„Haben wir schon die Scharia?“ – diese Frage in der Überschrift des Leitartikels haben sich wohl viele gestellt, als bekannt wurde, wie die Frankfurter Richterin Christa D. begründete, warum sie den Antrag auf Ehescheidung einer 26-jährigen Deutschen marokkanischer Herkunft ablehnte. Ihr Mann hatte sie geschlagen und dann trotz behördlicher Kontaktsperre mit dem Tode bedroht. Die Frau habe vielmehr damit rechnen müssen, dass ihr in einem islamisch geprägten Land aufgewachsener Mann sein religiös verbrieftes „Züchtigungsrecht“ auch ausübe. Die Richterin verweist in ihrer Begründung auf den Koran.
In einem Interview mit dem „Spiegel“ stellt der Bundesverfassungsrichter Udo Di Fabio klar: „Deutsche Richter dürfen nicht den Eindruck erwecken, wir würden religiöse Offenbarungen zum Maßstab unserer Rechtsordnung machen.“
Grundsätzlich stünden Gerichte vor der Frage: Wie viel Toleranz für religiöse oder kulturelle Abweichungen üben wir? „Wir wollen nicht fragmentierte Kulturen haben, wo der eine nach dem kopernikanischen Weltbild unterrichtet wird – und der andere das Weltbild direkt aus der Bibel oder dem Koran rezipiert.“
Das Grundrecht auf Religionsfreiheit sei kein „Grundrecht de luxe“, das andere Freiheiten und Rechte zur Seite dränge. „Wir brauchen aber eine pragmatische Toleranz. Mir sind katholische Kindergärten bekannt, die wegen einer muslimischen Minderheit beim Mittagessen auf Schweinefleisch verzichten.“
Di Fabio: „Man geht in die Kirche, weil man Glauben nicht für antiaufklärerischen Firlefanz hält“
Man dürfe „nicht zu viel Verständnis zeigen“, sagt der Richter Di Fabio im Interview in Bezug auf so genannte „Ehrenmorde“. „Hier auf deutschem Staatsgebiet muss unsere Werteordnung durchgesetzt werden. Weiter betont er, dass es im Land eine „kulturelle Fragmentierung“ gebe, und sich die westlichen Gesellschaften „generell in einer Orientierungsphase“ befänden. „Was heute vorherrscht, ist das Prinzip individueller Entscheidungsfreiheit. (…) Man geht jetzt nicht mehr in die Kirche, weil man schon immer gegangen ist oder weil es einem der Vater vorschreibt – sondern weil man neugierig nach Wurzeln fragt und Glauben nicht für antiaufklärerischen Firlefanz hält.“
Weiter stellt Di Fabio klar: „Der Staat optiert nicht für eine Religion, aber er arbeitet mit den organisierten Religionsgemeinschaften zusammen.“ Der Richter fordert daher zudem, dass sich islamische Gläubige „in einer europäisch-traditionellen Weise“ organisieren, damit auch sie mit dem Staat kooperieren können.
Unter dem Titel „Mekka Deutschland – Die stille Islamisierung“ haben sechs „Spiegel“-Autoren auf 12 Seiten Gerichtsurteile zusammengetragen, in denen deutlich wird: der Islam bestimmt inzwischen die deutsche Öffentlichkeit mehr, als vielen bewusst ist. Der „Spiegel“ kommt zu dem Schluss: „Allzu viele Urteile spielten bereits Islam-Fundamentalisten in die Hände“ und fordert: „Da Deutschland längst ein Einwanderungsland geworden ist, braucht es dringend eine Linie, wie hart seine Normen durchzusetzen sind, wie mit dem Neuen umzugehen ist. Und wie sie sich zu verhalten haben.“