Die Medien hätten den zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff auf die Anklagebank gestellt, ohne dass ihm ein rechtsstaatlicher Prozess zuteil wurde. Dies bemängelt der frühere Erste Bürgermeister Hamburgs und ehemalige Bundesbildungsminister Klaus von Dohnanyi. Auch der Chefredakteur der "Bild"-Zeitung, Kai Diekmann, bemängelt Übertreibungen und Entgleisungen in den Medien im Fall Wulff. Er verweist jedoch auch auf die "handwerklich saubere Rechercheleistung" seiner Kollegen.
Der Herausgeber der Tageszeitung "Die Welt", Thomas Schmid, hatte Dohnanyi und Diekmann zu einem Gespräch über die Rolle der Medien im Falle des zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff eingeladen. Am 13. Dezember 2011 hatte die "Bild"-Zeitung eine Lawine losgetreten, als sie meldete, Wulff habe als niedersächsischer Ministerpräsident sein Privathaus auf fragwürdige Art finanziert. Es folgten Medienberichte über einen dubios finanzierten Sylt-Urlaub, und schließlich schaltete sich die Staatsanwaltschaft ein. Am 16. Februar baten die Ermittler den Bundestag um Aufhebung der Immunität Wulffs. Am 17. Februar trat er zurück.
Dohnanyi erklärt: "Mein Problem in der Sache ist: Es war ein Medienprozess und kein rechtsstaatlicher Prozess. Wulff ist auf eine Medienanklagebank gestellt worden." Wulff habe große Fehler gemacht hat, fügt Dohnanyi hinzu. Doch er betont die Bedeutung von "Stil und Anstand": "Ich fand den öffentlichen Umgang mit Wulff nicht anständig. Man sollte alles berichten, aber es kommt auf die Art und Weise an." Eine gewisse Form von "Ritterlichkeit und Mitgefühl" sei in dieser Gesellschaft verlorengegangen, so der SPD-Politiker. "Es handelte sich hier ja um keine schweren Verbrechen. Es waren relativ kleine Fehler."
"Bild"-Chef Diekmann erwidert, dass ein 500.000-Euro-Hauskredit "für die große Mehrheit unserer Mitbürger" keine Kleinigkeit sei. Außerdem hätten die Nachrichten über Wulff ein "Gesamtbild" gezeichnet, das nahelegte, dass dieser Mann den Anforderungen des hohen Amtes nicht gerecht werde. Als Ende der 90er-Jahre der damalige niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Glogowski über eine Urlaubsaffäre stürzte und zurücktreten musste, sei es Christian Wulff gewesen, der daraufhin einen Untersuchungsausschuss durchgesetzt habe und am Ende Glogowski einen Teil seiner Altersbezüge streichen wollte, so Diekmann.
Dohnanyi gibt indes zu bedenken, dass Wulffs Bank festgestellt habe, dass die Vergabe des Kredits normalen Verhältnissen entsprochen habe. Besonders die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) habe auf "unanständige Weise eine Kampagne gegen Wulff gefahren". Über die Stellungnahme der Bank sei aber nur "auf einer hinteren Seite ganz klein" berichtet, moniert Dohnanyi.
Kai Diekmann stimmt dem Politiker zu, "dass es in der Causa Wulff im deutschen Blätterwald – und nicht nur dort – Übertreibungen und auch Entgleisungen gegeben" habe. "Ich habe nicht verstanden, dass ausgerechnet in der sogenannten Qualitätspresse über das angeblich wilde Vorleben der Präsidentengattin spekuliert worden ist." In seiner Zeitung sei von den Gerüchten nichts zu lesen gewesen. "Dafür aber nicht nur in der ‚FAZ‘, sondern leider auch in der ‚Welt‘." (pro)
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