten sei es aber "das tragende Prinzip einer offenen Gesellschaft", dass man mit dem echten Namen an Diskussionen teilnehme. (pro/dpa)