Ulrich Parzany fragt: Macht Religion fanatisch?

Religion regiert die Schlagzeilen. Denn werden islamistische Terrorakte nicht auch im Namen Gottes verübt? Der frühere Generalsekretär des CVJM und Leiter der ProChrist-Bewegung Pfarrer Ulrich Parzany hat sich in seinem neuen Buch "Ein Gott für alle" grundlegend mit dem brisanten Thema Glaube, Gewalt und Fundamentalismus beschäftigt – es ist ein Plädoyer für einen eindeutigen Glauben an Jesus Christus und für die offene Begegnung mit Andersdenkenden.
Von PRO

Ulrich Parzany beleuchtet einen Trend unserer Gesellschaft. Spätestens nach dem 11. September 2001 wurde die Bezeichnung „Fundamentalisten“ zur Keule für alle, die religiöse Gewissheiten verkündeten. „Ich spüre heute in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung, dass man versucht, überzeugte Christen in die Fundamentalismus-Ecke zu schieben. Weil man Angst hat, dass sie letzten Endes doch wie islamische Fundamentalisten sind, die ihre Anliegen anderen mit Gewalt aufzwingen. Und das ist für unsere Gemeinschaft in der Gesellschaft eine so gefährliche Entwicklung. Da möchte ich gerne einen Beitrag liefern“, so Parzany.

Religion ist nach seiner Einschätzung zwar wieder Thema. Das bedeute aber nicht, dass die Kenntnis über religiöse Inhalte bei einer Mehrheit der Menschen gewachsen ist. So will Parzany mit seinem Buch auch aufklären und wendet sich gegen Unkenntnis und Oberflächlichkeit im Umgang mit Religion. Denn, so Parzany, Unkenntnis verursacht Unsicherheit. Und Unsicherheit schürt Ängste, die wiederum nicht selten in Aggression umschlagen. Menschen erliegen häufig dem Missverständnis, dass gleich klingende Wörter auch gleiche Inhalte transportierten. So verbinden viele, die das Wort „Gott“ in den Mund nehmen, sehr unterschiedliche, vielleicht sogar gegensätzliche Inhalte mit diesem Ausdruck. Hier besteht Erklärungsbedarf.

Die Sehnsucht nach Religiosität

„Auf der einen Seite haben Menschen eine große Sehnsucht nach Religiosität. Sie fragen nach dem Sinn, suchen nach Halt und Geborgenheit“, erklärt der Theologe. „Auf der anderen Seite besteht die Sorge, man könnte fanatisch werden. Denn so viel Religion ist in der öffentlichen Wahrnehmung mit Gewalt verbunden. Den Fragestellungen in diesem Spannungsfeld wollte ich in meinem Buch nachgehen: Gibt es Gewissheit über Gott? Ist die christliche Botschaft eine Kraft gegen den Fanatismus, den wir mit Recht fürchten müssen?“

Parzany spannt dafür einen weiten intellektuellen Bogen. Aktuelle und biblische Autoren, Philosophen und aktuelle Zeit-Porträts fließen in seine Abhandlung ein, die sich wie ein Grundsatzreferat liest. Es geht ihm um eine notwendige Wissensvermittlung. Parzany ruft nicht zum Glauben, sondern regt zum kritischen Denken an, ebenso zur persönlichen Auseinandersetzung mit anderen Religionen, wofür es auch biographische Gründe gibt. Für ein Jahr arbeitete Ulrich Parzany in Jerusalem am Internat des Gymnasiums der arabischen lutherischen Kirche von Jordanien. Kenntnis- und detailreich beleuchtet er so nicht nur biblische Quellen zum Christentum, sondern befasst sich auch ausführlich mit Aussagen des Korans zum „Propheten Jesus“, zur Gewalt und zum „Glauben an den einen Gott“. Drei Kapitel setzen sich auch differenziert mit dem Buddhismus und Hinduismus auseinander.

Stichwort Toleranz

Parzany entfaltet in „Ein Gott für alle“ zwei verschiedene Auffassungen von Toleranz. Einerseits unverbindliche Toleranz, die auf fehlender Überzeugung und Gewissheit beruht, und einen Toleranzbegriff, der von der Person Jesus Christus her gefüllt ist und die innere Kraft hat, zu leiden, zu dulden und sogar seine Feinde zu lieben. Diese Form von Toleranz bedeutet nicht nur Gewissheit und Geborgenheit in der Liebe Gottes, sondern diese Toleranz bewahrt vor Fanatismus und Lieblosigkeit. „Ich bin mit dem Philosophen Jürgen Habermas einer Meinung: Toleranz ist als politische Tugend nötig, wo zwei Positionen kompromisslos entgegen stehen. Das heißt, ich werde kritisch meinen Standpunkt weiter öffentlich vertreten, aber ich werde auch dafür kämpfen, dass eine gegensätzliche Position möglich ist und freiheitlich artikuliert werden kann“, so Parzany.

Christen sollen wie Christus werden

So wird in „Ein Gott für alle“ vor allem deutlich, was ein Christ nicht ist. Nämlich ein enger Fanatiker, der starr übergeordneten Dogmen gehorcht und diese wenn nötig auch mit Gewalt durchzusetzen versucht. Kein Christ kann sich auf Christus berufen, so Parzany, ohne „wie Jesus zu werden“. Deshalb tritt er auch nicht für einen Absolutheitsanspruch des Christentums ein. Das Christentum sei keine Religion zur Selbsterlösung des Menschen. Sondern in Jesus begegne den Menschen ein Gott für alle Menschen.

Dabei verhehlt er nicht, dass auch das Christentum immer wieder ein System der Selbstbehauptung und des Machtkampfes zwischen Menschen gewesen ist, in dem Gebrauch von Mitteln und Waffen der Gewalt und des Zwangs gemacht wurde. „Das hat der Glaubwürdigkeit des Evangeliums von Jesus Christus schwer geschadet.“ Aber Christen hätten zwei Aufgaben in dieser Welt, nämlich Salz der Erde und Licht der Welt zu sein. „Licht sind sie dadurch, dass sie das Licht der Welt, Jesus Christus, widerspiegeln und auf ihn hinweisen.“ Als Salz der Erde hätten Christen eine Verantwortung für Gottes geliebte Welt, auch für die Menschen, die sich dem Evangelium von Jesus Christus nicht öffnen. Das Buch will Nichtchristen und Christen zum Denken anregen. Und vor allem: zum Diskutieren.

„Ein Gott für alle“, 160 Seiten, erscheint am 02.10.2007 im Hänssler-Verlag. Das Buch kostet 9,95 Euro.

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