Treulose Tomaten: Werte in deutschen Soap Operas

Niedrige Produktionskosten, viel Werbung und Handlungen, die sich endlos weiterspinnen lassen: Daily Soap Operas (tägliche Seifenopern) sind für die Fernsehsender eine lukrative Einnahmequelle. Die Mischung aus Sex, Intrigen und der rastlosen Suche nach Glück lockt täglich Millionen – überwiegend weibliche – Zuschauer vor den Fernseher. Doch neben der reinen Unterhaltung suggerieren Soaps auch Werte – gute und schlechte. Welche Seifenopern sind empfehlenswert, welche nicht?
Von PRO

Der Haupthersteller von Soaps, Grundy UFA, dreht jeden Tag sendefähiges Material für mehrere tägliche TV-Serien – so sieht Fließbandproduktion im TV-Business aus. Soaps haben zwar in Deutschland ihren Zenit überschritten, allerdings sorgen noch immer mindestens vier Seifenopern  für ordentliche bis sehr gute Quote – und damit Gewinne. Die Vermittlung ethischer Werte bleibt dabei zugunsten hoher Einschaltquoten oft auf der Strecke.  Man könnte meinen, Fernsehsendungen seien generell wertneutral, weil sie ja nur erzählen und nichts vorschreiben. Dennoch ist ihr Einfluss nicht zu unterschätzen: Was im Fernsehen als Normalität dargestellt wird, empfindet man auch irgendwann als Normalität – egal, ob es sich um die Rollenbilder einer erzkonservativen schwäbischen Familie handelt oder um einen jungen Mann, der auf der Suche nach Zufriedenheit von Bett zu Bett hüpft. Dieser Effekt gilt vor allem für Heranwachsende, die einen großen Teil der Soap-Zuschauer ausmachen.

Gute Zeiten, Schlechte Zeiten (GZSZ)

GZSZ (Mo. bis Fr., 19.40 Uhr bis 20.15 Uhr) ist die erfolgreichste Soap im deutschen Fernsehen – und die älteste. Seit 1992 wird sie von Grundy UFA produziert. GZSZ ist für RTL mittlerweile eine Gelddruckmaschine, die hohe Einschaltquoten erreicht. In der werberelevanten Altersgruppe von 14 bis 49 Jahren erreicht die Serie laut dem Fernsehmagazin quotenmeter.de konstant deutlich über 20 Prozent Marktanteil.

Bei GZSZ dreht sich viel um Beziehungen: Wechselnde Partner, Trennungsschmerz und Intrigen sind die Regel. Seit Beginn der Sendung gibt es auch immer wieder gleichgeschlechtliche Partnerschaften, die jedoch durchweg scheitern. Vorübergehend gibt es (halbwegs) intakte Familien. Deutlich häufiger sind jedoch eher kurzlebige Beziehungen und Ehen. Ausgedehnte und deutliche Sexszenen sind trotz der Platzierung im Vorabendprogramm bei GZSZ keine Seltenheit.

Unter Uns (UU)

Seit ihrem Beginn 1994 hat es UU (Mo. bis Fr., 17.30 Uhr bis 18.00 Uhr) auf über 4000 Episoden gebracht. Wie ihre Schwester GZSZ läuft sie auf RTL und wird von Grundy UFA produziert. Der Quotenerfolg der Soap kann sich sehen lassen. Im Durchschnitt hat UU laut dem Medienportal meedia.de einen Marktanteil von knapp 20 Prozent bei der Gruppe der 14- bis 49-Jährigen.

Im Hauptcast von UU sind Menschen vieler unterschiedlicher Altersgruppen vertreten, die alle in der fiktiven Schillerallee 10 wohnen. Pubertierende Teenager finden sich ebenso wie die Generation ihrer Eltern und die jungen Erwachsenen. Dadurch verbucht UU für sich eine große Bandbreite von Zuschauern, die sich alle in der Soap wiederfinden können. Die Liebesgeschichten bei UU handeln von den ersten Liebeserfahrungen in der Schule und modernen Patchworkfamilien. Aber auch langfristige Ehen und funktionierende Familien lernt der Zuschauer kennen. Eine Ausnahme unter deutschen Soaps ist, dass es bei UU noch nie eine homosexuelle Rolle gab. Sexszenen werden nur angedeutet und enden meist, bevor es "zur Sache" geht.

Alles was zählt (AWZ)

Obwohl AWZ (ebenfalls von Grundy UFA) erst 2006 auf RTL startete, ist sie eine feste Größe im Vorabendprogramm des Privatsenders und bringt es  nach Daten von quotenmeter.de auf ungefähr 19 Prozent Markanteil bei den Zuschauern im Alter von 14 bis 49 Jahren. Sie läuft montags bis freitags von 19.05 Uhr bis 19.40 Uhr.

Bei AWZ geht es um Liebe, Liebe und nochmals Liebe. Aber: Keine der Figuren in AWZ ist in einer wirklich langlebigen Beziehung. Sowohl das private als auch das berufliche Umfeld der Hauptdarsteller ist einem steten Wandel unterzogen. Treue? Wünschen sich alle. Bekommt aber fast keiner. Sexszenen werden oft und ausführlichst gezeigt. RTL bewegt sich damit (bewusst?) an der Grenze des Erlaubten. So kam es im letzten Jahr im Mai zu einem kleinen Skandal, als nach Angaben von Bild.de die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) eine Sexszene in der Folge 924 zensierte – dabei ist die FSK für Fernsehsendungen gar nicht zuständig. Die FSK dementierte den Bericht gegenüber dem Internetportal schnittberichte.com. Vermutlich wollte RTL nur für zusätzliche Aufmerksamkeit sorgen. Zu sehen waren drei Männer beim Geschlechtsverkehr, zunächst nur das schwule Pärchen Roman (Dennis Grabosch) und Deniz (Igor Dolgatschew), anschließend auch Marc (Timo Hübsch). Die Szene wurde nach Angaben von RTL um einige Sekunden geschnitten. Doch selbst die geschnittene Szene ist so hart, dass Zweifel an der Eignung für Kinder und Jugendliche durchaus angebracht sind – genauso wie für andere Sexszenen der Soap. Ein RTL-Sprecher versuchte daraufhin, den angeblichen FSK-Verantwortlichen Homophobie zu unterstellen: "Wenn man in einer Gesellschaft sagen kann, Schwulsein ist normal, dann muss man so etwas auch bei ‚Alles was zählt‘ mit solchen Szenen zeigen können."

Verbotene Liebe (VL)

Auch VL wird von Grundy UFA produziert, spielt aber als einzige große Soap auf einem öffentlich-rechtlichen Sender (ARD, montags bis freitags, 18.00 Uhr bis 18.25 Uhr). Die Soap, die 1995 startete, erreicht pro Sendung laut ARD unter 10 Prozent der 14- bis 49-Jährigen. Die ARD kündigte an, dass VL durch den Wegfall von Marienhof bald auf 45 Minuten verlängert werde. Manche werten das als letzte Chance für das zuletzt glücklose Format.

Im Gegensatz zu den meisten anderen Soaps geht es bei VL nicht um Alltagsgeschichten, sondern um die Probleme der High Society. "Verboten" ist die "Liebe" meistens deshalb, weil die sie oft auf unbequeme Hindernisse trifft: Der zukünftige Partner ist entweder verheiratet, hat eine andere sexuelle Orientierung oder er passt nicht in die eigenen Karrierevorstellungen. Außerdem geht es bei VL um die Gier nach Macht, Erfolg und Geld. Die Hemmschwelle ist dabei nicht besonders hoch. Wer sich die Serie länger anschaut, bemerkt: Die Adligen und Reichen der VL-Welt schwimmen im Geld – aber ertrinken in ihrer Gier.

Erfolg dank "treuloser Tomaten"

Alle vier Soaps funktionieren nur, weil fast alle Figuren "treulose Tomaten" sind. Liebesbeziehungen haben meist eine kurze Halbwertszeit und werden nach Himmelhochjauchzen schnell wieder enttäuscht. Intakte Familien sind eben langweilig und sorgen nicht gerade für hohe Einschaltquoten. „Alles was zählt“ ist der niveau- und wertefreieste Titel im Soap-Quartett. Im Mittelpunkt steht nur die Selbstverwirklichung und die eigene Zufriedenheit. „Verbotene Liebe“ weckt in den Zuschauern wohl die Sehnsucht nach einer Welt, die die meisten von ihnen nie sehen werden. Alles andere als vorbildlich sind die schnelllebigen Beziehungen sogar der älteren Generation – und natürlich der ausgeprägte Wille, immer mehr haben zu wollen. „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ ist vielleicht besser als ihr Ruf. Die Soap spricht wichtige gesellschaftliche Probleme an und hat es nicht nötig, nur über das Techtelmechtel ihrer Hauptfiguren zu berichten – dennoch ist der Umgang mit Konflikten meist nicht zur Nachahmung empfohlen. „Unter uns“ taugt zwar auch nicht als Ethik-Lehrfilm, vermittelt aber immerhin einige wichtige Grundwerte wie beispielsweise  bedingungslose Vaterliebe. Wenn überhaupt eine Soap zu empfehlen ist, wäre es „Unter uns“ – nicht zuletzt wegen der humorvollen Einlagen, die es nicht nötig haben, unter die Gürtellinie zu gehen. Aber mal "unter uns": Ist das echte Leben nicht viel spannender als der quälende Zickenterror der treulosen Soap-Tomaten? Der Autor empfiehlt: Einfach mal abschalten!

Den kompletten Bericht sowie weitere Beiträge lesen Sie in der aktuellen Ausgabe 3/2011 des Christlichen Medienmagazins pro, das kostenlos unter Tel. 06441 915 151, Fax 06441 915 157 oder info@kep.de bestellt werden kann.

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