Unheilige Allianz: „Welt am Sonntag“ und Gerd Lüdemann

Er ist der wohl umstrittenste Theologe Deutschlands, seine Lehrtätigkeit an der Universität in Göttingen ist geprägt von Querelen mit der Landeskirche. Denn Gerd Lüdemann hat sich als Professor für Neues Testament an der Evangelisch-Theologischen Fakultät vor 10 Jahren von grundlegenden Aussagen des christlichen Glaubens losgesagt. Sein Beruf und seine Ansichten stehen eklatant im Widerspruch – doch seiner Autorentätigkeit für die "Welt am Sonntag" tut das keinen Abbruch.
Von PRO

In der aktuellen Ausgabe der „Welt am Sonntag“ schreibt Gerd Lüdemann über die Auferstehung Jesu. Genauer gesagt, er legt dar, aus welchem Grund seiner Ansicht nach die Auferstehung Jesu nichts anderes sei als  eine „Fantasie seiner Anhänger“, der Christen, die einer „Halluzination“ aufgesessen seien. Genau das schreibt Lüdemann in seinem Beitrag in der „WamS“, der großen Sonntagszeitung.

Christen und ihre „Halluzination“

„Das Grab des Gekreuzigten war nicht leer“, lautet die Überschrift des Textes. Lüdemann meint: „Der älteste Osterglaube begann als Schau des bei Gott befindlichen Jesus. Dieses Phänomen haben wir bereits mehrfach ‚Vision‘ genannt, denn Jesus blieb tot. Der auferstandene Jesus existierte nur in den Fantasien seiner Anhänger. Jedoch griff er den Jüngern zufolge unaufhörlich in die Geschichte ein, stattete sie sogar mit dem Mandat zur Sündenvergebung aus und sandte sie in alle Welt. Der Auferstandene besaß eine ungeheure Stärke und teilte seine Allmacht mit den Seinen. Hier reicht der Begriff ‚Vision‘ zur Beschreibung nicht mehr. Das zugrunde liegende Phänomen weitet sich zur Halluzination. Und die behauptete Auferweckung Jesu durch Gott wird zum Auferstehungswahn.“

„Selbsttäuschung von welthistorischem Ausmaß“

Christen seien nicht nur einem „Auferstehungswahn“ erlegen, so Lüdemann. „Menschen, die ihre fünf Sinne beieinanderhaben, führt die Einsicht in den ältesten christlichen Auferstehungsglauben unweigerlich zur Kritik an diesem Glauben. Denn Jesus wurde gar nicht von den Toten auferweckt, obwohl Christen es bekennen und die Kirche darauf gebaut ist. 2000 Jahre lang übte der Glaube an die leibliche Auferstehung Jesu eine ungeheure Wirkung aus. Sie erweist sich nun als eine Selbsttäuschung von welthistorischem Ausmaß.“

Doch wie kommt Lüdemann auf derlei Thesen? Wie begründet der „Theologe“ seine Ansichten, die den Kern des christlichen Glaubens leugnen? Ganz einfach, er beruft sich auf einen „großen wissenschaftlichen Konsens“, demzufolge die Erzählungen der Evangelien über den auferstandenen Jesus „historisch wertlos“ seien. „Sie formen nämlich sekundär den Gemeindeglauben aus, der in den Bekenntnisformeln seinen primären Niederschlag gefunden hat. Jede kritische Beschäftigung mit der Auferstehung Jesu wird daher bei den Bekenntnisformeln einsetzen und von dort aus auch den historischen Wert der Grabesgeschichten prüfen“, gibt Lüdemann die Thesen der so genannten historisch-kritischen Methode wieder.

Im Rechtsstreit mit der Kirche

Wie bereits erwähnt, Lüdemann liegt auch aufgrund dieser Ansichten mit der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen im Rechtsstreit, und das seit Frühjahr 1998. In einem „Brief an Jesus“, den Lüdemann damals veröffentlichte, schreibt er unter anderem, dass die meisten Worte Jesu historisch nicht haltbar seien und dass ihm ohnehin Jesus religiös nichts mehr bedeute. Die Kirche verlangte daraufhin vom Wissenschaftsministerium eine Entlassung Lüdemanns aus dem Staatsdienst und somit eine Beendigung seiner Tätigkeit an der Theologischen Fakultät in Göttingen.

Doch Lüdemann blieb an der Theologischen Fakultät und lehrt seitdem nicht mehr Neues Testament, sondern hat den umbenannten, nicht konfessionsgebundenen Lehrstuhl für „Geschichte und Literatur des frühen Christentums“ inne. Da der Wissenschaftler seitdem nicht mehr an Prüfungen der Theologischen Fakultät teilnehmen darf, klagte Lüdemann bis zum Bundesverwaltungsgericht gegen die Entscheidung. Das Gericht wies seine Klage 2005 ab – im Jahr 2008 will nun das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Denn Lüdemann hatte eine Verfassungsbeschwerde eingereicht.

Regelmäßige Beiträge in der „Welt am Sonntag“

Mit seinen Äußerungen und Ansichten über den christlichen Glauben hat sich Gerd Lüdemann den Ruf eines der umstrittensten Theologen in Deutschland erarbeitet. Allein die Titel seiner Buchveröffentlichungen sprechen Bände: „Was mit Jesus wirklich geschah. Die Auferstehung historisch betrachtet“ (1995), „Der große Betrug. Und was Jesus wirklich sagte und tat“ (1998), „Die Auferweckung Jesu von den Toten. Ursprung und Geschichte einer Selbsttäuschung“ (2002) oder auch „Der erfundene Jesus. Unechte Jesusworte im Neuen Testament“ (2008).

Doch Lüdemanns publizistische Tätigkeiten und Attacken gegen das Christentum beschränken sich nicht allein auf Fachkreise oder Buchveröffentlichungen. In der „Welt am Sonntag“ äußert Lüdemann immer wieder seine Ansichten, die aktuelle Kolumne von diesem Sonntag ist kein Einzelfall. Am 8. April 2007 etwa schrieb Lüdemann über „Das falsche Feindbild von Judas, dem Verräter“. Denn auch über Judas finde sich im Neuen Testament viel „legendäres, historisch wertloses Material“. Ein Verrat Jesu, wie ihn die Evangelisten beschreiben, sei tatsächlich „höchst unwahrscheinlich“.

Immer wieder: Gott und Jesus, die „fiktiven Figuren“

Am 1. Oktober 2006 ging Lüdemann in einem „WamS“-Beitrag mit Gott ins Gericht. „Gott wurde spät erfunden“, meinte Lüdemann da. Grundsätzlich sei der „historische Rahmen der Geschichtsbücher“ des Alten Testaments „fiktiv“, wesentliche Schilderungen, inklusive „dem exklusiven Gott Jahwe“, seien „theologische Konstrukte“, also von Juden frei erfunden. Lüdemann weiter: „Diese Erkenntnisse besiegeln nicht nur den Tod des alttestamentlichen Geschichtsgottes, sondern auch das Ende des Vaters Jesu Christi.“

Und noch ein Beitrag Lüdemanns aus der „Welt am Sonntag“ sei erwähnt. Am 29. April 2006 widmete er sich in einem Gastkommentar den Thesen des Schriftstellers Dan Brown und dessen Buch „Sakrileg“. Brown baut seine Geschichte auf der These auf, wonach Jesus mit Maria Magdalena Nachkommen gezeugt habe und nicht am Kreuz gestorben sei. Lüdemann wurde damals von der „WamS“ als „Gegenpart“ aufgefahren – und tatsächlich weist er Dan Browns Geschichte der Rubrik „lächerliche Absurditäten“ zu. Doch Lüdemann nutzt seinen Kommentar natürlich ebenfalls, um auf seine Ansichten hinzuweisen: „Historisch geurteilt, haben die frühen Christen sich Jesus so zurechtgemacht, wie er ihren Wünschen und Interessen entsprach und wie er ihnen im Kampf gegen Abweichler und Andersgläubige am nützlichsten zu sein schien.“ Jesus sei nichts weiter gewesen als ein „charismatischer Exorzist“, ein „umherziehender Wanderprediger“.

„Jede Zeit malte ihr Bild von Jesus“, meinte Gerd Lüdemann damals. Doch auf den Gedanken, seine eigene Jesus-Pinselei auf den Prüfstein zu stellen, mag der „Theologe“ nicht kommen. Und so lange druckt sicher die „Welt am Sonntag“ seine Bilder immer wieder ab – warum auch immer. 

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