Türkischem Künstler droht Haft

Wegen angeblich abfälliger Bemerkungen über den Islam drohen dem türkischen Pianisten und Komponisten Fazıl Say bis zu eineinhalb Jahren Haft. Er soll sich auf Twitter über die islamische Vorstellung vom Paradies lustig gemacht haben.
Von PRO

"Du sagst, durch die Bäche wird Wein fließen, ist das Paradies etwa eine Schänke? Ich werde jedem Gläubigen zwei Jungfrauen geben, sagst du, ist das Paradies etwa ein Freudenhaus?" schrieb Say laut den "Deutsch Türkischen Nachrichten" über den Kurznachrichtendienst Twitter. Daraufhin forderte die Istanbuler Staatsanwaltschaft in einer Anklageschrift eine Haftstrafe für den Künstler. Grundlage dafür sei Artikel 216 des Türkischen Strafgesetzbuches, welcher die "Verunglimpfung der religiösen Werte des Volkes" unter Strafe stellt. Wenn Say die Anklage annimmt, werde er vor Gericht gestellt, schreibt die türkische Tageszeitung "Hürriyet". Der 42-jährige Pianist ist laut Medienberichten Atheist.

"Ich habe das Recht, die Religion zu kritisieren"

Auch Nedim Gürsel, ein türkischer Schriftsteller, ist bereits aufgrund angeblicher islamfeindlicher Äußerungen unter anderem 2009 in Konflikt mit dem Gesetz gekommen. Der Autor des Romans "Allahs Töchter" wurde in seiner Heimat wegen Blasphemie verklagt. "Deutschlandradio Kultur" berichtet, dass er für den Roman in der Türkei wegen der Verletzung religiöser Gefühle angeklagt und erst nach einem Jahr freigesprochen wurde. Nachdem das Gericht festgestellt hatte, dass Gürsel keine Straftat gegangen habe, äußerte er sich gegenüber der Deutschen Presseagentur: "Ich bin überzeugt, dass ich die Religion nicht beleidigt habe. (…) Ich habe das Recht, die Religion zu kritisieren."

Sein Buch "Allahs Töchter" löste in der islamischen Welt Kontroversen aus. Es behandelt abwechselnd die Entstehung des monotheistischen Islams und der türkischen Republik. Als Grundlage für das Werk diente dem Autor die Sure der so genannten "satanischen Verse". In der 53. Sure kommen drei Mädchen namens Lat, Uzza und Manat vor. Diese drei Namen tragen auch Götzen, die  im polytheistischen, vor-islamischen Mekka als Göttinnen verehrt wurden. Gürsel bringt sie in "Allahs Töchter" mit sexuellen Handlungen in der Kaaba in Verbindung. Die Kaaba ist für Muslime das zentrale Heiligtum. Jährlich pilgern hunderttausende Muslime zu ihr ins saudi-arabische Mekka.

Bereits Ende der 1980er dienten dem indisch-britischen Autoren Salam Rushdie die "satanischen Verse" als Grundlage für sein gleichnamiges Werk. Das Buch "Die Satanischen Verse" erschien 1988 in englischer Sprache und sorgte in der islamischen Welt für Aufsehen. Unter anderem kritisierten traditionelle Moslems, dass in dem Roman mehrere Prostituierte die Namen von Frauen des Religionsstifters Mohammed tragen. Ayatollah Chomeini rief ein Jahr nach Erscheinen des Buches alle Moslems zum Mord an dem Autor auf, später distanzierte sich der Iran von diesem Appell. (pro)

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