In der theologischen Ausbildung gibt es einen „Mangel an Begegnungen mit dem Judentum“. Das stellt der Gemeinsame Ausschuss „Kirche und Judentum“ der Evangelischen Kirche in Deutschland, der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands und der Union Evangelischer Kirchen in einem am Freitag erschienenen Thesenpapier fest. Theologen sollen sich deshalb künftig „in allen Phasen der Aus-, Fort- und Weiterbildung verbindlicher und differenzierter als bisher mit der Geschichte und Gegenwart des Judentums auseinandersetzen“.
Dazu schlagen die Experten vor, die theologische Ausbildung umzugestalten. Jüdische Lehrkräfte sollen darin künftig eine größere Rolle spielen, ebenso wie die Auseinandersetzung mit einer christlichen Judenfeindschaft und der jüdischen Deutung biblischer Schriften. Denn: Es sei heute „immer noch möglich, dass Studierende sich an keiner Stelle ihres Studiums (einschließlich der Examina) eingehender mit Fragen des christlich-jüdischen Verhältnisses befassen müssen“, heißt es im Papier.
Kirche will Antisemitismus vorbeugen
Neben einigen bereits bestehenden Programmen bedürfe es „dringend“ neuer Formate und niederschwelliger Angebote, etwa auf Dialog ausgerichtete Studienreisen. Diese sollen Begegnungen mit jüdischen Gesprächspartnern in Deutschland, Israel oder den USA ermöglichen. Der Ausschuss schlägt des weiteren eine Kooperation mit jüdischen Ausbildungsstätten und den Austausch oder gemeinsamen Einsatz von christlichem und jüdischem Lehrpersonal vor.
So will die Kirche nicht nur die historischen Überschneidungen und gemeinsamen Erkenntnisse von Christen- und Judentum würdigen, sondern auch Antisemitismus entgegenwirken. Die zusätzlichen Inhalte sollen den interreligiösen Dialog beleben, sowie die Schuld der Christen an der Schoah und aktuelle Probleme des Nahostkonflikts ansprechen. Dieser sei „Gegenstand öffentlicher Diskurse, die oft ideologisch aufgeladen sind. Auch die kirchlichen Debatten sind polarisiert.“
Ob das Papier damit Bezug auf die aktuelle Debatte um Aussagen des Bischofs der Nordkirche, Hans-Jürgen Abromeit, nimmt, bleibt offen. Bei einem Vortrag Anfang August auf der Konferenz der Deutschen Evangelischen Allianz in Bad Blankenburg hatte Abromeit unter anderem gesagt, dass aus dem Schuldbewusstsein der Deutschen infolge des Holocausts eine „Überidentifikation mit dem Staat Israel“ resultiere. Die Nordkirche hatte sich in einer Stellungnahme von Abromeits Aussagen distanziert. Verschiedene Stimmen warfen ihm Antisemitismus vor. Abromeit selbst bezeichnete sich im Nachklang als „Freund Israels“.
Von: Anna Lutz