„Der Papst und der verdammte Sex“ titelt das Magazin Der Spiegel in dieser Woche und präsentiert erste Ergebnisse der Umfrage aus Rom. Der Vatikan hatte Ende Oktober 39 Fragen an die Deutsche Bischofskonferenz und deren Schwesterorganisationen weltweit geschickt. Er will damit herausfinden, wie die Sexualmoral der Kirche umgesetzt wird und wie es um das Familienbild unter den Gläubigen gestellt ist. Viele Tausend Katholiken aus 27 Diözesen füllten die Fragebögen aus. Am Montag trafen sich die deutschen Bischöfe zu einer zweitägigen Konferenz in Würzburg. Bis Freitag sollen die Erkenntnisse in Rom vorliegen, und im Oktober wird Papst Franziskus in Rom mit Bischöfen aus aller Welt auf einer Synode darüber beraten. Der Spiegel kommentiert: „Damit kommen dort die Gläubigen in einer Vielzahl zu Wort wie wohl nie zuvor in 2000 Jahren Kirchengeschichte.“ Bislang habe sich die Kurie vorzugsweise bei den Bischöfen über die Stimmung an der Basis informiert.
Das Magazin erbat seinerseits bei den Bistümern und katholischen Organisationen Stellungnahmen. Schon jetzt ließe sich konstatieren, dass das Ergebnis „niederschmetternd“ für die Hüter der reinen Lehre sei. Viele Gläubige könnten die alten Dogmen nicht mehr nachvollziehen. „Sogar im konservativen Bayern können 86 Prozent der Gläubigen keine Sünde darin erkennen, die von der Kirche verdammte Pille oder die gleichfalls verdammten Kondome zu benutzen.“
Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) befragte seine Mitglieder und bekam online 10.000 Antworten. Ein Fazit des BDKJ lautet: „Die kirchliche Sexualmoral spielt für neun von zehn katholischen Jugendlichen keine Rolle. Sex vor der Ehe und Verhütung gehören zu ihrem Beziehungsleben selbstverständlich dazu.“ Der Spiegel fügt hinzu: „Und so gut wie niemand hat ein schlechtes Gewissen dabei.“ Während für die Generation der Großeltern vorehelicher Geschlechtsverkehr noch Sünde gewesen sei, hätten 96 Prozent der BDKJ-Mitglieder kein Problem damit.
Ähnliches hört man aus den Bistümern. Als erstes Bistum hatte das Erzbistum Köln Ergebnisse der Umfrage präsentiert. Bereits im Dezember 2013 teilten die Geistlichen mit: „Eine starke Differenz zwischen kirchlicher Lehre und dem Leben der Katholiken wird deutlich.“ Auch beim Thema Keuschheitsgebot für Geistliche gehen die Meinungen an der Basis und die im Vatikan auseinander. Im Erzbistum Bamberg etwa fordern die Kirchenleute nicht nur ein Umdenken bei wieder verheirateten Geschiedenen, sondern auch beim Pflichtzölibat.
Ergebnisse „ungeschminkt und ungeschönt“ veröffentlichen
Dabei haben sich die strengen Regeln des Papstes in diesen Angelegenheiten auch mit dem aktuellen Amtsinhaber Franziskus bislang nicht geändert. Die Pillen-Enzyklika von Papst Paul VI. aus dem Jahr 1968 etwa verbietet Katholiken eindeutig den Gebrauch von Verhütungsmitteln. Und im katholischen Katechismus heißt es: „Unzucht ist die körperliche Vereinigung zwischen einem Mann und einer Frau, die nicht miteinander verheiratet sind.“ Ebenso ist demnach des Weiteren Masturbation „eine schwere ordnungswidrige Handlung“, und Homosexualität „in keinem Fall zu billigen“.
Ein weiteres Streitthema, bei dem deutliche Diskrepanz zwischen Rom und den Gläubigen hervortritt, ist Homosexualität. Viele Christen könnten die Haltung der katholischen Kirche in dieser Sache nicht nachvollziehen, erklärten die Mitarbeiter des Kölner Kardinals Joachim Meisner nach Auswertung der Umfrageergebnisse. Im Bericht heißt es entsprechend: „Viele haben sich schon von der Kirche abgewandt.“
Die Basisbewegung „Wir sind Kirche“ teilte derweil mit: „Wir fordern die Bischöfe auf, die Ergebnisse der Umfragen ungeschminkt und ungeschönt nach Rom zu geben, aber auch in Deutschland zu veröffentlichen – so schwer es den Bischöfen auch fallen mag. So schwer es den deutschen Bischöfen fallen mag, jetzt ist ehrliche und absolute Transparenz im Umgang mit den Ergebnissen der Umfrage erforderlich.“ (pro)