Tichy: „Der Glaube an die Obrigkeit ist übersichtlich“

Seit 2016 ist Roland Tichy der Herausgeber des Monatsmagazins „Tichys Einblick“. An seinen Positionen und Veröffentlichungen reiben sich Viele. Im pro-Interview erklärt der Journalist, wie weit in Zeiten von Corona sein Vertrauen in die Regierung reicht und warum er für sogenannten „Haltungsjournalismus“ wenig übrig hat.
Von PRO
Der Wirtschaftsjournalist Roland Tichy hat unter anderem für das Handelsblatt, die Wirtschaftswoche und Bild am Sonntag gearbeitet. Seit 2016 ist er der Herausgeber des Monatsmagazins „Tichys Einblick“.

Pro: Herr Tichy, Sie haben jüngst einen Rechtsstreit mit dem Recherchenetzwerk Correctiv vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe gewonnen. Worum ging es?

Roland Tichy: Correctiv hatte uns eine falsche Berichterstattung unterstellt. Nun stellt sich heraus: Unsere Fakten waren korrekt, und Correctiv hat versucht, eine andere Meinung als die einzig wahre durchzusetzen und als Wahrheit auszugeben. Was „teils falsch“ markiert war, war komplett richtig, hat das Oberlandesgericht als Letztinstanz festgestellt und Correctiv eine Reihe anderer Kritikpunkte vorgehalten: Nämlich den Versuch, Mitbewerber durch Herabsetzung zu schädigen und deren Erfolg durch unlautere Methoden zu blockieren. Es war ein Urteil mit sieben Ohrfeigen für die selbsternannten Faktenchecker, dir nur meinen statt wissen.*

Correctiv hatte also als betrauter Faktenchecker für Facebook eine Ihrer Meldungen mit dem Label „teils falsch“ markiert. Aber ist das denn nicht ebenfalls eine Meinung? Warum haben Sie sich dagegen gewehrt?

Richtig. Der Begriff Faktencheck wurde missbräuchlich verwandt. Also eine Art Hochstapelei betrieben.

Wem können wir vertrauen in der Krise, wem können wir noch Glauben schenken?

Uns selbst. Es zeigt sich, dass man alle Informationen, die man erhält, überprüfen muss. In der Corona-Krise haben wir gelernt, dass sich die Sachverhalte sehr schnell ändern. Die Bundesregierung hat noch im Januar erklärt, dass sich das alles nicht so schlimm entwickeln wird, dass das Virus sich nicht durch Atemwege übertragen lässt, dass eine einfach Mund-Nasen-Maske keinen Schutz biete und so weiter. Und im Lauf der Monate haben wir gelernt: Das ist irgendwie anders. Wir haben gelesen, dass angeblich die Bundesregierung den Lockdown plane. Es wurde heftig dementiert und drei Tage später war er da. Der Glaube an die Obrigkeit ist eher übersichtlich.

Haben Sie eine Erklärung dafür, warum dieses Vertrauen – gerade im Osten – so zerbröselt?

Im Osten ist das Vertrauen in die Regierung geringer. Die Bürger in Ostdeutschland waren Gegenstand einer ganz großen gesellschaftlichen Lüge über Jahrzehnte. Das fing mit dem Satz an, dass man die Mauer, die die Menschen eingesperrt hat, als antifaschistischen Schutzwall bezeichnet hat, der Übergriffe von außen abwehren sollte. Und solche grundsätzlichen Lügen bedeuten, dass das Vertrauen in die Regierenden verfällt.

Nach der Wende war ich Beauftragter für das Rundfunkwesen in den neuen Bundesländern. Damals ist mir bereits aufgefallen, dass die Bürger in Ostdeutschland den Medien sehr kritisch gegenüberstanden. Ostdeutsche haben zwischen den Zeilen gelesen, dem Fernsehen misstraut und die Nachrichten interpretiert, um wenigstens etwas Wahrheit heraus zu filtrieren. Diese Grundimprägnierung mit Misstrauen scheint sich jetzt zu wiederholen, weil man dort das Gefühl hat, dass die Medien nicht die ganze Wahrheit berichten, sondern höchstens eine sortierte.

Sie stellen also eine Imprägnierung mit Misstrauen fest. Ist die im westlichen Teil der Republik verschüttet gegangen?

Wir hatten im Westen sicherlich eine Zeit, in der gerade die Medien sehr kritisch mit der Regierung ins Gericht gegangen sind, bisweilen sogar überkritisch, ganz egal, welche Partei den Kanzler oder die Regierungsmehrheit gestellt hat. In den Medien gab es konkurrierende Sichtweisen der Wirklichkeit. Es gab einen Wettbewerb um die richtige Meinung und die Information. Dieser offene Diskurs hat sich schon seit 15 Jahren verengt. Die Kollegin Evelyn Roll, damals bei der Süddeutschen Zeitung, sprach von einer „freiwilligen Gleichschaltung“ der Kollegen und Journalisten. Es ist also kein Phänomen, das nur im Zuge der Flüchtlingskrise und schon gar nicht bei Corona auftrat, sondern schon deutlich früher. Gleichförmigkeit in der Berichterstattung mit fast austauschbaren Überschriften, Bildern und Sichtweisen hat sich in den Medien durchgesetzt und von der Meinung eines großen Teils der Bevölkerung immer weiter abgesetzt. Das führt jetzt dazu, dass immer mehr Menschen sagen – oder das Gefühl haben –, sie würden nicht gut informiert, sondern einseitig. In der Folge kommt es zu einer Distanz von immer mehr Menschen zur Regierung und den Medien.

Warum bricht der Unmut im Moment so brachial aus den Menschen heraus?

Weil die Maßnahmen brachial sind. Hier wurde die Wirtschaft einer großen Industrienation fast auf Null gefahren. Wir werden massive Arbeitslosigkeit und eine gigantische Staatsverschuldung haben. Wir haben währungspolitische Maßnahmen, die die Sicherheit des Geldes gefährden. Wir haben die freie Gesellschaft unter der Bedrohung zeitweise in einen Polizeistaat verwandelt. Das sind doch Themen, die jeden angehen. Das kann keinen kaltlassen. Es kann doch nicht sein, dass man von den Leuten Ignoranz erwartet.

Kann man sagen, dass das Wächteramt, das die Medien ausgefüllt haben, jetzt durch die Schwarmintelligenz der sozialen Medien übernommen wird?

Die sozialen Medien gibt es so einheitlich natürlich nicht, sondern es gibt auch hier alles, von linksradikal bis rechtsradikal, von um Aufklärung bemüht bis zum organisierten Lug und Betrug. Wie bei gedruckten Medien auch oder im TV. Die sozialen Medien sind nur ein technischer Transportweg und zunächst noch kein Inhaltsgarant. Aber in diesem zum Teil sehr widersprüchlichen und dissonanten Chor gibt es natürlich auch ernsthafte Konkurrenten, die sich bemühen, eine Gegenposition, eine eigene Sichtweise auf die Dinge – oder die Lücken – auszufüllen, die Freiflächen auszumalen, die die offiziellen Medien da freilassen. Es sind sozusagen die Lückenfüller für die Lückenpresse.

Sie schreiben oft polemisch und müssen sich auch den Vorwurf gefallen lassen, dass Sie permanent nur an der Regierung herummäkeln. Andere sagen, Sie spielen den Rechten und der AfD in die Hände. Wie gehen Sie damit um?

Erstens wurde ich, seit ich Journalist bin, dafür kritisiert, dass ich kritisiere. Kritik ist natürlich nicht willkommen bei denen, die kritisiert werden. Dazu muss man als Journalist den Mut haben, Gegenpositionen zu vertreten und auch manchmal durchzuhalten. Ich habe oft genug erlebt, dass es mal ein oder zwei oder drei Jahre dauert, bis man recht bekommt. Das war in der Finanzkrise so – ich habe zwei Jahre drüber geschrieben und viele haben gelacht. Und dann: Peng. Dann muss man sich immer wieder nach bestem Wissen und Gewissen prüfen: Hat man Recht getan im Sinne der Wahrheitsfindung, oder hat man unter unethischen Motiven gehandelt? Und wenn man der Meinung ist, man hat einen Fehler gemacht, muss man sich korrigieren. Das tue ich auch. Allerdings muss ich feststellen, dass, wenn ich mal von den Verleumdungen absehe, mir da keine Fehler nachzuweisen sind.

Journalismus bestand früher darin, die Wahrheit zu generieren. Heute ist an diese Stelle getreten, was vor allen Dingen im WDR propagiert wird und von da aus seine Kreise gezogen hat: Haltungsjournalismus.

Eine Haltung, die sich an einem rot-grünen Mainstream orientiert. Wer dazu nicht gehört, hat keine Chance, in diesem Beruf etwas zu werden oder Erfolg zu haben. Und jeder, der dagegen verstößt, ist dann eben Rechtspopulist.

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Norbert Schäfer

* Erklärender Hinweis:

Die Rechercheplattform Correctiv, die regelmäßig Faktenchecks für Facebook vornimmt, hatte einen Artikel auf der Website „Tichys Einblick“ auf Facebook mit „Behauptungen teils falsch“ markiert. In dem Artikel wurde berichtet, dass sich „500 Wissenschaftler“ in einem Offenen Brief kritisch gegenüber der aktuellen Klimapolitik äußern. Correctiv gab im begleitenden Faktencheck an, nicht alle Unterzeichner seien Wissenschaftler. Außerdem führten einige Thesen im Brief in die Irre. Das Oberlandesgericht Karlsruhe entschied, dass der Correctiv-Hinweis auf Facebook missverständlich sei. Der durchschnittliche Nutzer habe den Hinweis „teils falsch“ auf den Artikel bezogen, nicht auf den Offenen Brief. Es musste also nur der Facebook-Hinweis entfernt werden, nicht der Faktencheck von Correctiv.

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