USA: Mormonen sind „in“ – bald auch im Weißen Haus?

Anhänger der "Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage", umgangssprachlich Mormonen genannt, gewinnen in der amerikanischen Gesellschaft an Einfluss. Auch Mitt Romney, knapper Sieger bei den ersten Vorwahlen zur US-Präsidentschaft, gehört dieser Glaubensgemeinschaft an.
Von PRO

Der Vorsprung von Mitt Romney, dem früheren Gouverneur von Massachusetts, fiel denkbar knapp aus: Nur acht Stimmen liegt der gemäßigte Republikaner bei der parteiinternen Vorwahl in Iowa vor dem zweitplatzierten Rick Santorum. Der Katholik konnte viele evangelikale Wähler für sich gewinnen. Die einstigen Lieblingskandidaten des christlichen Parteiflügels, Rick Perry und Michele Bachmann, liegen auf den hinteren Plätzen. Für Beobachter ist die Frage nach dem Wahlverhalten evangelikaler Christen in Amerika gegenüber Romney interessant: Würden sie einen Mormonen unterstützen, wenn es darum geht, Barack Obama als Präsident abzulösen? Für viele Evangelikale ist der mormonische Glaube ein "Kult", der nicht zum Christentum gehört. Auf der anderen Seite zeigen sämtliche Umfragen, dass Romney von allen Kandidaten die besten Chancen hätte, Obama zu besiegen, weil er als Mann der Mitte viele Wechselwähler anspricht.

Mormonen werden oftmals als kleine, etwas merkwürdige Sondergemeinschaft belächelt. Dabei gelingt es den "Heiligen der Letzten Tage" (im Englischen Latter-day Saints, kurz LDS) in den USA allmählich, ihr schlechtes Image abzulegen und an Akzeptanz in der Bevölkerung zu gewinnen. Daran hat Mitt Romney sicherlich seinen Anteil, wie auch sein Mitbewerber Jon Huntsman – der ehemalige Gouverneur von Utah ist ebenfalls Mormone, hat aber wenig Chancen, die Kandidatur zu gewinnen. Politisch sind die "Latter-day Saints" ohnehin stark aufgestellt. Ihr Einfluss generiert sich aus der Konzentration ihres Wählerpotentials auf den Bundesstaat Utah und dessen Hauptstadt Salt Lake City. Alle fünf Repräsentanten Utahs in Senat und Repräsentantenhaus sind Mormonen, mit insgesamt 16 Kongressmitgliedern ist die Glaubensgemeinschaft in Washington gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil von etwa 1,5 Prozent deutlich überrepräsentiert. Vier dieser 16 Spitzenpolitiker sind Demokraten – unter ihnen der Mehrheitsführer im Senat, Harry Reid. Offiziell ist die stark wachsende Kirche der Mormonen politisch neutral, schreibt USA-Korrespondent Matthias Rüb ("Frankfurter Allgemeine Zeitung") in seinem 2008 erschienenen Buch "Gott regiert Amerika". 80 Prozent der Mitglieder wählen jedoch regelmäßig die Republikaner.

Theologische Differenzen, politische Gemeinsamkeiten

Die mehrheitliche Nähe zu den Republikanern haben die Mormonen also mit den Evangelikalen gemeinsam. Während theologisch zweifellos unüberbrückbare Differenzen zwischen den Glaubensrichtungen existieren, teilen sie ähnliche gesellschaftspolitische Ziele: Zum Beispiel lehnen beide Abtreibung und die staatlichen Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften ab.

Die Beziehungen zwischen den evangelikalen Verbänden in den Vereinigten Staaten und den Mormonen gestalten sich seit jeher schwierig. Deswegen wurde ein Gespräch zwischen führenden Vertretern der Nordamerikanischen Evangelischen Allianz (NAE) und dem mormonischen Gouverneurs Utahs im März 2011 als besonderes Signal gewertet. NAE-Präsident Leith Anderson erklärte damals laut einem Bericht der "Evangelischen Nachrichtenagentur idea", die Evangelikalen sähen es als ihre Aufgabe an, die biblische Botschaft allen Menschen nahezubringen, ob sie sie hören wollten oder nicht. Zudem halte man aber auch nach möglichen Feldern der Zusammenarbeit Ausschau. Anlass für das Treffen war damals das zehnjährige Jubiläum einer evangelikalen Initiative, die die Ökumene in Utah fördern will. Deren Gründer, der Pastor Greg Johnson, wuchs als Mormone auf und konvertierte später zu einer evangelikalen Gemeinde. Ihm gehe es um Dialog und Kommunikation, nicht darum, Differenzen zu übertünchen.

Der Theologe Richard Mouw, Präsident des "Fuller Theological Seminary" in Kalifornien und NEA-Vorstandsmitglied, erklärte dazu, Evangelikale und Mormonen stünden sich so feindlich gegenüber wie keine anderen Glaubensgemeinschaften in den USA. "Hinter den Kulissen" hätten sich jedoch Evangelikale bemüht, Mormonen "die Hand der Freundschaft zu reichen".

Zwischen Spott und Erfolg: Mormonen in der Popkultur

Breite öffentliche Aufmerksamkeit erlangte das Mormonentum Anfang 2011 durch das satirische Musical "The Book of Mormon". Das Broadway-Musical der "South Park"-Erfinder Trey Parker und Matt Stone erzählt mit beißendem Humor die Geschichte zweier mormonischer Missionare in Uganda. Das Musical wurde mit mehreren "Tony Awards", dem wichtigsten amerikanischen Theaterpreis, ausgezeichnet.

Auch durch die Schriftstellerin Stephenie Meyer wurde der mormonische Glaube weltweit zum Gesprächsthema: Die Autorin der "Twilight"-Romanserie gehört ebenfalls zur LDS-Kirche. Anders als Anhänger der Sekte "Scientology" werben prominente Mormonen weit weniger aggressiv für ihren Glauben. Bekannte "Latter-day Saints" sind zum Beispiel die Sängerin Gladys Knight, der Schauspieler Ryan Gosling oder der Chef der "Marriott"-Hotelkette, John Willard Marriott Jr. Derzeit lautester Mormone ist der Fernsehkommentator Glenn Beck, der als Sprecher auch zu evangelikalen Veranstaltungen eingeladen wird.

Der "Mormon Moment", der Boom des mormonischen Glaubens in den USA, wurde im Dezember von der Zeitung "Die Welt" in einem ausführlichen Hintergrundartikel aufgegriffen. Der Journalist Uwe Schmitt ist dafür nach Utah gereist, um sich selbst ein Bild von den "Saints" zu machen. Sie seien "fast ausnahmslos gottesfürchtige, wertkonservative, anständige Menschen", lautet sein Urteil. Seit dem offiziellen Verzicht auf die Vielehe im Jahre 1890 hielten sie sich an alle Gesetze. In seinem Fazit geht Schmitt auch auf den Präsidentschaftswahlkampf ein: "Es ist nicht schwer, die ‚Latter Day Saints‘ zu mögen, ohne sie heiligzusprechen. Die Kirche mit dunklen Logen und Kulten wie Scientology im selben Atemzug zu nennen, wäre unfair, unzeitgemäß, unredlich. Ob Amerika einen mormonischen Präsidenten akzeptiert, wird man in elf Monaten wissen. Ein Unglück wäre es nicht." (pro)

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