Theologin: Christen in Israel unter Druck

Die Theologin Johanna Haberer ist aktuell als Touristen-Pfarrerin in Jerusalem und erlebt viele Spannungen im Land aus erster Hand. Für die Zukunft der christlichen Minderheit im Heiligen Land zeichnet sie ein düsteres Bild.
Johanna Haberer

Die christliche Minderheit in Israel sollte nach Auffassung der Theologin Johanna Haberer Räume der Begegnung für alle Religionen schaffen. Es sei die Aufgabe der Christen in Israel, in der Mitte zu stehen und die Position zwischen den Stühlen maximal auszunutzen, sie sollten Fenster und Türen weit öffnen und Räume für Begegnung schaffen, sagte Haberer dem Evangelischen Pressedienst (epd). Christen sind in Israel eine sehr kleine Minderheit, nur noch 1,6 Prozent der Bevölkerung.

Allerdings stelle sich die Frage, wie deutlich die christliche Minderheit in diesem Land noch auftreten dürfe, sagte die emeritierte Professorin für Christliche Publizistik in Erlangen, die bis Ende Juli als Touristen-Pfarrerin in Ost-Jerusalem arbeitet. Zum einen würden christliche Orte von jüdischen Siedlern immer wieder angegriffen, wie etwa die Benediktiner-Abtei Dormitio oder auch der evangelische Friedhof. Zum anderen kämen Christen auch vonseiten der muslimischen Palästinenser unter Druck. Haberer warnte davor, sich im Nahost-Konflikt auf eine Seite zu stellen.

Grund und Boden und die religiöse Legitimation für dessen Besitz seien ein großes Thema in Israel, sodass die Christen hier auch immer wieder unter Druck kämen. „Ich habe den Eindruck, es geht es immer um Land“, sagte sie. Die Frage des Landbesitzes sei das zentrale Thema all der Konflikte, die zurzeit dort herrschten – auch der Demokratiekonflikte. „Auch den Kräften, die gerade versuchen, die exekutive und legislative Balance zu stören, geht es hauptsächlich darum, neu zu definieren, wem das Land ‚eigentlich‘ gehört“, sagte sie mit Blick auf die Proteste gegen die Justizreform der nationalkonservativen Regierung von Premier Benjamin Netanjahu.

Israel bald christenfrei?

Wenn man die Geschichte Israels in der Bibel anschaue, sehe man, dass sich die Probleme eigentlich nicht verändert hätten. „Man hat hier schon immer ethnisch gemischt gewohnt. Diese zum Teil starke separatistische Politik der jüdischen ‚Frommen‘, gab es auch schon immer“, sagte die Theologin, die mit ihrer Schwester, der Journalistin Sabine Rückert, den Podcast „Unter Pfarrerstöchtern“ hostet, in dem die Geschichten der Bibel für die heutige Zeit nacherzählt werden.

In dem Interview betonte Haberer die komplexe Situation im Nahen Osten. Pilger, die nach Jerusalem kämen, seien sich der schwierigen Zusammenhänge meist nicht bewusst. Die Theologin sprach von „sich überlagernden Konflikten“, etwa innerhalb der israelischen Gesellschaft, aber eben auch zwischen Israelis und Palästinensern.

Mit Blick auf die Zukunft der christlichen Minderheit schloss sich Haberer Sally Azar, der ersten evangelisch-lutherischen Pfarrerin im Heiligen Land, an: Ähnlich wie Syrien und der Irak heute fast christenfrei seien, werde auch das sogenannte Heilige Land absehbar christenfrei sein. Die christlichen Familien wanderten aus.

epd
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