US-Wahlkampf: Mormonen zurückhaltend gegenüber Medien

Der amerikanische Präsidentschaftskandidat Mitt Romney will möglichst wenig über seinen mormonischen Glauben sprechen – zu Unrecht, meint die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) in einer Analyse. Das Blatt schildert, wie Journalisten im Wahlkampf auf PR-Leute der Kirche treffen.
Von PRO

Das Thema "Glaube" hat Mitt Romney, ehemaliger Gouverneur des Bundesstaates Massachusetts und republikanischer Herausforderer von US-Präsident Barack Obama, 2007 in einer Grundsatzrede behandelt. Damals erklärte er, dass er seine Präsidentschaftskandidatur nicht durch seine Religion definiere, und niemand aufgrund seines Glaubens gewählt oder abgelehnt werden sollte. Seitdem vermeidet es der Mann, der im November ins Weiße Haus gewählt werden will, über seine Religion zu sprechen.

"Dabei ist Mitt Romney als Person nur schwer zu durchschauen, wenn man dessen Religiosität nicht berücksichtigt", findet Matthias Kolb, USA-Korrespondent der "Süddeutschen Zeitung". In seinem Artikel zitiert er den Kolumnisten Frank Rich vom "New York Magazine", für den der Glaube der Schlüssel zum Verständnis des Politikers Romney ist. Er argumentiert, dass Romney seine Zurückhaltung in Glaubensfragen eher schade: Der 65-Jährige müsse nicht über die Theologie seiner Glaubensgemeinschaft, sondern darüber sprechen, wie sie den Alltag präge – über den Verzicht auf Alkohol und Kaffee hinaus.

Soziales Engagement und großzügige Spenden

Romneys Berater wüssten, dass viele Evangelikale das Mormonentum als einen "Kult" betrachteten – und die Evangelikalen seien eine wichtige Wählergruppe für die Republikaner. Ungefähr jeder fünfte US-Bürger könne sich zwar nicht vorstellen, einen Mormonen zum Präsidenten zu wählen. "Romney ist ein Familienmensch", schreibt Kolb aber, "er investierte in den achtziger Jahren viel Zeit in sein Laienamt als Bishop in einer Bostoner Gemeinde, kümmerte sich um Menschen aus allen sozialen Schichten, spendet Millionen und geht sonntags zum Gottesdienst – alles Punkte, die in der ziemlich religiösen US-Wählerschaft positiv wirken."

Seit Monaten, so heißt es in dem Artikel in der SZ, reisten immer mehr Journalisten in die Mormonen-Metropole Salt Lake City, um mehr über die "Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage" (im Englischen Latter-day Saints, kurz LDS), so die offizielle Bezeichnung der Mormonen, zu erfahren. Die Kirche beschäftige allein in Utahs Hauptstadt 35 PR-Leute, "die Journalisten auf Schritt und Tritt begleiten und auf der Website ‚Mormon Newsroom‘ in ihren Augen falsche Informationen korrigieren". Fragen danach, ob Romneys Präsidentschaftskandidatur nicht eine Riesenchance für die Kirche sei, würden abgeblockt. "Unser Ziel ist es, den Menschen mehr über unsere Kirche beizubringen, damit sie besser verstehen, wer wir sind", erklärt Michael Purdy, Kommunikationsdirektor der Latter-day Saints. Wie die Zeitung "Salt Lake Tribune" berichte, stecke die Kirche in einer Zwickmühle: Sie will die Aufmerksamkeit nicht zu aggressiv nutzen, um PR zu machen, und ihr Image nicht zu stark mit Romney verknüpfen.

"Würden sie das auch über Juden schreiben?"

Mitt Romneys eigene PR-Leute, so der Bericht, würden sich bei Presseanfragen zum Glauben ihres Kandidaten fragen, ob der Journalist eine ähnliche Geschichte auch dann schreiben würde, wenn es sich statt um einen Mormonen um einen Juden handle. "Würde der Journalist etwa über einen jüdischen Kandidaten schreiben: ‚Juden glauben, dass Moses Steintafeln übergeben wurden, nachdem ihm Gott in einem brennenden Busch erschienen war‘?" wird die Pressesprecherin Andrea Saul zitiert.

Mit dem Aktivisten John Dehlin verleiht die "Süddeutsche Zeitung" auch einer kritischen Stimme Gehör: "Es ist unmöglich, nur über die guten Seiten seiner Kirche zu reden", meint er. "Es wirkt sicher auf viele seltsam, dass Romney so verschlossen ist. Aber Offenheit ist viel riskanter." Der 42-Jährige, der vor zehn Jahren an seinem mormonischen Glauben zu zweifeln begann, bezeichnet unter anderem die Haltung der Mormonen zum Thema Homosexualität als "reaktionär". Außerdem erklärt er: "Wenn Romney glaubt, dass das Himmelreich bald kommt, dann wird er eine andere Umwelt- und Energiepolitik verfolgen, als wenn er davon ausgeht, dass die Menschen noch Tausende Jahre den Planeten bevölkern werden."

Matthias Kolb stellt in seinem Text jedoch klar: "In seiner Zeit als Gouverneur von Massachusetts zwischen 2002 und 2006 gab es keine Vorfälle, die darauf hindeuten, dass sich Mitt Romney allzu sehr von seinem Glauben leiten ließ." Und das Team von Barack Obama habe ausdrücklich beschlossen, das Thema im Wahlkampf nicht anzusprechen. (pro)

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