Urteil: Muslimen Gebet ermöglichen

Deutsche Schulen müssen es Muslimen erlauben, auch während der Schulzeit ihre Gebetsriten einzuhalten – selbst wenn diese dafür eigene Räume benötigen. Das haben Richter in Berlin entschieden und gaben damit einer muslimischen Familie Recht, die 2008 geklagt hatte.

Von PRO

Muslime müssen an deutschen Schulen ungehindert beten
können. Das entschied das Berliner Verwaltungsgericht am heutigen Dienstag. Damit gaben die
Richter der Klage eines 16-jährigen Schülers des Berliner Diesterweg-Gymnasiums
und seiner Familie statt. Die Senatsverwaltung für Bildung befürchtet, dass staatliche
Schulen aufgrund dieser Entscheidung ihre Neutralität einbüßen. Die Richter hingegen
sehen keine Störung des Schulbetriebs und verweisen auf die Religionsfreiheit.
Muslime seien berechtigt, außerhalb der Unterrichtszeit einmal täglich in der
Schule ihr islamisches Gebet zu verrichten, erklärte das Gericht. Dazu müsse
die Anstalt ihnen wenn nötig Räumlichkeiten zur Verfügung stellen. Schon jetzt
steht fest: Der Fall ist wegen seiner Grundsätzlichkeit wohl noch nicht abgehakt. Vor Gericht wurde Berufung gegen das Urteil eingelegt. Die nächste zuständige Instanz ist das Oberverwaltungsgericht.

Begonnen hatte der Streit um das muslimische Schulgebet im Frühjahr 2008. Damals hatte sich Yunus M. laut dem Berliner "Tagesspiegel" gemeinsam mit anderen Jugendlichen im Schulflur zum Beten niedergelassen. Eine Lehrerin untersagte das muslimische Ritual mit Verweis auf das Neutralitätsgebot an Schulen. Daraufhin zogen Yunus Eltern vor Gericht. Ihr Sohn sehe sich fünf Mal täglich an festgelegten Zeiten zum Beten verpflichtet.

Pflicht: Ein Gebetsraum für Muslime

In einem Eilverfahren gab das Gericht der muslimischen Familie mit Bezug auf die in Artikel 4 des Grundgesetzes garantierte Religionsfreiheit Recht. Zudem müsse die Schule den Betenden einen Raum zur Verfügung stellen, der "nicht ohne weiteres zugänglich" sei. Zur Begründung hieß es, die Religionsfreiheit erstrecke sich auch auf die äußere Freiheit, den Glauben zu bekunden. Durch die Zuweisung eines abgeschlossenen Raumes werde aber der Gefahr einer "demonstrativen bzw. werbenden Präsentation des Gebets" begegnet. Im nun zu Ende gegangenen Verfahren entschied eine Kammer. Zudem wurden Sachverständige, etwa Islamwissenschaftler gehört. Im Eilverfahren hingegen waren drei Berufsrichter mit der Urteilsfindung betraut, wie die "Berliner Morgenpost" erklärt.

Laut der Zeitung "Frankfurter Rundschau" (FR) hatte die Schule dem Jungen nach dem vorläufigen Urteil "behelfsmäßig" einen Gebetsraum zur Verfügung gestellt. Davon, dass weitere Schulen dem Beispiel gefolgt sind oder weitere Eltern einen Betraum gefordert hätten, sei nichts bekannt. Gegenüber der FR erklärte die Berliner Islamwissenschaftlerin Riem Spielhaus, die meisten muslimischen Schüler schöben ihre Gebete vermutlich auf den Nachmittag und holten sie zuhause nach. Dies sei für Muslime zulässig. Außerdem handle es sich bei den täglich wechselnden Gebetszeiten nicht um präzise Angaben wie 11.15 oder 13.20 Uhr, sondern um Zeiträume von mehreren Stunden.

SPD mahnt religiöse Neutralität an

Im Vorfeld des Gerichtsverfahrens hatten sich Politiker verschiedener Fraktionen gegen das Schulgebet ausgesprochen: "Schule in öffentlicher Trägerschaft ist ein Ort von Erziehung und Bildung in einem weltanschaulich und religiös neutralen Raum", sagte etwa der Berliner Bildungssenator Jürgen Zöllner von der SPD. Der bildungspolitische Sprecher der Grünen, Özcan Mutlu, sagte: "Die Schule ist ein neutraler Ort. Kreuze und Kopftücher haben dort ebenso wenig etwas zu suchen wie Beichtstühle oder Gebetsräume." Dass die Berliner sich die Schule als religionsfreien Ort wünschen, habe in diesem Jahr erst das gescheiterte Volksbegehren für die Einführung des Religionsunterrichts als Wahlpflichtfach bewiesen. Außerdem sei Schule ein Raum der Pädagogik und nicht des Gebets, egal welcher Religion. (PRO)

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