Theologie pur: „Die Apokalypse“ auf „Arte“

Der deutsch-französische Kulturkanal "Arte" sendet ab Mittwoch ein theologisches Mammutwerk: die 12-teilige Dokumentation "Die Apokalypse" dürfte für passionierte Theologen ein Leckerbissen sein. Für den kindlich-gläubigen Laien erscheint die Kost indes ein wenig zu sperrig.
Von PRO

Wenn Theologen in Fahrt kommen und über Jahrtausende alte Schriften sprechen, ist es wie immer, wenn Wissenschaftler über ihr Steckenpferd reden. Wer etwas davon versteht, genießt es, der Laie wundert sich. „Arte“ sendet vom 3. bis zum 20. Dezember samstags und mittwochs um 21 Uhr und 21.50 Uhr die Reihe „Die Apokalypse“ in der Erstausstrahlung. In jeder 50-minütigen Folge reden Bibel- und Altertumsexperten über das Urchristentum, die Entwicklung der Kirche und was das Buch der Offenbarung des Johannes damals bedeutet hat.

Die beiden Filmemacher Gérard Mordillat und Jérôme Prieur sind zwar keine Theologen, sie haben sich jedoch bereits bei früheren Projekten („Die Geburt des Christentums“, „Corpus Christi“, „Jesus gegen Jesus“ etc.) ausgiebig mit der Tätigkeit der „Buchgelehrten“ beschäftigt. Fünfzehn Jahre wollen sie gemeinsam an der Bibel geforscht haben, bevor sie sich an das apokalyptische „Arte“-Werk herantrauten, das kurz vor Weihnachten über fast drei Wochen hinweg im Fernsehen zu sehen ist. Beide sind Autodidakten, geben sie zu, und sie fühlten sich laut „Arte“ „wie Gulliver“, weil sie die „Erfindung einer Religion“ von oben herab, aus der Ferne, betrachten konnten.

Nicht weniger als 44 Theologen und Altertumsforscher – aus Italien, Frankreich, England, Deutschland, Israel, Amerika und Kanada – setzten sie vor einen schwarzen Hintergrund und ließen sie mit alten Bibeltexten, Berichten römischer Geschichtsschreiber und historischen Kommentaren jonglieren. Mordillat sagte in einem Interview über die Koproduktion von „Arte“ und der Produktionsfirma „Archipel 33“: „Die Auswahl der Wissenschaftler ist sehr wichtig. Wir legen keine Quoten fest – soundso viele Katholiken, Protestanten, Juden, Agnostiker… – sondern gehen ausgehend von dem, was wir gelesen haben, auf die Leute zu.“ Am Ende solle stets eine Frage offen bleiben, das war ihnen wichtig. „Es wäre sinnlos, mit der Feststellung zu enden: So ist es und nicht anders.“ Ihre gemeinsame Arbeit sehen sie als eine „Ode an den Zweifel“.

Ein Buch mit sieben Siegeln

Laut „Arte“ will sich die Reihe mit der „Entwicklung des Christentums im Römischen Reich zwischen dem 1. und 5. Jahrhundert nach Christus“ beschäftigen. Umso interessanter ist es, dass sich die Filmemacher ausgerechnet das Buch der Offenbarung aussuchten, verweist es doch auf die zukünftige Welt am Ende aller Zeiten und auf ein Leben im Himmel. Noch dazu ist gerade die Offenbarung des Johannes das wohl verworrenste Buch der Bibel; wenig geeignet als Gute-Nacht-Geschichte für Kinder, ein weißes Blatt für Spekulationen aller Art – ein Buch mit sieben Siegeln eben. Hier wird die Zukunft der Welt beschrieben, ihr Untergang, das Kommen Christi und das zukünftige, himmlische Reich.

Die Argumentation der Forscher geht jedoch so: die frühen Christen erwarteten das baldige Wiederkommen Jesu. Darauf aufbauend entstand die frühe Kirche, die schließlich – in Form der römisch-katholischen Kirche – zur Weltmacht werden sollte. „Die Ironie der Geschichte ist, dass das Christentum mit der Ankündigung der Zeit beginnt (…) Und dennoch: je erfolgreicher das Christentum ist, desto unzutreffender wird die Vorhersage vom Weltenende“, sagt die Theologin Paula Frederiksen von der Universität Boston. „Wir befinden uns jetzt im dritten Jahrtausend – und warten noch immer. Bald aber ist es so weit.“

„Jesus kündigte das Reich Gottes an, und gekommen ist: die Kirche“

Ein Satz scheint als Grundaussage über allen Folgen der 12-teilige Reihe zu stehen, er eröffnet auch die erste Folge mit dem Titel „Die Synagoge des Satans“: „Jesus kündigte das Reich Gottes an, und gekommen ist: die Kirche.“ „Das Buch der Offenbarung schließt das Neue Testament ab“, heißt es in der dritten Folge, „die christliche Bibel endet also mit dem Anruf der Hoffnung: Komm, Herr Jesu. Aber die Jahre vergehen, und niemand kommt. Dennoch wachsen die christlichen Gemeinden, die Anhängerschaft wir größer und größer, so dass zu Beginn des 2. Jahrhunderts die Heidenchristen unter den Christen in der Mehrzahl sind.“ Wie konnte aus einer kleinen jüdischen Sekte die Religion des Weltreiches Roms werden?, ist ebenfalls eine Leitfrage der Sendereihe.

Das letzte Buch der Bibel beginnt mit den Worten: „Dies ist die Offenbarung Jesu Christi, die ihm Gott gegeben hat, seinen Knechten zu zeigen, was in Kürze geschehen soll.“ „In Kürze“ also soll all das geschehen, was dort zu lesen ist, und: „die Zeit ist nahe“. Und am Ende des Buches heißt es: „Ja, ich komme bald. – Amen, ja, komm, Herr Jesus!“ Schon bei den ersten Christen war diese Formal fester Bestandteil ihrer Gebete, so die Experten. Auf Griechisch heißt es „Maran atha“ – „Komm, Herr Jesus“. Doch Jesus ist noch immer nicht wiedergekommen…

600 Minuten Theologie pur

Der Zuschauer erfährt in dieser Reihe viel Interessantes über das Buch der Apokalypse (griechisch „Apo“= „fern von“ und „Kalypse“ = „Schleier“), den Kontext, in dem sie geschrieben wurde, und was sie für die damalige Zeit bedeutete. Im Laufe der Geschichte habe sich der Begriff fast umgekehrt, erklären die Gelehrten: Was früher Ausdruck für Hoffnung war, ist für die heutigen Ohren ein Synonym für Untergang. Für die Forscher gilt es als unwahrscheinlich, dass Johannes freiwillig zum Predigen auf die Insel Patmos ging, denn die war damals fast menschenleer. Johannes, ein Jude, der Christ geworden war, war wahrscheinlich nicht einmal ein Jünger Jesu, sagen die Experten. Unwahrscheinlich, dass er Jesus überhaupt je persönlich getroffen habe. Weitere Folgen beschäftigen sich mit dem Begriff der „Synagoge des Satans“ aus Offenbarung 2,9, den Märtyrern im alten Rom und der Bekehrung des römischen Kaisers Konstantin.

Wer immer schon einmal Theologen dabei zuhören wollte, wie sie darüber referieren, in welchem Zusammenhang das Buch Esra mit den Büchern Henoch oder dem 2. Buch Baruch steht, das von Experten auch „syrische Apokalypse“ genannt wird, wer schon einmal etwas vom „Testament der Zwölf Patriarchen“ gehört hat und sich fragt, ob die Apokalypse eigentlich eine christliche Schrift oder nicht eigentlich eine jüdische ist, den erwarten 600 spannende vorweihnachtliche Minuten. Wer allerdings einfach nur mit einem einfältigen Herzen glauben will, dass der in einem Stall geborene Jesus der Sohn Gottes ist, der auch am Ende aller Zeiten alles richten wird, wird sich vielleicht lieber in einen Christstollen verbeißen als in dieses harte Brot theologischer Forschungsarbeit. (PRO)

„Die Apokalypse“, 12-teilige Dokumentation von Gérard Mordillat und Jérôme Prieur, vom 3. Dezember bis 20. Dezember, mittwochs und samstags, 21 Uhr und 21.50 Uhr, auf „Arte“

Die Dokumentationsreihe „Die Apokalypse“ ist ab dem 19. November 2008 auf DVD im „Arte“-Shop erhältlich.

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