USA-Vorwahlen: Warum die Evangelikalen Republikaner wählen

Am Donnerstag beginnen im US-Bundesstaat Iowa die Vorwahlen der Präsidentschaftskandidaten von Demokraten und Republikanern. Auch in diesem amerikanischen Wahlkampf spielt der Glaube der Kandidaten beider Parteien eine wichtige Rolle. Die New Yorker Journalistin Marcia Pally geht in der "Süddeutschen Zeitung" der Frage nach, warum amerikanische Evangelikale meistens mit den Republikanern verquickt sind.
Von PRO

In Iowa beginnen traditionell die „primaries“, die Vorwahlen der großen Parteien für ihren Kandidaten. Es folgen, gestaffelt bis zum Sommer, alle anderen Bundesstaaten. Als nächstes sind am 8. Januar die Parteimitglieder in New Hampshire aufgerufen, ihren Lieblingskandidaten zu wählen. Wer als Kandidat bei diesen ersten Vorwahlen gut abschneidet, dem ist in der Regel eine Nominierung beim großen Parteitag so gut wie sicher. Wer hingegen schlecht abschneidet, zieht oft schon von selbst die Kandidatur zurück. Der Parteitag der Demokraten findet vom 25. bis 28. August 2008 in Denver statt, der der Republikaner vom 1. bis 4. September in Minneapolis-St. Paul.

Auf beiden Seiten alles offen

Da die erste Vorwahl also besonders aussagekräftig ist, blicken aller Augen am Donnerstag nach Iowa im mittleren Osten der USA, wo rund drei Millionen Menschen leben. Die Wahl wird spannend, zeigen aktuelle Umfragen. Der bisherige Außenseiter, der Baptistenprediger Mike Huckabee, liegt bei den Republikanern mittlerweile mit 32 Prozent vorne, dicht gefolgt von Mitt Romney. In Iowa dürfte der bekennende Christ und ehemalige Gouverneur von Arkansas, Huckabee, keine schlechten Chancen haben, denn etwa 40 Prozent der stimmberechtigten Republikaner dort sind Evangelikale.

Auch bei den Demokraten bleibt alles offen: Die bisherige Favoritin Hillary Clinton wurde soeben von ihrem Parteikollegen Barack Obama überholt. Laut einer Umfrage vom Dienstag könnte der 46-jährige Schwarze in Iowa 32 Prozent Stimmen der Demokraten erhalten. Clinton hingegen würde gerade einmal 25 Prozent erhalten.

Ob Demokrat oder Republikaner, in den USA wird besonders nach den religiösen Ansichten eines Kandidaten gefragt. Dabei gibt es gewöhnlich eine Verquickung von Evangelikalen und Republikanern. Marcia Pally, New Yorker Kulturkritikerin, die an der New York University und der Fordham University Englisch lehrt, schreibt in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 31.12. 2007 allerdings von einer Wende. Immer mehr Evangelikale kehrten der Republikanischen Partei den Rücken, weil sie sich um sozialkritische und Umwelt-Fragen zu wenig kümmere.

Woher kommen die Evangelikalen in den USA?

Pally zeichnet in ihrem Artikel die Geschichte des Calvinismus nach, aus dem sich in Amerika der „autoritätskritische, evangelikale Glauben“ entwickelt habe. „Begonnen hat die Entwicklung mit den begeisterten Anhängern von Freikirchen im Europa des 17. Jahrhunderts, sowie mit der böhmischen und der pietistischen Bewegung“, so Pally. „Über die Grundprinzipien des Protestantismus hinaus strebten diese Kirchen eine persönliche ‚innere‘ Beziehung zu Gott an – einen direkten Pakt ohne priesterliche Mittlerrolle. Ihnen kam es nicht nur auf den Glauben an Jesus an, sondern auf ein persönliches ‚Erweckungserlebnis‘, das das eigene Leben verwandelt hat und den Auftrag mit einschließt, andere ebenfalls zur Umkehr zu bewegen. Wesentliche Aspekte ihres Glaubens waren auch eine individuelle Auslegung der Bibel und damit verbunden absolute Gewissensfreiheit.“

Der Sinn dieser Gläubigen für autoritätskritischen Individualismus sei gestärkt worden durch ihre Erfahrungen in Amerika. „Der hohe Stellenwert der Gewissensfreiheit ermöglichte es den Bewohnern amerikanischer Kolonien, sich in Gemeinden unterschiedlichen Glaubens zusammenzuschließen.“ Die Menschen seien gezwungen gewesen, das eigene Leben selbst in die Hand zu nehmen. „Dieses Auf-sich-gestellt-sein förderte den politischen wie den wirtschaftlichen Liberalismus und begünstigte den liberalen Evangelikalismus, bei dem es vor allem auf das Gewissen des Einzelnen ankommt.“

In dieser unternehmerischen Atmosphäre fingen die starren Glaubensgrundsätze an zu bröckeln. „Eine erste Veränderung bestand darin, dass die persönliche Erlösung nicht mehr nur als Gnade Gottes empfunden wurde, sondern als etwas, auf das der einzelne Mensch selbst Einfluss hat. Diese Verlagerung von Gott auf den Menschen wurde zu einem wesentlichen Merkmal der methodistischen Kirche, Amerikas beliebtester Religionsgemeinschaft im 19. Jahrhundert.“

Eine bedeutende Veränderung lag laut Pally in der Überzeugung, dem Menschen könnten seine Sünden nicht nur vergeben werden, er könne sogar frei von Sünden werden – also vollkommen werden. „So, wie der freie Wille es dem Menschen anheim stellt zu sündigen oder ein christliches Leben zu führen, so könne er, wenn er sich für letzteres entscheidet – einen Zustand erreichen, der nahe an christliche Vollkommenheit heranreicht. Eine so großartige Verheißung machte aus den Amerikanern strebsame Menschen“, schreibt Pally.

Wie aus Evangelikalen Republikaner wurden

Schon bald setzte dieser Wunsch zur Vollkommenheit vom persönlichen Glauben an Gott auf andere Bereiche über. „Angesichts der Weite des Landes und der wirtschaftlichen Möglichkeiten strebten sie zusehends nach Vollkommenheit in allen Bereichen. (…) Doch auch dabei blieb es nicht: Die Amerikaner wollten nicht nur sich selbst verbessern. Voll Vertrauen in ihre Tatkraft glaubten sie daran, die Welt verbessern zu können. Das ‚Neue Jerusalem‘ sollte Vorbild sein und der Verbreitung eines anderen Lebensstils dienen.“

Zur Mitte des 19. Jahrhunderts machten allein die Methodistische und die Baptistische Kirche zwei Drittel der Protestanten in den USA aus. Evangelikale Verbände hatten doppelt so viele Beschäftigte und Einrichtungen, und dreimal so viel Geld wie das größte staatliche Unternehmen in Amerika, der Postdienst.

Es war unter anderem eine heftige Gegenreaktion auf die „gottlose“ bolschewistische Revolution und auf das „unmoralische“ Jazz-Zeitalter, die Evangelikale zu einer „konservativen Wende“ führte. „Die maßgebliche Wende hin zum Konservatismus hat allerdings erst in den 1960er Jahren begonnen“, so Pally. „Angesichts des Kommunismus, des Verbotes von Gebeten an öffentlichen Schulen und anderer Missliebigkeiten wie der schwarzen Bürgerrechtsbewegung, der Gegenkultur der Jugend und der Proteste gegen den Vietnamkrieg sind Evangelikale und Republikaner dazu übergegangen, gemeinsame Sache zu machen.“

Bei dem Bündnis mit den Republikanern habe es sich nicht etwa um einen „faustischen Pakt“ gehandelt, „sondern um eine ernst gemeinte Unterstützung republikanischer Wirtschaftspolitik durch die Evangelikalen, die ihrerseits an die Freiheit des Individuums glaubten“. Nach der Wiederwahl von George W. Bush 2004 habe die „Christian Coalition“, die ehemals größte evangelikale Dachorganisation in den USA, vor allem Wert darauf gelegt, dass die Legislative die versprochenen Steuersenkungen gesetzlich verankerte.

„Heute bleiben viele Evangelikale mit den Republikanern verbündet, weil sie ihre in die Stärke Amerikas vertrauende Wirtschaftspolitik und ihre missionierende Außenpolitik schätzen.“ So habe etwa im November 2007 der bekannte Pastor Pat Robertson die Präsidentschaftskandidatur von Rudolph Giuliani unterstützt, obwohl dieser zweimal geschiedene Katholik als Schürzenjäger gelte, der für Reproduktionsfreiheit und gleichgeschlechtliche Ehen eintrete. Aber in der Wirtschaftspolitik vertrete Giuliani klassische republikanische Positionen, in der Außenpolitik sei er ein Falke. „Damit decken sich Robertsons Ansichten mit denen Giulianis.“

Der Rückhalt der Evangelikalen bröckelt

Doch die Unterstützung der Evangelikalen für die Republikaner nimmt ab, stellt Pally fest. „Zwischen 2001 und 2005 lag die Quote junger weißer Evangelikaler zwischen 18 und 29, die sich als Republikaner bezeichneten, bei 55 Prozent; 2007 waren es nur noch 37 Prozent.“ Ausgelöst wurde der Umschwung vor allem durch das Thema Umweltschutz, ist die Journalistin überzeugt.

Bei einer CBS-Umfrage im Oktober hätten 24 Prozent der Evangelikalen angegeben, die Demokratische Partei greife ihr dringendstes Anliegen auf, während nur 10 Prozent dasselbe von den Republikanern behaupteten. Pally: „Bedenkt man, dass 78 Prozent der weißen Evangelikalen 2004 für den Republikaner Bush gestimmt haben, so zeigt dies, wie sehr sich bei einigen Evangelikalen die Prioritäten verändert haben.“

Dass diese Stimmen den Demokraten zugute kommen, hält sie indes für unwahrscheinlich. „Nur 29 Prozent der Evangelikalen gaben an, sie könnten für einen Kandidaten stimmen, der für Abtreibung und gleichgeschlechtliche Ehen eintritt. Eher gehen diese Stimmen an einen Dritten oder sie werden gar nicht abgegeben.“

Einer der republikanischen Kandidaten, der sich am ehesten den sozialkritischen Evangelikalen zuordnen ließe, sei Mike Huckabee. „Sowohl Republikanern als auch Demokraten fiel auf, dass Huckabee nicht mit klassischen republikanischen Zielen bei den Evangelikalen punktete, sondern eher mit seiner Unterstützung einkommensschwacher Amerikaner und von Einwanderern aller Rassen.“

Richard Cizik, Vizepräsident der National Association of Evangelicals, sagte einmal: „Nirgendwo in meiner Bibel habe ich gelesen, dass ich politisch und wirtschaftlich ein Konservativer zu sein habe. Dass ich beides bin ist Zufall.“

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