Theveßen: „Angst ist ein schlechter Ratgeber“



Mit Elmar Theveßen war am Montag ein renommierter Terrorismus-Experte in Wetzlar zu Gast. Der ZDF-Moderator referierte zum Thema "Islamistischer Terror oder Kampf der Kulturen?" Theveßen wies darauf hin, dass es sowohl in der arabischen Welt als auch im europäischen Raum Gruppen gebe, die zur Gewalt neigten: "Dies sind zwar nur kleine Gruppen. Aber sie erzeugen Angst, und die ist ein ziemlich schlechter Ratgeber."
Von PRO

Während im Islam die Salafisten für Schlagzeilen sorgten, seien es auf deutschem Boden Organisationen wie "Pro Deutschland", die mit der öffentlichen Vorführung des umstrittenen Mohammed-Films "Innocence of Danger" das Ziel verfolgten, Gewalt zu provozieren: "Sie betreiben ein unverantwortliches Spiel mit dem Feuer." Zudem gebe es in der evangelikalen Welt Gruppen, die Mohammed als Kinderschänder bezeichneten: "Nicht die gesamte christlich-fundamentalistische Bewegung hängt diesen Gedanken nach. Aber es gibt kleine Teile der Bevölkerung, die die Auseinandersetzung mit dem Islam als Kampf der Kulturen bezeichnet."



Theveßen nannte das Jesus Camp von "The Call" als Beispiel, in dem Kinder mit einer sehr angstvollen Weltsicht und mit militärisch geprägter Rhetorik indoktriniert würden. Dort fänden auch martialisch anmutende Vorführungen statt. Diese Rhetorik finde sich auch im Titel des "worship and warfare camps" wieder, das früher in Nordhessen stattfand. Um auch die Jugendlichen zu erreichen, gebe es sogar das christliche Ballerspiel "Left behind: Eternal Forces". Hier gehe es darum, virtuell Ungläubige zu erschießen. "Dies findet nicht im Mainstream statt. Es kommt aber teilweise über das Internet in der islamischen Welt an und führt zu Gegenreaktionen." Deswegen lohne sich eine differenzierte Betrachtungsweise.



Attacken in möglichst kleinen Abständen



Der Journalist ging anschließend auf die aktuelle Bedrohungslage ein: "Die Terrorgruppen sind derzeit logistisch nicht in der Lage, Anschläge wie am 11. September 2011 zu wiederholen. Die derzeitige Strategie lautet, dass Einzeltäter und Kleinstzellen möglichst regelmäßig kleine Attacken verüben." Dadurch sollten sie die Sicherheitsmaßnahmen in den entsprechenden Ländern so verschärfen, dass sich Muslime entfremden und das Gefühl hätten, sich im Feindesland zu befinden.



"Wenn diese Situation gefördert wird, sind immer mehr junge Leute bereit, sich dafür aufzuopfern", sagte Theveßen. Das gefürchtete "Al-Kaida"-Netzwerk sei keine festgefügte Organisation, sondern lediglich ein loses Netzwerk, das von einer Ideologie zusammengehalten wird: "Wenn ich zum Beispiel will, dass die spanischen Gruppen aus dem Irak abgezogen werden, muss ich ein Anschlag dort verüben", machte Theveßen deutlich. Der Zweck heilige in diesem Fall die Mittel.



Bauernfängerei perspektivloser Menschen

Dies falle vor allem deswegen in der arabischen Welt auf fruchtbaren Boden, weil dort Menschen nicht an der politischen Willensbildung beteiligt werden. Viele im Internet kursierende Folterbilder sorgten zudem dafür, dass junge Menschen bereit seien, gegen die Unterdrücker Gewalt anzuwenden. Oft heiße es dann: "Mit euren Aktionen könnt ihr erfolgreich sein gegen die Herrscher und diejenigen im Westen, die ihre Hand schützend über die Herrscher halten. Das ist Bauernfängerei, weil junge perspektivlose Menschen instrumentalisiert werden für Gewalt." Aber dieses Prinzip werde immer mehr über das Internet verbreitet. Diese Denkweise sei leider mittlerweile auch in den deutschen Köpfen angekommen.



Und was geschieht im Kampf gegen den Terror? Derzeit, so Theveßen, werde vor allem beobachtet und dann bei straffälligen Handlungen mit Festnahmen oder im Zweifelsfall auch Tötungen reagiert. Die entscheidende Frage sei aber, "wie wir verhindern, dass Menschen überhaupt mitmachen?". "Wir müssen weiterdenken. Die Mehrheit der Menschen, die in arabischen Ländern für die Revolution gesorgt haben, hat mit Extremismus und Radikalismus nichts zu tun. Aber in einer Reihe arabischer Länder gehören sie mittlerweile zu den Verlierern der Umstürze." Deswegen sei eine wirtschaftliche Unterstützung wichtig, um diktatorische oder salafistische Regime zu verhindern.



Freiheit der Demokratie verteidigen



In diesen Situationen gieße die Veröffentlichung von Mohammed-Videos Öl ins Feuer. "Die Frage, die bisher noch keiner beantwortet hat, ist, wie es gelingt, wie einer von ‚denen da unten‘ zu denen ‚da oben‘ wird." Viele Menschen wünschten sich Aktionen von der Politik oder der Polizei: "Aber letzten Endes sind es Menschen im Umfeld, in den Vereinen und in der Nachbarschaft, die dazu beitragen müssen, dass junge Menschen nicht zu Extremisten und Islamisten werden. Es ist höchste Eisenbahn, dass sich mehr Menschen, egal welcher Hautfarbe oder Religion daran beteiligen, dass dies nicht geschieht. Alle Menschen profitieren von der Freiheit der Demokratie und sollten deswegen mithelfen, sie zu verteidigen", fasste Theveßen zusammen. Eingeladen zu der Veranstaltung hatte der Verein "Pro Polizei". (pro)

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