Man müsse unterscheiden „zwischen dem Interesse an nichtchristlichen und alternativen Religionsformen und der Bereitschaft, sich wirklich auf sie einzulassen“, sagt der 57-jährige Soziologe im Interview mit der taz. Das Dogma der Kirchen widerspreche offenbar dem Individualisierungsdrang der Menschen. Detlef Pollack ist Professor für Religionssoziologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und Vorstandsmitglied am dortigen „Centrum für Religion und Moderne“.
Die Menschen interessierten sich ebenso für Spiritualität, Buddhismus und New Age wie für das Leben Jesu oder Fragen der Schöpfung. Doch wirklich intensiv befassten sich eher wenige mit diesen Themen: „Fragt man sie aber, ob sie schon einmal an Kursen über Energietraining oder Bachblütentherapie teilgenommen haben, sind es nur noch ganz wenige, die das bejahen. In der Regel überschreitet der Anteil dann nicht die Fünf-Prozent-Marke.“
Die Frage, wieso die Spiritualität zwar im Allgemeinen wachse, nicht jedoch bei den christlichen Kirchen, findet Pollack schwer zu beantworten. Offenbar falle es den Menschen leichter, auch in der Religion ihre persönlichen Selbstverwirklichungsansprüche zu realisieren, indem sie sich alternativen Vorstellungen zuwenden. „Die traditionelle Christlichkeit wird als dogmatisch verfestigt, auch als verstaubt und autoritär wahrgenommen. Von den Kirchen erwarten viele eine Einschränkung ihrer Individualität. Die Menschen möchten sich aber nicht einer Institution unterwerfen, sondern auch im Bereich der Religion auf Selbstbestimmung und Freiheit nicht verzichten.“
Autoritäten würden jedoch lieber hinterfragt. Das treffe auch auf die Vorstellung von Gott zu: „Gott ist nicht mehr der strafende Richter, der Patriarch, der in unser Leben eingreift, sondern eine höhere Macht, unpersönlich, unvorstellbar und irgendwie ungreifbar. Die meisten, die noch an Gott glauben, stellen ihn sich auch nicht mehr als Person, sondern als ein geistiges Wesen vor. Dieses verlangt nicht etwa Gehorsam, sondern liebt den Menschen, jeden, auch den Ungläubigen, den Sünder ohnehin, den ganz besonders.“
Die meisten sähen zwischen Religiosität und Spiritualität keine Alternative, so Pollack. Nur sehr wenige lehnten die neuere Spiritualität ab und betonen demgegenüber christliche Vorstellungen und Praktiken. „Die meisten, vor allem die, die der Kirche distanziert gegenüberstehen, aber sie auch nicht rundweg ablehnen, praktizieren ein lauwarmes Christentum und integrieren dann und wann, wenn es ihnen passt, auch alternativ-religiöse Praktiken, Zen Meditation, Ayurveda, Reiki.“
Für die zukunft sieht Pollack eine schwächer werdende Integrationsfähigkeit der christlichen Kirchen. Deswegen würden alternative Religionsformen leichten Zulauf gewinnen, „ohne aber in der Lage zu sein, die Verluste der Kirchen aufzufangen“. Allerdings sei bei den 18- bis 30-Jährigen zu erkennen, dass der Glaube an Gott und die Bereitschaft, den Glauben an die eigenen Kinder weiterzugeben, exponentiell abnimmt. (pro)
Die Menschen interessierten sich ebenso für Spiritualität, Buddhismus und New Age wie für das Leben Jesu oder Fragen der Schöpfung. Doch wirklich intensiv befassten sich eher wenige mit diesen Themen: „Fragt man sie aber, ob sie schon einmal an Kursen über Energietraining oder Bachblütentherapie teilgenommen haben, sind es nur noch ganz wenige, die das bejahen. In der Regel überschreitet der Anteil dann nicht die Fünf-Prozent-Marke.“
Die Frage, wieso die Spiritualität zwar im Allgemeinen wachse, nicht jedoch bei den christlichen Kirchen, findet Pollack schwer zu beantworten. Offenbar falle es den Menschen leichter, auch in der Religion ihre persönlichen Selbstverwirklichungsansprüche zu realisieren, indem sie sich alternativen Vorstellungen zuwenden. „Die traditionelle Christlichkeit wird als dogmatisch verfestigt, auch als verstaubt und autoritär wahrgenommen. Von den Kirchen erwarten viele eine Einschränkung ihrer Individualität. Die Menschen möchten sich aber nicht einer Institution unterwerfen, sondern auch im Bereich der Religion auf Selbstbestimmung und Freiheit nicht verzichten.“
Autoritäten würden jedoch lieber hinterfragt. Das treffe auch auf die Vorstellung von Gott zu: „Gott ist nicht mehr der strafende Richter, der Patriarch, der in unser Leben eingreift, sondern eine höhere Macht, unpersönlich, unvorstellbar und irgendwie ungreifbar. Die meisten, die noch an Gott glauben, stellen ihn sich auch nicht mehr als Person, sondern als ein geistiges Wesen vor. Dieses verlangt nicht etwa Gehorsam, sondern liebt den Menschen, jeden, auch den Ungläubigen, den Sünder ohnehin, den ganz besonders.“
Die meisten sähen zwischen Religiosität und Spiritualität keine Alternative, so Pollack. Nur sehr wenige lehnten die neuere Spiritualität ab und betonen demgegenüber christliche Vorstellungen und Praktiken. „Die meisten, vor allem die, die der Kirche distanziert gegenüberstehen, aber sie auch nicht rundweg ablehnen, praktizieren ein lauwarmes Christentum und integrieren dann und wann, wenn es ihnen passt, auch alternativ-religiöse Praktiken, Zen Meditation, Ayurveda, Reiki.“
Für die zukunft sieht Pollack eine schwächer werdende Integrationsfähigkeit der christlichen Kirchen. Deswegen würden alternative Religionsformen leichten Zulauf gewinnen, „ohne aber in der Lage zu sein, die Verluste der Kirchen aufzufangen“. Allerdings sei bei den 18- bis 30-Jährigen zu erkennen, dass der Glaube an Gott und die Bereitschaft, den Glauben an die eigenen Kinder weiterzugeben, exponentiell abnimmt. (pro)