„Unterhaltung darf nicht auf Kosten der Schwachen gehen“

Ist Fernsehunterhaltung nur dann erfolgreich, wenn Kandidaten wie bei "Deutschland sucht den Superstar" gedemütigt werden? Darüber haben Branchenkenner am Donnerstagabend im ZDF diskutiert – Thomas Gottschalk sprach auch über Samuel Koch.
Von PRO

Der große Quotenerfolg der RTL-Sendung "Ich bin ein Star – Holt mich hier raus", besser bekannt als "Dschungelcamp", hat die Diskussion um die deutsche TV-Kultur neu entflammt: Sind Zuschauer nur mit Konflikten, Ekel-Prüfungen und Schadenfreude zu gewinnen? Zu dieser Frage hatte ZDF-Talkerin Maybritt Illner Experten und Insider zum Gespräch eingeladen. "Das Wesen von Humor", analysierte Schauspieler und Dschungelcamp-Bewohner Mathieu Carrière, "ist Sympathie und Sadismus". Thomas Gottschalk beispielsweise habe letzteres nicht praktiziert – und diese freundliche Form der Familienunterhaltung habe heute einen schweren Stand.

Gottschalk selbst erklärte dazu, er fühle mit seinen Kandidaten aus der Perspektive eines Vaters. "Wenn ich merke, dass sich jemand selbst schadet, schicke ich ihn heim", so der Entertainer. Bei Formaten wie "Deutschland sucht den Superstar" hingegen würden sie erst recht ins Rampenlicht gerückt. Ute Biernat, als Geschäftsführerin der Produktionsfirma "Grundy Light Entertainment" für "DSDS" und ähnliche Shows verantwortlich, konterte: "Für manche ist es eine Mutprobe, für andere ein Ritterschlag, vor Dieter Bohlen zu stehen. In der achten Staffel weiss jeder, was ihn erwartet – wer das nicht möchte, soll da nicht hingehen."

"Castingkultur" mitschuld an Samuel Kochs Unfall?

Thomas Gottschalk sieht die deutsche Fernsehlandschaft durch die vielen Casting-Shows grundlegend verändert – und setzt  auch den schweren Unfall von "Wetten dass..?"-Kandidat Samuel Koch in diesem Bezug. "Früher wollten die Kandidaten einfach nur Wettkönig werden. Samuel, der eine unglaubliche positive Stimmung ausgelöst hat, war auf dem Weg zum Entertainer. Er war Stuntman und wollte im ‚Tatort‘ mitspielen", sagte Gottschalk.  "Für diesen Weg wollte er sich der Öffentlichkeit vorstellen. Das ist, wie ich meine, Ergebnis einer gewissen Casting-Kultur: Wenn du nur einmal im richtigen Moment das Richtige tust, dann bist du ein Star!"

Es sei zu bedauern, meinte "Zeit"-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo, dass die öffentlich-rechtlichen Sender so wenig Ideen und Mut hätten, neue Fernsehshows zu entwickeln: "Warum ist das einzige innovative Format der letzten 20 Jahre ‚Schlag den Raab‘, wohlgemerkt im privaten Fernsehen?" Di Lorenzo appellierte an die Programmverantwortlichen von ARD und ZDF, neue Sendungen auszuprobieren und ihnen Zeit zu geben – die Quote sei nicht alles. "Wenn 10 Millionen Bohlen gucken, heißt das für mich: 70 Millionen gucken ihn nicht. Das reicht mir als Zielgruppe." (pro) 

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