In einem ausführlichen Interview mit "Welt Online", das am Samstag gekürzt in der "Welt" erschienen ist, sagte Schirrmacher, es sei alarmierend, dass sich der Hass auf orientalische Christen bis in unsere Breiten erstrecke und wies auf die jüngsten Drohungen von Al-Qaida-Sympathisanten gegen die deutschen Koptengemeinden und -klöster hin. Der Terror und die Drohungen in Europa wie im Orient seien auch eine Reaktion der Islamisten auf den wachsenden Mut der christlichen Minderheiten. Die orientalischen Christen – ob Aramäer, Armenier oder Kopten – hätten 2010 in Europa und in den Herkunftsländern laut gegen ihre Diskriminierung in den islamischen Mehrheitsgesellschaften protestiert.
Auf die Frage: "Die Christen werden selbstbewusst – und dafür bestraft?" antwortete Schirrmacher: "Ja, der historische Deal zwischen muslimischer Mehrheit und christlicher Minderheit wird zunehmend aufgekündigt. Er bestand darin, dass die orientalischen Christen nicht laut und schon gar nicht gegenüber dem Ausland über ihre rechtlichen Benachteiligungen klagten. Im Gegenzug ließ man sie als Bürger zweiter Klasse in Ruhe." Das Ende dieses "Deals" sei offenkundig im Irak zu beobachten. "Nachdem einige irakische Bischöfe begannen, die Weltöffentlichkeit über ihr Leid zu informieren, verschlimmerte sich die Lage der irakischen Christen noch." Allerdings stünden nicht alle irakischen Bischöfe hinter der Strategie öffentlicher Hilferufe. "Viele Bischöfe plädieren dafür, lieber leise diskriminiert zu werden, statt sich laut zu beschweren und dafür ermordet zu werden." Ähnlich riskant lebten die Christen in der Türkei, fügte Schirrmacher hinzu. Der Mord an den drei Evangelikalen von Malatya ließe sich ebenfalls als Bestrafungsaktion verstehen. Dort hätten Christen es gewagt, gegen ihren Staat vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu ziehen. "So viel Selbstbewusstsein dulden Radikalislamisten nicht."
Christendiskiminierung im Ausland nicht vergleichbar mit Muslimdiskriminierung im Inland
Zum Hinweis, dass SPD-Redner bei der Bundestagsdebatte über Christenverfolgung vor Weihnachten mahnten, man solle nicht zu sehr auf Christendiskriminierung im Ausland, dafür mehr auf Muslimdiskriminierung im Inland schauen, räumte Schirrmacher ein, dass die die hiesigen Muslimverbände nicht in jeder Hinsicht mit den großen Kirchen gleichberechtigt seien. Es gebe kaum islamische Kindergärten und Schulen, keine Muslime in den Medienräten und kein islamisches Pendant zur Kirchensteuer. Nur sei diese Ungleichbehandlung nicht vergleichbar mit der massenhaften Ermordung von Christen. Schirrmacher wies darauf hin, dass ein Herz für verfolgte Christen doch nicht Herzlosigkeit gegenüber Muslimen bedeute. Die Politik sollte schlicht dorthin gucken, wo gerade die massivsten Menschenrechtsverletzungen stattfinden. "Politiker in einem christlich geprägten Land müssen sich für alle Verfolgungsopfer stärker einsetzen", forderte der Religionswissenschaftler. "Aber daraus darf nicht der Schluss gezogen werden, dass man sich für alle einsetzt außer für Christen." Schirrmacher kündigte an, dass er sich auch die Diskriminierung indischer Muslime durch radikale Hindus oder die von Hindus durch Buddhisten auf Sri Lanka demnächst genauer anschauen wolle. Auch da gebe es viel zu tun.
Der Religionswissenschaftler Thomas Schirrmacher ist Direktor des internationalen Instituts für Religionsfreiheit, Geschäftsführer des Arbeitskreises für Religionsfreiheit der Deutschen und der Österreichischen Evangelischen Allianz und Mitglied der Kommission für Religionsfreiheit der weltweiten Evangelischen Allianz. (pro)
Auf die Frage: "Die Christen werden selbstbewusst – und dafür bestraft?" antwortete Schirrmacher: "Ja, der historische Deal zwischen muslimischer Mehrheit und christlicher Minderheit wird zunehmend aufgekündigt. Er bestand darin, dass die orientalischen Christen nicht laut und schon gar nicht gegenüber dem Ausland über ihre rechtlichen Benachteiligungen klagten. Im Gegenzug ließ man sie als Bürger zweiter Klasse in Ruhe." Das Ende dieses "Deals" sei offenkundig im Irak zu beobachten. "Nachdem einige irakische Bischöfe begannen, die Weltöffentlichkeit über ihr Leid zu informieren, verschlimmerte sich die Lage der irakischen Christen noch." Allerdings stünden nicht alle irakischen Bischöfe hinter der Strategie öffentlicher Hilferufe. "Viele Bischöfe plädieren dafür, lieber leise diskriminiert zu werden, statt sich laut zu beschweren und dafür ermordet zu werden." Ähnlich riskant lebten die Christen in der Türkei, fügte Schirrmacher hinzu. Der Mord an den drei Evangelikalen von Malatya ließe sich ebenfalls als Bestrafungsaktion verstehen. Dort hätten Christen es gewagt, gegen ihren Staat vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu ziehen. "So viel Selbstbewusstsein dulden Radikalislamisten nicht."
Christendiskiminierung im Ausland nicht vergleichbar mit Muslimdiskriminierung im Inland
Zum Hinweis, dass SPD-Redner bei der Bundestagsdebatte über Christenverfolgung vor Weihnachten mahnten, man solle nicht zu sehr auf Christendiskriminierung im Ausland, dafür mehr auf Muslimdiskriminierung im Inland schauen, räumte Schirrmacher ein, dass die die hiesigen Muslimverbände nicht in jeder Hinsicht mit den großen Kirchen gleichberechtigt seien. Es gebe kaum islamische Kindergärten und Schulen, keine Muslime in den Medienräten und kein islamisches Pendant zur Kirchensteuer. Nur sei diese Ungleichbehandlung nicht vergleichbar mit der massenhaften Ermordung von Christen. Schirrmacher wies darauf hin, dass ein Herz für verfolgte Christen doch nicht Herzlosigkeit gegenüber Muslimen bedeute. Die Politik sollte schlicht dorthin gucken, wo gerade die massivsten Menschenrechtsverletzungen stattfinden. "Politiker in einem christlich geprägten Land müssen sich für alle Verfolgungsopfer stärker einsetzen", forderte der Religionswissenschaftler. "Aber daraus darf nicht der Schluss gezogen werden, dass man sich für alle einsetzt außer für Christen." Schirrmacher kündigte an, dass er sich auch die Diskriminierung indischer Muslime durch radikale Hindus oder die von Hindus durch Buddhisten auf Sri Lanka demnächst genauer anschauen wolle. Auch da gebe es viel zu tun.
Der Religionswissenschaftler Thomas Schirrmacher ist Direktor des internationalen Instituts für Religionsfreiheit, Geschäftsführer des Arbeitskreises für Religionsfreiheit der Deutschen und der Österreichischen Evangelischen Allianz und Mitglied der Kommission für Religionsfreiheit der weltweiten Evangelischen Allianz. (pro)