Türkei: Journalisten-Mörder verurteilt

Der Mörder des christlich-armenischen Journalisten Hrant Dink ist zu knapp 23 Jahren Haft verurteilt worden. Vor vier Jahren wurde Dink vor dem Redaktionsgebäude in Istanbul von einem Nationalisten erschossen. Zuletzte hatte der Europäische Gerichtshof der türkischen Regierung sogar eine Mitschuld am Tod des Armeniers gegeben.

Von PRO

Ögun Samast wird das Gefängnis erst wieder verlassen, wenn er über 30 ist. Das hat ein Gericht in Istanbul am Montag entschieden. Wie "Spiegel Online" berichtet, ist der heute 21-Jährige zu 22 Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt worden. Weil für ihn das Jugendstrafrecht gilt, muss er rund zwei Drittel seiner Strafe absitzen, viereinhalb Jahre verbrachte er bereits im Gefängnis. Samast wurde auch des unerlaubten Waffenbesitzes für schuldig befunden. Der Prozess gegen seine mutmaßlichen Helfer, unter denen auch ein ehemaliger Polizeispitzel ist, läuft noch.

Samast hatte Dink am 19. Januar 2007 vor dem Redaktionsgebäude seiner armenischen Wochezeitung "Agos" in Istanbul erschossen. Kurz darauf gestand er die Tat. In seinem Schlusswort vor Gericht erklärte er am Montag, die türkischen Medien hätten ihn zu dem Verbrechen verleitet. Sein Bild von Dink als Staatsfeind sei auch durch sie geprägt worden. Große Zeitungen hätten den damals 52-Jährigen als Verräter bezeichnet, weil er über den "Völkermord" an den Armeniern geschrieben habe. Ein türkisches Gericht hatte Dink ein halbes Jahr vor dem Mord wegen "Beleidigung des Türkentums" verurteilt. Bis zu seiner Ermordung hatte Dink wiederholt Drohungen erhalten.

Noch im vergangenen Jahr hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte der türkischen Regierung eine Mitschuld am Tod Dinks gegeben. Der Staat habe bei seiner Aufgabe, das Leben und die Freiheit des Journalisten zu schützen, versagt, teilte der Gerichtshof damals mit. So sei der türkische Sicherheitsdienst über mögliche Mordpläne informiert gewesen, jedoch untätig geblieben. Damals wurde die türkische Regierung dazu verurteilt, 100.000 Euro Schmerzensgeld an die Witwe des Journalisten und 5.000 Euro an dessen Bruder zu zahlen.

Verbindungen zu Malatya

Walter Flick, Referent der "Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte", sieht eine Verbindung zwischen dem Mord an Hrant Dink und dem Verbrechen, das Nationalisten 2007 an drei Mitarbeitern des christlichen Zirve-Verlages in Malatya begangen haben. Die Christen wurden in den Büroräumen hingerichtet. Kritische Journalisten wie Dink oder Missionare würden in der Türkei systematisch in die Ecke gedrängt, erklärt Flick auf Anfrage von pro. TV-Serien oder andere öffentliche Medien stellten sie als Feinde der Türkei dar. Die Verurteilung Samasts im Dink-Fall "kann nur ein Anfang sein", findet der Experte für Religionsfreiheit. Dass ein damals 17-Jähriger eine solche Tat alleine verübt haben soll, hält er für unwahrscheinlich. Auch im Malatya-Prozess zeige sich nach und nach, dass hinter den Verbrechen ein breites Netzwerk von Nationalisten stehe, dessen Arm bis in staatliche Behörden reiche.

So erklärt sich Flick auch die lange Zeit, die zwischen der Verhaftung und der Verurteilung des Dink-Mörders liege. "Es gibt Kräfte, die die Aufdeckung dieser Tat verhindern wollen", sagt er. Als Flick vor zwei Jahren die Redaktion der Zeitung "Agos" besuchte, waren die Redakteure in Angst. Zu dieser Zeit wurden sie bedroht, weil sie Artikel Hrant Dinks nachgedruckt hatten. (pro)

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