Trisomie-Tests gefährden Leben bemerkenswerter Menschen
Derzeit berät das Gesundheitswesen darüber, ob die Krankenkasse künftig die Prüfung auf Trisomien bei Ungeborenen zahlt. Kritiker befürchten dadurch mehr Abtreibungen. Unser Kommentator findet diesen Schritt nicht nur aus ethischer Perspektive bedenklich. Durch eine solche Selektion steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ihm die bemerkenswertesten Interviewpartner verloren gehen. Ein Kommentar von Johannes Weil
Von PRO
Foto: Neufeld Verlag
Durch die Pränataldiagnostik brechen immer mehr werdende Eltern die Schwangerschaft ab
Gemeinsam mit meinem Redaktionskollegen bin ich auf dem Rückweg von einem Termin in Pinneberg nach Wetzlar. Dort haben wir Bernd Hock interviewt. Er ist Therapeut und Unterhaltungskünstler. Seit seiner Geburt hat der Christ verkürzte Arme. Sie sind verkrümmt und nicht vollständig ausgebildet. An jeder Hand hat er nur drei Finger. Hock hat einen Gendefekt.
Wir haben ihn für das Christlichen Medienmagazin pro porträtiert. Stark beeindruckt hat mich sein Lebensmut und sein unkomplizierter Umgang mit der Behinderung. Im Gespräch mit ihm und seiner nicht-behinderten Frau Kerstin ist mir ein Satz besonders hängen geblieben: „Menschen wie ich haben heute nur noch eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit, geboren zu werden“, sagt er. Dieser Satz hinterlässt bei mir Spuren. Hock redet nicht wider den medizinischen Fortschritt. Aber er vermisst in der Medizin häufig die psychologische Kompetenz, die Behinderung zukünftiger Kinder angst- und wertfrei zu vermitteln.
Drei Wochen später lese ich im Ticker der Deutschen Presse-Agentur, dass ein Trisomie-Test bei ungeborenen Kindern bald eine mögliche Leistung der Krankenkassen werden könnte. Kritiker dieser Idee melden sich zu Wort. Sie befürchten mehr Abtreibungen. Und bei mir schwirrt der Satz von Bernd Hock im Kopf. Die zuständigen Gremien wollen prüfen, ob der Test, der zwischen 500 und 900 Euro kosten soll, von den Krankenkassen als Leistung bezahlt wird. Ich frage mich: Was darf Medizin und was nicht? Wie weit gehen die Selbstbestimmung der Schwangeren und das Recht auf Leben des ungeborenen Kindes?
Akzeptanz von Menschen in all ihrer Unterschiedlichkeit in Gefahr
Der Stuttgarter Bischof Gebhard Fürst ist skeptisch. Er findet, dass „die Selektion menschlichen Lebens nach genetischen Kriterien gegen die unbedingte Pflicht, die Würde des Menschen zu achten, verstößt“. Die Welt schreibt, dass „‚rund 90 Prozent der Trisomie-Verdachtsfälle zum Tod des Embryos“ führten. Die frühere Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) hält die Tests und die geplante Kostenübernahme für ethisch hoch problematisch, gefährden sie die „Akzeptanz von Menschen in all ihrer Unterschiedlichkeit“.
Das Verfahren wird die Öffentlichkeit sicher noch lange Zeit beschäftigen. Ich muss zugeben, dass ich noch nicht in der Haut eines Elternteils gesteckt habe, das sich um ungeborene Kinder Gedanken machen muss. Aber während ich diese Zeilen schreibe, sehe ich in Gedanken den kleinen Michael aus meinem Heimatdorf vor mir. Michael hat Trisomie 21. Jedes Mal, wenn ich ihn sehe, strahlt er eine große Fröhlichkeit aus und begegnet seinen Mitmenschen mit Empathie. Die Begegnungen mit ihm erden mich. Gott sei Dank.
Bernd Hock und seine Frau haben sich – nach eingehender Beratung – auch für Kinder entschieden. Beim zweiten Kind wussten sie, dass es ohne Arme zur Welt kommt: „Trotzdem wollten wir uns bewusst auf das Kind freuen“, sagen sie. Dieser Sohn, David, hat in diesem Jahr sein Abitur gemacht. Hock hat mir in dem Gespräch klar gemacht, dass ein Leben mit Behinderung nicht weniger Qualität hat als eines ohne: „Schließlich haben wir in irgendeiner Hinsicht alle unsere kurzen Arme und Einschränkungen.“
Drei Wochen später im Büro beschleicht mich eine gewisse Angst. Nicht nur vor dem, was sich mit einem möglichen Beschluss zur Krankenkassenleistung verändert, sondern auch davor, dass mir für meine Arbeit die interessantesten und bemerkenswertesten Interviewpartner ausgehen. Die Wahrscheinlichkeit dafür könnte jedenfalls leider bald steigen. (pro)
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