Abtreibung via Webcam: Der Arzt verordnet Abtreibunspillen, ist aber nur per Videokonferenz zugeschaltet. Mediziner und Lebensschützer warnen vor den Folgen.
Webcam statt Wartezimmer? In entlegenen Gegenden der USA können Patienten per Videokonferenz mit Ärzten sprechen, wofür sie sonst weite Strecken zurücklegen müssten. Auch Abtreibungspillen werden so verabreicht
Per Liveschaltung über das Internet ist die Frau mit dem Arzt verbunden. Seine Patientin sieht er nur auf dem Bildschirm. Er drückt auf einen Knopf, dann öffnet sich für die Frau eine Schublade mit zwei Medikamenten. Das eine nimmt sie sofort, das andere 24 bis 48 Stunden später zu Hause. Wahrscheinlich sieht der Arzt die Frau nie wieder. Eine sogenannte Webcam-Abtreibung ist unkompliziert.
Nach Angaben von Planned Parenthood, einer US-amerikanischen Beratungsorganisation für Sexualmedizin und Familienplanung, haben seit Einführung der Methode 2008 im dünn besiedelten US-Bundesstaat Iowa 6.400 Frauen per Telemedizin abgetrieben. Frauen seien dankbar, durch die Einnahme des Medikamentes früher abtreiben zu können, ohne erst einen weit entfernten Arzt aufsuchen zu müssen, sagte Jennifer Aulwes, eine Sprecherin von Planned Parenthood, gegenüber dem amerikanischen Magazin The Atlantic. Der frühere Zeitpunkt erlaube es ihnen zudem, die medikamentöse Abtreibung zu wählen anstelle eines klinischen Eingriffs.
Ärztlicher Beirat gegen Webcam-Abtreibung
Die Webcam-Abtreibung ist heftig umstritten. Seit 2010 ist diese Form des Schwangerschaftsabbruchs in 18 US-Bundesstaaten verboten. Weitere Staaten könnten bald folgen. Mediziner und Lebensschützer warnen vor erheblichen Gesundheitsrisiken. Der Ärztliche Beirat in Iowa, der den Gesetzgeber in Gesundheitsfragen berät und kontrolliert, stoppte 2013 die von Planned Parenthood landesweit in neun Behandlungszentren angebotene Abtreibungsform unter Berufung auf den Schutz der Patienten.
Eine Frau muss sich zwar in der Beratungsstelle von einer Krankenschwester untersuchen und beraten lassen, bevor ihr der Arzt in der Videokonferenz die Abtreibungs-Medikamente freigibt. Der Ärztliche Beirat kritisierte aber das Fehlen einer ärztlichen Begutachtung sowie einer Nachuntersuchung nach erfolgter Abtreibung. Das Gremium erließ 2013 eine Verordnung, wonach ein Arzt physisch anwesend sein muss, wenn er einer Patientin die Abtreibungspillen verabreicht.
Planned Parenthood hatte daraufhin gegen die Verordnung geklagt und sich dabei auf die Verfassung Iowas berufen, nach der Abtreibung ein Grundrecht sei. Bis zum abschließenden Urteil des Verfassungsgerichtes von Iowa, das am Mittwoch mit den Anhörungen in dem Fall begann, darf die Webcam-Abtreibung in dem Staat vorerst weiter angewendet werden.
„Webcam-Abtreibungen sind unglaublich traumatisierend“
Die verwendeten Medikamente Mifepristone and Misoprostol seien jedoch keine „herkömmlichen rezeptpflichtigen Pharmazeutika“, verteidigte Iowas Generalstaatsanwalt Jeffrey Thompson laut der Tageszeitung The Christian Post die Begründung des Ärztlichen Beirats vor Gericht. Angesichts der 14 Todesfälle in den USA sowie tausender Frauen, die nach Einnahme der Abtreibungspillen im Krankenhaus behandelt werden mussten, sei das Gesundheitsrisiko bei der Webcam-Abtreibung deutlich höher als bei einem klinischen Eingriff. Lebensschützer warnen zudem vor den psychischen Folgen: „Webcam-Abtreibungen sind unglaublich traumatisierend für die Patientin, die zu Hause mit Blutungen und den Überresten eines toten menschlichen Wesens fertigwerden muss“, schreibt die Schriftstellerin Marisa Lengor Kwaning in einem Gastbeitrag für die Christian Post.
Die Zahl der Einrichtungen in Iowa, in denen Frauen eine Abtreibung vornehmen lassen können, sinkt nach Planned Parenthood-Angaben von neun auf drei, falls das Oberste Gericht das Verbot des Ärztlichen Beirats bestätigt. Viele Frauen könnten keine Abtreibung vornehmen lassen, gäbe es die Variante mit Webcam und Pille nicht, argumentieren die Abtreibungsbefürworter. Die Methode sei zudem wesentlich günstiger als eine klinische Abtreibung. Ein Recht auf Abtreibung wurde in den USA wiederholt letztinstanzlich bestätigt. Mit dem Verbot der Webcam-Abtreibung sollen Schwangerschaftsabbrüche nun erheblich erschwert werden, glauben die Befürworter.
Die rasante Weiterentwicklung der Informationstechnik in den vergangenen Jahren bot der Gesundheitsfürsorge vielfältige Möglichkeiten: Durch Telemedizin erhalten Menschen in abgelegenen Regionen Zugang zu medizinischer Grundversorgung, für die sie sonst weite Strecken zurücklegen müssten. Per Videoschaltung kann ein Arzt etwa eine Krankenschwester anleiten, die Hunderte Kilometer entfernt Geburtshilfe leistet. Einfache Beratungen, Befunderöffnungen oder Therapiesitzungen können mittels Videochat zeit- und kostensparend durchgeführt werden. Allein im US-Bundesstaat Alaska konnten durch die Einführung von Telemedizin nach Schätzungen des staatlichen Instituts für Sozial- und Wirtschaftsforschung jährlich 3.000 Arztreisen im Gesamtwert von drei Millionen Dollar eingespart werden. (pro)
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