Laut der Vereinbarung aus dem Jahr 2000 soll bis 2015 die Zahl der Armen
und Hungernden im Vergleich zu 1990 halbiert, allen Kindern ein
Grundschulbesuch ermöglicht werden und Frauen und Männer weltweit die
gleichen Rechte haben. Eine ausreichende Gesundheitsversorgung, die
Reduzierung der Müttersterblichkeit bei Geburten, ein umweltfreundliches
Wirtschaftswachstum und eine echte Partnerschaft zwischen armen und
reichen Staaten sind die weiteren zentralen Bestandteile der
Vereinbarung.
Wie "Spiegel online" berichtet, könne die UN bei der Umsetzung durchaus Erfolge vorweisen. Der Anteil der Menschen, die unter extremer Armut litten und von weniger als 1,25 Dollar pro Tag lebten, sei nach Angaben der Welthungerhilfe zwischen 1990 und 2005 von 46 auf 27 Prozent gesunken. Weil rund 84 Prozent aller Menschen mittlerweile Zugang zu sauberem Trinkwasser besäßen, hätten die Ziele schon jetzt mehr bewirkt als die "Spendenprogramme der achtziger Jahre" und "die neoliberalen Strukturanpassungsprogramme der Neunziger", durch die Entwicklungsländer Großkredite gegen Souveränitätsrechte tauschten. Weil immer noch rund eine Milliarde Menschen in extremer Armut lebten und jedes vierte Kind unter fünf Jahren laut UNICEF an Untergewicht leide, sei das Ganze keine Erfolgsstory.
Moralischer und politischer Druck für die Entscheidungsträger
Auch wenn die Ziele bis 2015 vermutlich nicht erreicht werden könnten, sei der Millenniumsgipfel wichtig, um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf das "Elend der Armen und die Defizite in der Entwicklungspolitik zu lenken", kommentiert Judith Raupp auf der Online-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung. Dies erhöhe den moralischen und politischen Druck auf die Entscheidungsträger. "Die Millenniumsziele erfüllen einen Zweck: Sie geben einen relativ konkreten Rahmen vor, an dem sich die Mächtigen der Welt messen lassen müssen", betont Raupp.
Die Crux dabei sei, dass die Vertreter der armen Länder lamentierten, weil die Kollegen aus dem reichen Teil der Welt weniger Entwicklungshilfe bezahlten, als sie versprochen hätten. Demgegenüber schimpften die Geldgeber aus dem Norden über Korruption und Inkompetenz in den armen Staaten, die einer effizienten Hilfe im Weg stehen. Für eine positive Entwicklung sei unabdingbar, dass die reichen Staaten trotz Sparzwang ihre finanziellen Zusagen hielten.
Investition in eine sichere Welt
"Entwicklungshilfe ist eine Investition in eine sichere Welt", zitiert "Spiegel online" den ehemaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan. Laut "Financial Times Deutschland" forderten die Wirtschaftsexperten in erster Linie eine effizientere Verwendung der Entwicklungshilfe. Ein Viertel der weltweiten Finanzmittel bleibe in den Apparaten hängen. Wirkliche Antworten auf dieses Problem würden von dem Spitzentreffen aber nicht erwartet. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die selbst nach New York gereist ist, forderte mehr Effizienz und "Hilfe zur Selbsthilfe" statt einen Ausbau der "Hilfsindustrie".
Wie die "Berliner Morgenpost" schreibt, fordert die Welthungerhilfe einen Aktionsplan der Vereinten Nationen. Dieser solle sicherstellen, "dass die Industrieländer ihre Zusagen finanzieller Art einhalten". Die Festlegung der Millenniumsziele sei ein guter Schritt gewesen, sagte Bärbel Diekmann, Präsidentin der Welthungerhilfe, gegenüber dem "Bayerischen Rundfunk". Erstmals könne man "wirklich auch Erfolge und Misserfolge messen". Diekmann verlangte, "auch konkret Einfluss auf die Regierungen in den betroffenen Ländern" zu nehmen. "Ganz oft leben Hungernde in Ländern, in denen es schlechte Regierungsführung und Bürgerkriege gibt, in denen innenpolitisch die Probleme nicht bewältigt werden", sagte sie.
"Micha-Initiative": Nachhaltigkeit gewährleisten
Als Reaktion auf den Gipfel führt die christliche "Micha-Initiative" am 10. Oktober 2010 weltweit Gottesdienste und Aktionen durch, um auch drei Wochen nach dem Gipfel an die Nachhaltigkeit der Ziele und die großen Versprechungen von damals zu erinnern. Zu den prominentesten Unterstützern weltweit gehört der Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams. Neben vielen weltweiten dezentralen Gottesdiensten wird es am 10. Oktober in Sydney, Lusaka (Sambia), London und Guayaquil (Equador) zentrale öffentliche Veranstaltungen geben.
Auch in Deutschland gibt es vielfältige Angebote: In Bremen und Leipzig werden Diskussionsveranstaltungen mit Bundestagsabgeordneten angeboten, in Berlin ein Lobpreis- und Gebetsgottesdienst mit dem Themenschwerpunkt Gerechtigkeit und in Kassel und Fellbach Jugendkonferenzen, die sich mit diesem Thema beschäftigen. Das Musiktrio "stadtklangfluss" arbeitet als musikalischer Micha-Partner in Deutschland momentan an einem Lied, das den Skandal der hohen Kinder- und Müttersterblichkeit in vielen Teilen der Welt aufgreift. (pro)