Der umstrittene Bildungsplan des baden-württembergischen Kultusministers Andreas Stoch (SPD) tritt zum neuen Schuljahr in Kraft. Nach Protesten gegen die geplanten Inhalte zum Thema sexuelle Vielfalt wurde der Entwurf überarbeitet. Gänzlich zufrieden sind die Gegner des neuen Bildungsplans trotzdem nicht.
Von PRO
Foto: Kultusministerium Baden-Württemberg
Baden-Württembergs Kultusminister Andreas Stoch gab den neuen Bildungsplan per Unterschrift frei
Der viel diskutierte Bildungsplan für Baden-Württemberg tritt ab dem neuen Schuljahr im Herbst in revidierter Fassung in Kraft. Als letzte Amtshandlung gab Baden-Württembergs scheidender SPD-Kultusminister Andreas Stoch den neuen Bildungsplan per Unterschrift frei. Seit der Veröffentlichung eines ersten Arbeitspapiers im November 2013 hatte es immer wieder Proteste gegen einzelne Inhalte gegeben.
Besonders das Vorhaben, die „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ zum Leitprinzip zu machen, stieß auf Widerspruch. Der Pädagoge Gabriel Stängle startete vor gut zwei Jahren eine Petition gegen den Entwurf, die innerhalb weniger Wochen rund 192.000 Menschen unterzeichneten. Protestbewegungen wie die „Demo für Alle“, die sich für die Erhaltung des klassischen Ehe- und Familienbildes einsetzt, demonstrierten dagegen. Daraufhin wurde der Entwurf immer wieder debattiert, bis dann am 4. April die endgültige Fassung etwas überraschend verabschiedet wurde. Darin ist nun von sechs Leitperspektiven die Rede. Die „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ wurde der allgemeineren zweiten Leitperspektive „Akzeptanz und Toleranz von Vielfalt“ eingegliedert.
„Sexuelle Vielfalt“ durch die Hintertür
Kritik erfährt diese entschärfte Fassung dennoch. Die Landesvorsitzende des Evangelischen Arbeitskreises (EAK) der CDU Baden-Württemberg und Landtagsabgeordnete Sabine Kurtz sagte gegenüber pro, es sei „schon viel erreicht“ und der ursprüngliche Bildungsplanentwurf „deutlich entschärft“ worden. Der Aktionsplan „Für Akzeptanz und gleiche Rechte“, der vom baden-württembergischen Sozialministerium in Kraft gesetzt wurde, bereitet ihr aber neuerliche Sorgen. Sie befürchte, dass mit dem Aktionsplan die ursprüngliche Überbetonung des Themas sexuelle Vielfalt durch die Hintertür wieder in den Bildungsplan eingeführt werden könnte. Er sieht nämlich eine Verankerung der geschlechtlichen Identität und sexuellen Orientierung als Teilaspekt besagter zweiter Leitperspektive vor.
Auch Petitionsinitiator Stängle äußerte sich gegenüber pro erleichtert und zugleich besorgt. Den enthaltenen klaren Bezug zur Landesverfassung und zum Beutelsbacher Konsens bezeichnete er als „erfreulich“. Der Beutelsbacher Konsens besagt, dass der Lehrer seinen Schülern seine Meinung nicht aufzwingen darf, dem Schülern die freie Meinungsbildung ermöglicht und der Schüler in die Lage versetzt werden muss, eine politische Situation und seine eigene Interessenlage zu analysieren. Jedoch eröffne der Bildungsplan 2016 unter der Leitperspektive „Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt“ Freiräume für „fragwürdige“ Konzepte, die es im Bildungsplan 2004 nicht gegeben habe, sagte Stängle.
Kritik an Verabschiedung während Koalitionsverhandlungen
Zudem sorgt die – für manche Beteiligte plötzliche – Verabschiedung des Bildungsplanes kurz vor dem Ende der Legislaturperiode für Kritik. Die „Demo für Alle“ warf Kultusminister Stoch vor, „seinen Bildungsplan mit aller Macht durchsetzen“ zu wollen, da er wahrscheinlich nicht an der nächsten Regierungsbildung beteiligt sein wird. In einer Mitteilung der „Demo für Alle“ wurde auch der CDU-Bildungsexperte Georg Wacker zitiert. Der sagte, es wäre eine „Geste des politischen Anstandes“ gewesen, hätte man mit der Einsetzung des Bildungsplans bis nach den aktuell laufenden Koalitionsverhandlungen gewartet.
Eine Sprecherin des Kultusministeriums wies gegenüber pro daraufhin, dass es eine gewisse Vorlaufzeit benötige, damit Schulen und Lehrer den neuen Bildungsplan übernehmen können. „Es wäre konstruiert, einen Zusammenhang mit dem Termin der Landtagswahlen herzustellen.“ Bei der Freigabe handele es sich um einen Verwaltungsvorgang, „der in der Zuständigkeit des Kultusministeriums liegt und der den Abschluss eines mehrjährigen Prozesses bildet, dessen Abläufe und Zeitpläne auch der CDU durch deren Einbindung in den Beirat der Bildungsplanreform bekannt waren“. Dieser Vorgang sei „unabhängig von Entscheidungen einer nachfolgenden Landesregierung zu sehen“. Außerdem sei ein Veröffentlichungstermin im März oder April dieses Jahres ausführlich kommuniziert worden. (pro)
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