Billy Graham pflegte jahrelang Beziehungen zu allen US-Präsidenten seit Harry Truman. Für viele Politiker war er der „Familienpastor“, schreiben die beiden „Time“-Autoren, die Graham für ein großes Porträt mehrfach besucht haben. Er habe ihnen durch schwere Zeiten geholfen, politisch wie auch privat. So wollten etwa viele Politiker Graham in den letzten Tagen ihrer Amtszeit im Weißen Haus an ihrer Seite haben und hätten den Evangelisten eingeladen.
Er habe alle Präsidenten gemocht und in erster Linie Freunde in ihnen gesehen. Gerade mit George H.W. Bush, dem Vater des amtierenden Präsidenten George W. Bush, und mit Bill Clinton verbinde ihn eine langjährige Freundschaft, immer wieder, so erzählt Graham, habe er auch ihnen Fragen zum christlichen Glauben und Bibelverständnis beantwortet.
„Ich fühle mich unqualifizierter“
Weiter berichtet Graham auch aus dem Leben der Politiker. Er unterstützte sie, er habe sie jedoch auch begleitet, als sie nach ihrer Amtszeit „auf den Boden der Realität“ zurückgekehrt seien. „Alle Präsidenten, die ich kannte, mit Ausnahme von Truman, dachten, mit ihrer Aufgabe nicht ganz fertig geworden zu sein. Am Ende ihrer Amtszeit waren sie enttäuscht und wünschten sich, einige Dinge anders getan zu haben“, so Graham. Wenn er zurückschaue, fühle er sich zunehmend „unqualifizierter“. „Da zu sitzen und mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten zu sprechen – ich kann das nur so erklären, dass diese Begegnungen von Gott geplant wurden, auch wenn ich es selbst nicht verstehe.“
Ähnliche Erfahrungen mit der Öffentlichkeit und Bekanntheit verband Graham ebenfalls mit den Präsidenten-Familien. „Irgendwann verliert man sein Privatleben. Erst dann merkt man, wie wertvoll es ist“, so der nunmehr 88-jährige Evangelist. „Es ist vor allem hart für die Kinder, denn sie stehen überall unter Beobachtung.“
Über den Tod seiner Frau Ruth
Auch über den Tod seiner Frau Ruth sprach Graham mit den „Time“-Autoren. Sie starb im Juni im Alter von 87 Jahren, die beiden waren fast 64 Jahre verheiratet. Zur Trauerfeier kamen rund 1.500 Menschen, darunter auch die ehemaligen US-Präsidenten George H.W. Bush und Bill Clinton. „Es spielt keine Rolle, wie sehr man auf den Tod eines lieben Menschen vorbereitet ist, er kommt immer wie ein Schock“, berichtet Billy Graham, „und es schmerzt noch immer jeden Tag.“ Er verstehe es erst jetzt, dass „ein sehr wichtiger Teil von mir weggenommen wurde“. Ausführlich berichtet Graham den „Time“-Autoren über die letzten Stunden vor dem Tod seiner Frau Ruth und ihre Begleitung durch ihn und ihre fünf Kinder.
Billy Graham selbst ist schwer erkrankt. Er leidet an Parkinson und an Prostatakrebs. Im Jahr 2000 beendete er offiziell seine Tätigkeit als Evangelist. Mit vier Gottesdiensten im Corona Park des New Yorker Stadtteils Queens verabschiedete sich Graham im Juni 2005 von der Öffentlichkeit.
Die Beiträge aus dem „Time“-Magazin – und einen Mitschnitt des Interviews mit Billy Graham – finden Sie im Internet unter www.time.com