Die Pfarrerin Petra Bahr diskutierte bei Günther Jauch über Sterbehilfe. Nach ihrem Auftritt am 19. Januar zum Thema „Mein Tod gehört mir“ erreichte sie eine Flut von mitunter pöbelhaften Beschwerden. In der Zeit-Beilage Christ und Welt wirbt sie nun dafür, religiöse Perspektiven als wertvoll anzuerkennen und nicht einfach abzutun.
In der Anonymität des Internets: die Pfarrerin Petra Bahr erhielt zahlreiche polemische Zuschriften
Viele Zuschauer verwehrten sich in den Zuschriften dagegen, dass sich die Kirche zum Thema Sterben überhaupt zu Wort meldet, schreibt Bahr. „Eine religiöse Perspektive auf das Ende des Lebens empfinden viele Menschen offenbar als unerträglich.“ Damit einher ginge nämlich die Botschaft, dass Anfang und Ende des Lebens dem Menschen entzogen seien. Als attraktive Alternative gelte hingegen das Ideal des heroischen, selbstbestimmten Todes.
Die E-Mails an Bahr transportierten größtenteils „Befindlichkeiten, sexuelle Fantasien und Empörung über die Farbe der Bluse und die Farbe der Aussage zu diesem Thema“. Die Anonymität des Internets ermögliche diese Entgleisungen. Das bedeute jedoch: „Wenn Drohungen und Verwünschungen den Ton angeben, ist eine ernsthafte Debatte nicht mehr möglich.“
Aus den zahlreichen Zuschriften spreche jedoch auch die Angst vor der Einsamkeit im Sterben, erklärt Bahr. Viele ängstigten sich auch vor dem „Dahinvegetieren auf dem Krankenhausflur“. Die Kenntnisse über das Vermögen der Hochleistungsmedizin gepaart mit Meldungen zum Altern der Gesellschaft sowie zu der erhöhten Zahl der Demenzerkrankungen bahnten diesen Ängsten den Weg.
Plädoyer für religiöse Perspektive
Die Pfarrerin wirbt in ihrem Beitrag dafür, auch die religiösen Argumente als wertvoll anzuerkennen. „Religiöse Perspektiven bereichern die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen.“ Denn das säkulare Ideal des selbstbestimmten Individuums habe auch Schwächen: „Ist diese Vorstellung des autonomen, geistig agilen und körperlich voll funktionsfähigen Menschen nicht ein Hohn auf alle, denen die eine oder die andere Leistung abhanden gekommen ist?“
Bahr weist darauf hin, dass die Themen Tod und Todessehnsucht keine Tabus in der Kirche seien. Sie gehörten zum „Sprechkanon von Christen“. Damit könne das Thema „anders thematisiert werden“. Außerdem gebe es innerhalb der Kirche nicht nur ablehnende Haltungen zur Sterbehilfe. Einige Stimmen „stellen die Frage, ob es nicht auch ein Akt der Gnade Gottes sein könne, wenn Menschen Menschen beim Sterbenkönnen helfen“.
Platzek: Kirchen haben Meinungshoheit
In einem Interview mit Christ und Welt erklärte Arik Platzek vom Humanistischen Verband Deutschland (HVD) Gründe für die teils harsche Streitkultur im Internet. Er sieht die Polemik als „neues Selbstbewusstsein, mehr Mut dazu, sich auszusprechen“. Ursache dafür seien etwa die Skandale in der katholischen Kirche. „Das ermutigt viele Menschen, ihren Unmut frei zu äußern.“ Von niveaulosen Beiträgen oder „bizarren Meinungsbekundungen“ habe sich der HVD aber immer distanziert.
Platzek, der für das HVD-Magazin Diesseits schreibt, beklagt außerdem die Meinungshoheit der Kirchen in der Gesellschaft. „Die Entscheidungsträger in Politik und Medien sind erheblich häufiger konfessionell gebunden als der Durchschnitt der Bevölkerung.“ Beim Thema Sterbehilfe gehe daher oft unter, dass Suizidbeihilfe straffrei sei. „Von dieser erlaubten Suizidhilfe muss natürlich die strafbare Tötung auf Verlangen unterschieden werden. In den Diskussionen verschwimmen die Unterschiede oft.“ (pro)
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.
Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.
Cookie-Zustimmung verwalten
Um dir ein optimales Erlebnis zu bieten, verwenden wir Technologien wie Cookies, um Geräteinformationen zu speichern und/oder darauf zuzugreifen. Wenn du diesen Technologien zustimmst, können wir Daten wie das Surfverhalten oder eindeutige IDs auf dieser Website verarbeiten. Wenn du deine Zustimmung nicht erteilst oder zurückziehst, können bestimmte Merkmale und Funktionen beeinträchtigt werden.
Funktional
Always active
Die technische Speicherung oder der Zugang ist unbedingt erforderlich für den rechtmäßigen Zweck, die Nutzung eines bestimmten Dienstes zu ermöglichen, der vom Teilnehmer oder Nutzer ausdrücklich gewünscht wird, oder für den alleinigen Zweck, die Übertragung einer Nachricht über ein elektronisches Kommunikationsnetz durchzuführen.
Vorlieben
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist für den rechtmäßigen Zweck der Speicherung von Präferenzen erforderlich, die nicht vom Abonnenten oder Benutzer angefordert wurden.
Statistiken
Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu statistischen Zwecken erfolgt.Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu anonymen statistischen Zwecken verwendet wird. Ohne eine Vorladung, die freiwillige Zustimmung deines Internetdienstanbieters oder zusätzliche Aufzeichnungen von Dritten können die zu diesem Zweck gespeicherten oder abgerufenen Informationen allein in der Regel nicht dazu verwendet werden, dich zu identifizieren.
Externe Inhalte / Marketing
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist erforderlich, um Nutzerprofile zu erstellen, um Werbung zu versenden oder um den Nutzer auf einer Website oder über mehrere Websites hinweg zu ähnlichen Marketingzwecken zu verfolgen.