Kretschmann appellierte bei einer Rede am Montag in Ankara an die türkische Regierung, mit der Wiedereröffnung des orthodoxen Priesterseminars in Halki ein Signal für Religionsfreiheit zu setzen. Diese forderte er auch für Juden und andere religiöse Minderheiten. Die EU müsse einen Schritt auf die Türkei zugehen und die "festgefahrenen Verhandlungen" wiederbeleben. Die Türkei brauche eine klare Beitrittsperspektive. "Wenn wir sie in Europa nicht integrieren, werden sie sich woandershin orientieren. Das kann in keinem Fall in unserem Interesse sein", teilte er bereits im Vorfeld seiner Reise mit. Einen Automatismus könne es aber angesichts der Defizite bei den Menschenrechten nicht geben, zitiert ihn die "Deutsche Presse-Agentur" (dpa).
Er sehe mit Sorge Defizite in der Justiz, bei der Wahrung der Presse- und Meinungsfreiheit und der Einhaltung der Rechte der kurdischen Minderheit. Der Katholik erinnerte daran, dass die Christen in der Türkei nur sehr eingeschränkt ihren Glauben leben könnten. So dürften christliche Gemeinden praktisch keine Kirchen errichten und sich kaum in Privathäusern zum Gottesdienst treffen. Viele Geistliche fühlten sich bedroht.
Kretschmann rief die Deutschen dazu auf, den Bau von Moscheen zu akzeptieren und eine "Willkommenskultur" für Migranten zu entwickeln. Es gebe Türken, die sich wegen besserer Möglichkeiten im Herkunftsland von Deutschland wieder abwendeten. Muslime seien nicht nur Gäste in Deutschland, sondern ein gleichberechtigter Teil der Bürgergesellschaft. "Lassen Sie uns der Intoleranz entgegentreten, indem wir die Rechte und die Anerkennung der jeweiligen Minderheit aus voller Überzeugung vertreten."
Kretschmann war am Sonntag in die Türkei gereist. Dort traf er unter anderem den Staatspräsidenten Abdullah Gül, Größen aus der Wirtschaft und den Ökumenischen Patriarchen. (pro)