Türkei: Wulff fordert Religionsfreiheit

Bundespräsident Christian Wulff hat mehr Religionsfreiheit für Christen in der Türkei gefordert. Am Dienstag sprach er als erstes deutsches Staatsoberhaupt vor dem Parlament in Ankara und erklärte: "Das Christentum gehört zweifelsfrei zur Türkei".
Von PRO

Wulff forderte die islamischen Länder dazu auf, einheimischen Christen die Ausübung ihres Glaubens zu ermöglichen. Muslime könnten in Deutschland ihren Glauben praktizieren, sagte Wulff am Dienstag in Ankara. Deutschland erwarte seinerseits, dass Christen in islamischen Ländern ihren Glauben öffentlich leben, theologischen Nachwuchs ausbilden und Kirchen bauen dürften. In der Türkei habe auch das Christentum eine lange Tradition.

Wulff rief die Türkei dazu auf, ihren Weg nach Europa fortzusetzen. Deutschland sei an einer Anbindung der Türkei an die Europäische Union besonders interessiert. Eine im Westen verankerte Türkei, die eine stabilitätsorientierte Nachbarschaftspolitik im Osten betreibe, sei "als Brücke zwischen Okzident und Orient ein Gewinn für Europa", sagte Wulff. Er versicherte, die EU-Beitrittsverhandlungen würden "in einer fairen und ergebnisoffenen Weise" geführt. Allerdings müsse auch die Führung in Ankara die eingegangenen Verpflichtungen erfüllen.

Der Bundespräsident unterstrich zudem das Existenzrecht Israels. Die Sicherheit des Staates Israel sei vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte "nicht verhandelbar", sagte Wulff. Langfristig sei diese Sicherheit nur durch die Schaffung eines demokratischen und lebensfähigen palästinensischen Staates zu gewährleisten. Deshalb setze Deutschland seine Hoffnungen auf einen Erfolg der laufenden Friedensgespräche. Wulff kritisierte das Atomprogramm des Iran. Deutschland habe weiterhin Zweifel an dessen ausschließlich friedlichem Charakter. Deutschland teile die Sorge der Türkei, dass es zu einem nuklearen Wettlauf im Nahen und Mittleren Osten komme, wenn nicht gegengesteuert werde. Zugleich verteidigte Wulff die vom UN-Sicherheitsrat verhängten verschärften Sanktionen gegen den Iran, falls Teheran die Forderungen der internationalen Gemeinschaft nicht erfülle.

Hitzige Debatte im Nacken

Unter dem Eindruck der hitzigen Zuwanderungsdebatte in Deutschland war Wulff am Montag zu einem fünftägigen Staatsbesuch in die Türkei gereist. Er hatte am Tag der Einheit gesagt, der Islam sei inzwischen Teil der deutschen Lebenswirklichkeit. Er erntete damit großes Lob von der türkischen Führung und Kritik aus Teilen der Union. Der Bundespräsident reist in Begleitung seiner Frau Bettina und einer 15-köpfigen Wirtschaftsdelegation. Türkische Zeitungen versprechen sich von dem Besuch frischen Wind für eine Vertiefung der deutsch-türkischen Beziehungen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sei dazu nicht in der Lage, weil sie Rücksicht auf die Machtverhältnisse in ihrer Partei nehmen müsse, schrieb die regierungsnahe türkische Zeitung "Zaman" am Montag.

Grünen-Chef Cem Özdemir hatte Wulff am Montag im "Hamburger Abendblatt" aufgefordert, sich bei seinem Staatsbesuch von "Rechtspopulisten" wie CSU-Chef Horst Seehofer zu distanzieren. Seehofer hatte einen faktischen Zuwanderungsstopp für Türken und Araber verlangt. Der SPD-Integrationsexperte Rüdiger Veit sagte: "Angesichts der unverständlichen Äußerungen von Horst Seehofer sollte Wulff den Türken sagen, dass sie hier in Deutschland willkommen sind." Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning (FDP), ermunterte die Türkei zu weiteren Reformen. "Der Weg Richtung Europa ist ein Weg Richtung Menschenrechte", sagte Löning der Nachrichtenagentur dpa. Vor allem bei der Gleichstellung aller Religionen sieht Löning noch Defizite.

Vor seiner Abreise bezeichnete Wulff den Auftritt vor dem Parlament in Ankara "als eine Ehre und als ein Zeichen für die besonders freundschaftlichen Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland". Am Donnerstag ist ein ökumenischer Gottesdienst in der Paulus-Kirche von Tarsus geplant. In Istanbul wird Wulff an der Grundsteinlegung für die erste Deutsch-Türkische Universität teilnehmen. (pro/dpa)

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