Durch Mut ins Visier der Terroristen? Dass 2010 auch alteingesessene Christengemeinschaften in der islamischen Welt verstärkt zum Ziel von Terror und Selbstmordattentaten geworden sind, hat der Religionswissenschaftler Thomas Schirrmacher auf das wachsende Selbstbewusstsein der Christen in den islamischen Ländern zurückgeführt.
Von PRO
Foto: Bucer-Seminar
In einem ausführlichen Interview mit "Welt Online", das am Samstag gekürzt in der "Welt" erschienen ist, sagte Schirrmacher, es sei alarmierend, dass sich der Hass auf orientalische Christen bis in unsere Breiten erstrecke und wies auf die jüngsten Drohungen von Al-Qaida-Sympathisanten gegen die deutschen Koptengemeinden und -klöster hin. Der Terror und die Drohungen in Europa wie im Orient seien auch eine Reaktion der Islamisten auf den wachsenden Mut der christlichen Minderheiten. Die orientalischen Christen – ob Aramäer, Armenier oder Kopten – hätten 2010 in Europa und in den Herkunftsländern laut gegen ihre Diskriminierung in den islamischen Mehrheitsgesellschaften protestiert.
Auf die Frage: "Die Christen werden selbstbewusst – und dafür bestraft?" antwortete Schirrmacher: "Ja, der historische Deal zwischen muslimischer Mehrheit und christlicher Minderheit wird zunehmend aufgekündigt. Er bestand darin, dass die orientalischen Christen nicht laut und schon gar nicht gegenüber dem Ausland über ihre rechtlichen Benachteiligungen klagten. Im Gegenzug ließ man sie als Bürger zweiter Klasse in Ruhe." Das Ende dieses "Deals" sei offenkundig im Irak zu beobachten. "Nachdem einige irakische Bischöfe begannen, die Weltöffentlichkeit über ihr Leid zu informieren, verschlimmerte sich die Lage der irakischen Christen noch." Allerdings stünden nicht alle irakischen Bischöfe hinter der Strategie öffentlicher Hilferufe. "Viele Bischöfe plädieren dafür, lieber leise diskriminiert zu werden, statt sich laut zu beschweren und dafür ermordet zu werden." Ähnlich riskant lebten die Christen in der Türkei, fügte Schirrmacher hinzu. Der Mord an den drei Evangelikalen von Malatya ließe sich ebenfalls als Bestrafungsaktion verstehen. Dort hätten Christen es gewagt, gegen ihren Staat vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu ziehen. "So viel Selbstbewusstsein dulden Radikalislamisten nicht."
Christendiskiminierung im Ausland nicht vergleichbar mit Muslimdiskriminierung im Inland
Zum Hinweis, dass SPD-Redner bei der Bundestagsdebatte über Christenverfolgung vor Weihnachten mahnten, man solle nicht zu sehr auf Christendiskriminierung im Ausland, dafür mehr auf Muslimdiskriminierung im Inland schauen, räumte Schirrmacher ein, dass die die hiesigen Muslimverbände nicht in jeder Hinsicht mit den großen Kirchen gleichberechtigt seien. Es gebe kaum islamische Kindergärten und Schulen, keine Muslime in den Medienräten und kein islamisches Pendant zur Kirchensteuer. Nur sei diese Ungleichbehandlung nicht vergleichbar mit der massenhaften Ermordung von Christen. Schirrmacher wies darauf hin, dass ein Herz für verfolgte Christen doch nicht Herzlosigkeit gegenüber Muslimen bedeute. Die Politik sollte schlicht dorthin gucken, wo gerade die massivsten Menschenrechtsverletzungen stattfinden. "Politiker in einem christlich geprägten Land müssen sich für alle Verfolgungsopfer stärker einsetzen", forderte der Religionswissenschaftler. "Aber daraus darf nicht der Schluss gezogen werden, dass man sich für alle einsetzt außer für Christen." Schirrmacher kündigte an, dass er sich auch die Diskriminierung indischer Muslime durch radikale Hindus oder die von Hindus durch Buddhisten auf Sri Lanka demnächst genauer anschauen wolle. Auch da gebe es viel zu tun.
Der Religionswissenschaftler Thomas Schirrmacher ist Direktor des internationalen Instituts für Religionsfreiheit, Geschäftsführer des Arbeitskreises für Religionsfreiheit der Deutschen und der Österreichischen Evangelischen Allianz und Mitglied der Kommission für Religionsfreiheit der weltweiten Evangelischen Allianz. (pro)
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.
Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.
Cookie-Zustimmung verwalten
Um dir ein optimales Erlebnis zu bieten, verwenden wir Technologien wie Cookies, um Geräteinformationen zu speichern und/oder darauf zuzugreifen. Wenn du diesen Technologien zustimmst, können wir Daten wie das Surfverhalten oder eindeutige IDs auf dieser Website verarbeiten. Wenn du deine Zustimmung nicht erteilst oder zurückziehst, können bestimmte Merkmale und Funktionen beeinträchtigt werden.
Funktional
Always active
Die technische Speicherung oder der Zugang ist unbedingt erforderlich für den rechtmäßigen Zweck, die Nutzung eines bestimmten Dienstes zu ermöglichen, der vom Teilnehmer oder Nutzer ausdrücklich gewünscht wird, oder für den alleinigen Zweck, die Übertragung einer Nachricht über ein elektronisches Kommunikationsnetz durchzuführen.
Vorlieben
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist für den rechtmäßigen Zweck der Speicherung von Präferenzen erforderlich, die nicht vom Abonnenten oder Benutzer angefordert wurden.
Statistiken
Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu statistischen Zwecken erfolgt.Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu anonymen statistischen Zwecken verwendet wird. Ohne eine Vorladung, die freiwillige Zustimmung deines Internetdienstanbieters oder zusätzliche Aufzeichnungen von Dritten können die zu diesem Zweck gespeicherten oder abgerufenen Informationen allein in der Regel nicht dazu verwendet werden, dich zu identifizieren.
Externe Inhalte / Marketing
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist erforderlich, um Nutzerprofile zu erstellen, um Werbung zu versenden oder um den Nutzer auf einer Website oder über mehrere Websites hinweg zu ähnlichen Marketingzwecken zu verfolgen.