Türkei: Situation für Christen verschlimmert sich

T r a b z o n (PRO) - "Der Grundwasserspiegel antichristlicher Stimmung ist gestiegen", sagte der deutsche Jesuit Felix Körner gegenüber dem Magazin "Der Spiegel", das in seiner aktuellen Ausgabe über die Lage der Christen in der Türkei berichtet. In dem islamisch geprägten Land gibt es nur noch wenige Christen - etwa ein Prozent. Nach dem Mord an einem katholischen Priester Anfang Februar in Trabzon bleiben die Christen lieber unauffällig, aus Angst vor Gewalt und Übergriffen.
Von PRO

Die Türkei ersucht die Aufnahme in die EU. Doch ob sie sich für Europa eignet, wird an dem Status gemessen, den Christen in dem Land inne haben. Deshalb kam der türkischen Regierung der Mord an dem katholischen Priester Andrea Santoro in der Provinzhauptstadt Trabzon an der Schwarzmeerküste ungelegen. Nicht nur die Tourismusbranche möchte mit den zahlreichen Klöstern und Kirchen, die es in der alten Handelsstadt Trabzon zu besichtigen gibt, im positiven Sinne auf sich aufmerksam machen. Die meisten von ihnen wurden allerdings in Moscheen umgewandelt. Auch die Regierung in Ankara versucht sich ins rechte Licht zu rücken. Sie möchte die Türkei als tolerant und weltoffen präsentieren, heißt es im „Spiegel“. „Die Schüsse zielten nicht nur auf Santoro, sondern auch auf die Atmosphäre der Stabilität, die die Türkei genießt“, so der türkische Innenminister Abdülkadir Aksu. Außenminister Abdullah Gül sieht den Mord an dem katholischen Priester als einen „isolierten Einzelfall“. Doch so selten sind diese Einzelfälle nicht.

Christen sind nicht mehr sicher

In der Mittelmeerstadt Mersin griff ein junger Mann in einem katholischen Kloster einen Mönch und einen Priester mit einem Kebab-Messer an. „Wir sind hier nicht mehr sicher“, klagte der Apostolische Vikar für Anatolien, Luigi Padovese. Die Gemeinde von Mersin sei bisher eine der ruhigsten gewesen. Doch nun reise der Bischof nur noch mit Leibwächtern.

Auch in Izmir kam es zu einem Übergriff auf einen katholischen Priester. Nationalistische Jugendliche drohten ihm: „Wir bringen dich um! Allahu akbar! (Allah ist größer.)“ Seitdem ist die Kirche in Izmir und in anderen Orten von Polizisten umstellt.

Angst vor „modernen Kreuzzügen“

In der Türkei dürfen Christen zwar ihren Glauben praktizieren, doch sind die Kirchen praktisch oft rechtlos und haben meist keinen Anspruch auf ihren Besitz. „Wir sind da, aber juristisch existieren wir nicht“, so Bischof Padovese. Der deutsche Jesuit Felix Körner, der vom Vatikan für den christlich-islamischen Dialog nach Ankara gesandt wurde, sagte, das Gesuch der Türkei, in die EU aufgenommen zu werden, bewirke nationalistische Gegenreaktionen. Sogar in „gebildeten Kreisen“ hieße es, die „Einheit der Türkei und die nationale Souveränität“ seien „in Gefahr“. Die staatliche Religionsbehörde hatte im vergangenen Jahr eine Predigt gegen Missionare verteilt, die sich gegen „moderne Kreuzzüge“ richtet. Diese hätten ja nur das Ziel, den „jungen Leuten den islamischen Glauben zu stehlen“.

Glaubenszeichen nicht offen tragen

In Trabzon gibt es unter 250.000 Moslems nicht einmal mehr ein Dutzend Christen. Damit ihre Kirche wenigstens zwei- bis dreimal pro Woche geöffnet ist, kommen nun zwei Laienhelfer und ein polnischer Aushilfspfarrer in die Stadt. Ein Nachfolger für den ermordeten Pater hat sich bisher noch nicht gefunden. Der 75-jährige Pater Pierre Brunissen schaut zudem einmal im Monat nach dem Rechten, und legt dafür eine 250 Kilometer lange Strecke mit dem Bus von Samsun nach Trabzon hinter sich. Seiner Gemeinde in Samsun rät der Geistliche, keine Glaubenszeichen offen zu tragen, kein Kreuz über der Bluse oder dem Hemd.

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