Der türkische Premierminister Recep Tayyip Erdogan hat nach Twitter auch den Video-Kanal YouTube für die Bevölkerung in der Türkei abschalten lassen - als „Vorsichtsmaßnahme“. Für die deutsche Bundesregierung ist dieses Vorgehen überzogen, für Europa sei es nicht zu tolerieren, heißt es aus Brüssel.
Stößt in Deutschland für seine YouTube-Sperre auf Kritik: der türkische Premierminister Erdogan
Nachdem Behörden in Ankara in der vergangenen Woche den Zugang zum Kurznachrichtendienst Twitter gesperrt haben, können türkische Nutzer seit gestern auch nicht mehr auf die Video-Plattform YouTube zugreifen. Grund dafür ist die Veröffentlichung von Aufnahmen eines Gesprächs zwischen Regierungsvertretern, die über einen potenziellen Militäreinsatz in Syrien diskutierten.
Die Zugangssperre sei lediglich eine Vorsichtsmaßnahme, heißt es aus Regierungskreisen. Mobilfunkanbieter und Internetprovider in der Türkei seien bereits darüber informiert, entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Das berichtet die türkische Zeitung Hürriyet. Erdogan steht angesichts der Kommunalwahlen in zwei Wochen unter Druck. Regierungsgegner hatten in den vergangenen Wochen Videos und Mitschnitte im Internet verbreitet, in denen die türkische Führungsriege unter Erdogan als korrupt dargestellt wurde.
Eine namentlich nicht genannte Quelle gab an, dass es sich bei dem Syrien-Gespräch um eine Angelegenheit der „nationalen Sicherheit“ handle. Die Regierung sei derzeit im Gespräch mit YouTube und wollte die Blockade aufhaben, sobald das Video von der Plattform entfernt worden sei.
Sorge um Christen in der Türkei
„Aus europäischer Sicht sind die Sperren nicht tolerierbar. Sie widersprechen absolut den europäischen Grundregeln“, sagte Martin Kastler, sozialpolitischer Sprecher der CSU im Europaparlament in Brüssel gegenüber pro. „Erdogan beweist damit, dass sich die Türkei unter seiner Führung noch weit weniger auf Europakurs befindet als vorher.“
Kastler, der auch ehrenamtliches Mitglied des Zentralkomitees der Katholiken ist und sich gegen Christenverfolgung einsetzt, empfindet die Entwicklung aus einem weiteren Grund bedenklich: „Ich sorge mich nochmal mehr um die Christen in der Türkei. Sie sind schon heute nicht gleichberechtigt – was mag Erdogans Kurs dann für ihre Zukunft bedeuten?“
„YouTube ist Medium der Kommunikation“
Die deutsche Bundesregierung kritisierte die Vorgehensweise der türkischen Führung ebenfalls. Die verhängte Sperre der Onlineplattform sei überzogen. Millionen Nutzer dafür zu strafen, dass in einem einzigen Fall etwas Ungesetzliches geschehen sein könnte, sei eine unangemessen Reaktion, sagt der Sprecher des Außenministeriums, Martin Schäfer. „YouTube ist ein Medium der Kommunikation, kein Inhalt per se.“
Ähnlich sieht es Christine Wirtz, die stellvertretende Regierungssprecherin in Berlin. Meinungsfreiheit sei ein hohes Gut, erklärte sie. Dies werde in Gesprächen mit anderen Staaten auch immer wieder betont. (pro)
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