US-Kirchen protestieren gegen Massenabschiebungen

Christen in den USA kritisieren die Massenabschiebungen im Land: Über 400.000 Ausweisungen seit Trumps Amtsantritt zerstörten Familien, so die Kritik. Entgegen den offiziellen Angaben seien nicht hauptsächlich Kriminelle betroffen.



In den USA erleben Millionen Migranten eine beispiellose Einschüchterung durch staatliche Behörden, kritisierte Washingtons Kardinal Robert McElroy Ende September. In seiner Erzdiözese seien „viele Menschen tiefen Glaubens“ aufgegriffen und abgeschoben worden. Als Bürger dürfe man „zur profunden Ungerechtigkeit, die in unserem Namen geschieht“, nicht schweigen, betonte der Kardinal. Das Leben vieler Menschen werde mit dieser Politik so unerträglich gemacht, dass sie inzwischen das Land verließen.

Für Menschen mit spanischem Akzent ist der Alltag tatsächlich schwer geworden. Das weiß die Organisation „CARECEN“ (Central American Resource Center), die sich seit Jahrzehnten für die Rechte von Migranten, vor allem aus Mittelamerika, einsetzt und ihnen in Washington beim Start in den USA hilft. Die Angst vor der US-Einwanderungsbehörde ICE (Immigration and Customs Enforcement) habe in der Bevölkerung spürbar zugenommen, sagte Exekutivdirektor Abel Nuñez dem Evangelischen Pressedienst (epd). Eltern würden ihre Kinder aus Angst, auf dem Weg aufgegriffen und verhaftet zu werden, nicht mehr zur Schule bringen. Viele verließen aus Angst kaum noch das Haus. Auch viele weiße US-Amerikaner seien überrascht von der Härte des staatlichen Vorgehens, sagte Nuñez.

Testgelände für Trumps Abschiebepolitik

Die „New York Times“ hat Washington als „Testgelände“ für Trumps Abschiebepolitik beschrieben. Wegen eines angeblichen „Notstandes“ arbeite ICE eng mit der Polizei zusammen. Diese stoppe Autos wegen angeblicher Verkehrsdelikte. Bei Zweifeln bei der Identitätsprüfung schalte sich ICE ein und nehme Menschen fest. Von Januar bis Ende Juli habe ICE in der Hauptstadt 85 Personen festgenommen, von Anfang August bis Mitte September nach Angaben informierter Regierungsquellen etwa 1.200. Baufirmen und der Landschaftsbau beschäftigen in der Region überwiegend hispanische Männer. Viele nehmen keine Jobs mehr in Washington an.

Die römisch-katholische Kirche in den USA sei seit jeher eine Kirche der Einwanderer, erläuterte Kevin Appleby, ehemaliger Mitarbeiter der Bischofskonferenz und heute beim New Yorker Think Tank „Center for Migration Studies“. Hispanische Katholiken könnten nach seinen Worten schon bald die Mehrheit der katholischen Christen ausmachen. Laut Umfragen wählte die Mehrzahl der weißen Katholiken 2024 Trump. Man müsse das differenziert sehen, sagt Appleby. Für viele sei das Thema Abtreibung ein wichtiges Anliegen, das habe sie zu den Republikanern gebracht.

Die jüngsten Worte von Papst Leo XIV. zu Abschiebungen hätten wohl manche konservative Katholiken in den USA alarmiert, sagte Appleby dem epd. Das in den USA geborene Kirchenoberhaupt sprach über das Konzept von „pro Life“ (Lebensschutz). Er wisse nicht, ob jemand pro Life sei, der „mit der unmenschlichen Behandlung von Einwanderern in den USA einverstanden ist“. Wie der Informationsdienst „Religion News Service“ berichtete, haben religiöse Gruppen vielerorts ihre Migrantenhilfe verstärkt. Gläubige begleiten Migranten bei Terminen mit der Einwanderungsbehörde.

Im September versammelten sich in Burlington (Vermont) mehrere hundert Menschen am Gerichtsgebäude, um die seit Jahren um Asyl kämpfende Honduranerin Blanca Martinez zu unterstützen. Unter Präsident Trump kommt es häufig vor, dass die Einwanderungsbehörde ICE Migranten direkt im Gericht festnimmt. Auch die anglikanische Episkopalbischöfin Julia Whitworth nahm am Gebet für Martinez teil und erklärte im Informationsdienst ihrer Kirche: „Unsere Menschlichkeit zeigt sich daran, wie wir die Verwundbarsten unter uns behandeln.“

Evangelikale weniger deutlich

Gespalten zeigen sich weiße Evangelikale in den USA. Die Kommission für Ethik und Religionsfreiheit im Südlichen Baptistenverband, der größten protestantischen Kirche der Vereinigten Staaten, hat sich im September vom „Evangelical Immigration Table“ zurückgezogen, einem Verband zur Reform der Einwanderungsgesetze. Die Arbeit habe zu Kontroversen geführt und sei nicht im Interesse der Gemeinden gewesen, hieß es. Die Kommission werde bei Einwanderung unabhängig tätig sein.

Der Präsident des „Nationalen Verbandes der Evangelikalen“, vergleichbar mit der Evangelischen Allianz in Deutschland, Walter Kim, warnte hingegen kürzlich in einem Essay, dass die Abschiebungen „tiefgreifende Auswirkungen“ auf das Christentum haben können. In beinahe jeder evangelikalen Kirche komme das Wachstum zu einem beträchtlichen Teil von Immigranten und deren Familien. In vielen Gemeinden erschienen weniger Leute zum Gottesdienst, weil sie Angst vor Abschiebungen haben. Kim verwies auf eine kürzliche Studie religiöser Verbände. Danach sind in den USA rund zehn Millionen Christen potenziell von Abschiebungen bedroht.

epd
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